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Aus Wissenschaft und Forschung

Das Wattenmeer: Gefährdung kontra Nutzung

Die Ergebnisse aus sechs Jahren Ökosystemforschung wurden vorgestellt

Im Rahmen des 5. Symposiums der Ökosystemforschung Wattenmeer (ÖSF) wurde vom 19. bis 21. Februar 1996 am Standort Wechloy das sechs Jahre dauernde Großforschungsprojekt offiziell beendet. Auf dem Treffen, das unter Beteiligung von etwa 250 WissenschaftlerInnen stattfand, wurden die Ergebnisse der über neunzig Teilprojekte und mehr als 200 Veröffentlichungen präsentiert.

Das Großprojekt Ökosystemforschung Wattenmeer, dessen Kosten von etwa 50 Millionen Mark von den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie dem Bund getragen wurden, hatte zum Ziel, das Verständnis für die Funktionsweise von Küstenökosystemen zu vergrößern und somit die wissenschaftliche Grundlage für anwendungsorientierte Umweltschutzkonzepte in den Nationalpark zu erarbeiten. Die beteiligten Projekte beinhalteten sowohl ökologische, physikalisch-chemische als auch sozioökonomische Untersuchungen, deren Ergebnisse übergreifend diskutiert werden. Auf diese Weise soll ein ganzheitliches Bild der Gefährdung und Entwicklung des Wattenmeeres ermittelt werden, das die Menschen, die das Watt und die angrenzenden Gebiete wirtschaftlich oder touristisch nutzen, mit einbezieht.

Die Ergebnisse des Großforschungsvorhabens sollen daneben unter der Regie der Nationalparkverwaltungen in die Entwicklung konkreter Handlungsanweisungen einfließen, die ein umfassendes, ganzheitliches Management des Wattenmeeres ermöglichen. Die schleswig-holsteinische Umweltministerin Dr. Edda Müller erwähnte als Beispiel die Salzwiesen, deren ökologische Bedeutung für seltene Pflanzen sowie als Brutraum von Küstenvögeln durch die Ökosystemforschung erkannt worden sei. Die Beweidung dieser Vorlandflächen durch Schafe sei deshalb eingeschränkt, auslaufende Pachtverträge nicht verlängert worden. Da die zu erwartende wiedererstarkte Salzwiesenblüte attraktiv auf den Fremdenverkehr wirke, so die Ministerin, sei die veränderte landwirtschaftliche Nutzung der Salzwiesen innerhalb der strukturschwachen Küstenregion auch wirtschaftlich nutzbar.

Trotz nun eingeschränkter finanzieller Mittel sei die Arbeit der folgenden Jahre dazu notwendig, die Teilprojekte übergreifend auszuwerten und somit der eigentlichen Aufgabenstellung der ÖSF gerecht zu werden, sagte Prof. Dr. Thomas Höpner, Fachbereich 7 Biologie, der an der Organisation des Projektes maßgeblich beteiligt war. Es müsse angestrebt werden, einen gesellschaftlichen Umdenkungsprozeß hinsichtlich der bisherigen Nutzung von Küstenökosystemen einzuleiten und konventionelle Vorstellungen vom Küstenschutz oder der Muschelfischerei zu überdenken.

Deklaration zur weiteren Erforschung der Meeresböden

200 Geowissenschaftler tagten in Oldenburg

Mehr als 200 Geowissenschaftler aus 13 europäischen Ländern haben sich auf dem 1. EuroColloquium des internationalen Tiefseebohrprojekts "Ocean Drilling Program", das im März an der Universität Oldenburg stattfand, in einer Deklaration dafür ausgesprochen, die Tiefseeböden durch Bohrungen weiterhin umfangreich zu erforschen. Die Wissenschaftler forderten alle Entscheidungsträger in der europäischen Wissenschaftsplanung, in den Fördereinrichtungen und öffentlichen Diensten sowie in der Industrie auf, die globale Initiative für eine verbesserte Erforschung der Erdsysteme mittels Tiefseebohrungen zu unterstützen.

Die Tagung wurde vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Rullkötter im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgerichtet. Konferenzgegenstand waren die Ergebnisse der jüngsten Forschungsfahrten des amerikanischen Bohrschiffs "Joides Resolution", bei denen es vor allem um das Klima und die atmosphärische Kohlendioxidkonzentration in der Vergangenheit und um die weitgehend unerforschten Erdgasreserven in der Tiefsee ging. Darüber hinaus wurden Pläne für die weiteren Arbeiten koordiniert.

Das "Ocean Drilling Program" ist das größte erdwissenschaftliche Forschungsprogramm unserer Zeit. Den deutschen Jahresbeitrag von 2,95 Millionen US $ bringen die DFG und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie gemeinsam auf. Die DFG hat zudem ein Schwerpunktprogramm für die Auswertungsarbeiten eingerichtet, das von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe koordiniert wird. Durch diese Förderung können sich an jeder der zweimonatigen Forschungsfahrten des Bohrschiffs "Joides Resolution" zwei deutsche WissenschaftlerInnen beteiligen. Im Frühjahr 1995 hatten mit Prof. Dr. Jürgen Rullkötter und Prof. Dr. Hans-Jürgen Brumsack zwei Wissenschaftler des ICBM eine Einladung für eine Fahrt in das östliche Mittelmeer erhalten.

