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< Inhalt 10/1995

EU-Biopatent-Richtlinie

Zum "Nachruf auf die abgelehnte EU-'Biopatent-Richtlinie'" von Prof. Dr. Wackernagel (uni-info 5/95)

Anders als Prof. Wackernagel sind wir nach eingehender Beschäftigung mit der Thematik sogenannter "Biopatente" im vergangenen Semester zu der Ansicht gelangt, daß der diesbezügliche Beschluß des Europäischen Parlaments differenzierter betrachtet werden muß, als es Wackernagel im uni-info 5/95 tut. Indem der Oldenburger Biologe den GegnerInnen der dem Parlament zur Abstimmung vorgelegten Richtlinie pauschal Emotionalität und Blindheit unterstellt, versucht er, sie lächerlich zu machen. Wollte man sich auf dieses Niveau begeben, könnte man Wackernagel ebensogut Gefühlskälte vorwerfen. Denn seine Argumentation läßt moralische Argumente weitestgehend links liegen und begibt sich auf die altbekannte "Sachzwang-Schiene". (. . .)

Außerdem legt er mit seiner Kritik die Auseinandersetzung mit dieser im Grunde die Zukunft der gesamten Menschheit betreffenden Frage in die Hände abgehobener ExpertInnengremien. Unserer Meinung nach hat jedoch gerade die Beschränkung der Debatte auf verschwiegene Wissenschaftszirkel die Auseinandersetzung verschärft und eine einvernehmliche Lösung verhindert.

In Fragen der Ethik, so meinen wir, kann niemand eine herausragende Kompetenz für sich beanspruchen. Sie müssen in der Öffentlichkeit breit diskutiert und letztlich von jedem Menschen selbst entschieden werden. (. . .)

Es mag sein, daß der Richtlinienentwurf lange und ausgiebig unter den von Wackernagel als sachkundig bezeichneten Euro-PolitikerInnen diskutiert wurde. Das Europaparlament setzt sich - wie jedes andere demokratische Parlament - jedoch aus VolksvertreterInnen zusammen, die gerade nicht die Ergebnisse von ExpertInnenrunden absegnen sollen, sondern deren Erkenntnisse unter Berücksichtigung ihres "gesunden Menschenverstandes" und "der Volksmeinung" beurteilen.

Ob also eine lange intern diskutierte, jedoch allgemein als unzureichend erkannte Richtlinie sofort einer gründlich durchdachten und öffentlich diskutierten Übereinkunft zu einem Zeitpunkt vorzuziehen ist, bleibt fraglich. Fest steht, daß laxe Patentierungsregelungen mitnichten, wie Wackernagel mit dem Patentamtchef festgestellt, "Innovationsleistungen" - wie fragwürdig diese auch immer sein mögen - fördern.

Beispiele wie das Ende März vergebene US-Patent, das sich French Anderson für sämtliche gentherapeutischen "ex-vivo"-Verfahren erteilen ließ, oder die Patentierung des im Eierstockgewebe schwangerer Frauen entstehenden Relaxins durch das Europäische Patentamt haben verdeutlicht, daß es sich bei diesem Patentschutz zumeist um "Monopol-Patente" handelt. Alternative "Erfindungen" sind kaum denkbar.

So stellen Bio-Patente vielleicht einen neuen Weg nachträglicher Forschungsfinanzierungen dar, durch ihren Monopolcharakter ermöglichen sie aber mehr ein finanzielles Wettrennen um Besitztum am Menschen, als daß sie "Innovation" fördern.

Aus diesen Gründen begrüßen wir die Entscheidung des Europäischen Parlaments, die "Bio-Patent-Richtlinie" abzulehnen.

Die Bioethik-AG der Fachschaft Diplom-Pädagogik


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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