Es gibt wenige philosophische Klassiker, die es in den Rang eines Kultbuchs geschafft haben. Theodor W. Adornos 1951 erschienene Aphorismensammlung Minima Moralia ist ein solches Buch, auch wenn der Verfasser selbst vermutlich Probleme damit gehabt hätte, als Autor eines solch populären Genres bezeichnet zu werden, ging es Adorno doch keinesfalls darum, gefällig zu sein. Und dennoch avancierten seine Reflexionen aus dem beschädigten Leben, wenige Jahre nach dem Krieg zur Pflichtlektüre unter Intellektuellen, gerade weil sie mit ihrem unerhörten Sound für ein Denken standen, das sich nicht mehr vom durch und durch falschen Bewusstsein der bürgerlichen Gesellschaft korrumpieren ließ, sondern es mit Verve entlarvte. Wie steht es aber heute um dieses Buch, welche Gehalte – ob philosophisch oder literarisch – können wir ihm zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit Gewinn entnehmen? Vermag es uns noch immer zu überraschen oder gar zu begeistern? Können wir auch heute noch etwas seiner spezifischen Dialektik von Inhalt und Form abgewinnen?
Im Seminar werden wir uns zunächst der aphoristischen, offenen und unabgeschlossenen Form der Minima Moralia widmen, um daran anschließend Adornos Begriff der Kritik, der Utopie sowie eine aus der Negation des Bestehenden gewonnen Vorstellung eines richtigen Lebens zu erörtern. Dafür werden wir einzelne Stücke der Minima Moralia im Rahmen eines close readings eingehend untersuchen, wir werden aber auch ausgesuchte Sekundärliteratur miteinbeziehen.