Nur acht von 136 Arten werden geschützt

Vegetationskundliche Studie kritisiert den Oldenburger Naturschutz

Mit 136 Arten, die auf der Roten Liste für gefährdete Pflanzen vermerkt sind, weist die Oldenburger Flora eine Vielzahl von gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Pflanzenarten in zum Teil noch ansehnlichen Populationsgrößen auf. Für nur acht der gefährdeten Arten sind jedoch im Landschaftsrahmenplan der Stadt Oldenburg Hilfsprogramme vorgesehen. Das geht aus einer Studie hervor, die Prof. Dr. Wolfgang Eber vom Fachbereich 7 Biologie vorgelegt hat.

Die Studie über die Flora der Stadt Oldenburg enthält die Ergebnisse von zwanzig Jahren kontinuierlicher Forschungsarbeit und stellt damit einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Flora Nordwestdeutschlands dar, besitzt aber auch überregionale Bedeutung für die noch relativ junge stadtökologische Forschung. Zugleich liefert sie Aussagen über Grundlagen und Praxis des Artenschutzes.

Angesichts des reichen Vorkommens gefährter Arten trage die Stadt auch ein hohes Maß an Verantwortung für den Naturschutz, heißt es in der Studie. Aber weder der behördliche noch der ehrenamtliche Naturschutz verfügten derzeit über eine hinreichende Kompetenz auf dem Gebiet der Artenkenntnisse und Standortansprüche. Man könne schließlich nur das schützen, was man kenne, meint Eber. Im Oldenburger Artenschutzkonzept, das im Landschaftsrahmenplan von 1994 dargelegt ist, seien überhaupt nur 98 der insgesamt 136 gefährdeten Arten als bekannt erwähnt. Ausrottung durch unsachgemäße Biotoppflegemaßnahmen drohe daher zu einer der wichtigsten Ursachen für den Verlust von Pflanzenarten zu werden. Da bei den Naturschützern am ehesten Kenntnisse auf dem Gebiet der Vogelwelt vorhanden seien, sei die Folge ein "ornithozentrischer Pseudonaturschutz".

Ein grundsätzliches Problem des Naturschutzes werde immer deutlicher, resümiert Eber in seiner Studie. Die Schutzobjekte seien alles andere als ungestörte Natur. Sich selbst überlassen, würden Entwicklungen ablaufen, die das Schutzobjekt in unerwünschter Richtung veränderten. Viele Biotoptypen wie artenreiches Grünland und Äcker mit einer Vielfalt von Wildkräutern sowie landschaftsprägende Naturelemente wie Wallhecken seien durch eine extensive Nutzung der Landschaft entstanden. In dem Maße, in dem diese Nutzungen zurückgingen, würden diese Lebensräume zu Pflegefällen für den Naturschutz.

Spritzenabgabe an Strafgefangene

Drogenabhängige: Modellversuch wird wissenschaftlich begleitet

Seit Anfang 1996 läuft das auf zwei Jahre angelegte Modellprojekt "Infektionsprophylaxe im Niedersächsischen Strafvollzug", das von einer ForscherInnengruppe am Fachbereich 3 Sozialwissenschaften wissenschaftlich begleitet wird. Die Leitung des Begleitprojekts liegt bei Prof. Dr. Rüdiger Meyenberg. Das niedersächsische Modellprojekt ist das erste dieser Art in Deutschland.

Vorausgegangen war die Arbeit einer Expertenkommission, die von der niedersächsischen Justizministerin Heidrun Alm-Merk eingesetzt worden war. Grund war die hohe Verbreitung von Infektionskrankheiten (wie HIV und Hepatitis) unter drogenabhängigen Gefangenen im Strafvollzug. Die Kommission hatte die Ausgabe von sterilen Spritzbestecken an drogenabhängige Gefangene sowie ergänzende Präventionsmaßnahmen mit dem Ziel empfohlen, eine Veränderung des riskanten Verhaltens der Gefangenen und eine allgemeine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes zu erreichen. Die Empfehlungen der Expertenkommission waren Grundlage für einen Kabinettsbeschluß der Landesregierung, in einer JVA für Frauen (Vechta) und einer JVA für Männer (Groß-Hesepe) modellhaft für einen Zeitraum von zwei Jahren eine Spritzenabgabe an drogenabhängige Gefangene durchzuführen.

Während die Konzepte der Umsetzung den einzelnen Anstalten von den Bediensteten erarbeitet werden, hat die wissenschaftliche Begleitung vor allem die Aufgabe, unabhängig von den unterschiedlichen Beteiligten den Nutzen und die Effektivität der Maßnahme zu beurteilen. Sie wendet sich an die drei Statusgruppen des Vollzuges, Gefangene, Bedienstete, Leitung. Die Untersuchung zielt darauf ab, die verschiedenen Dimensionen von Verhalten, Wissen, Einstellungen/Positionen und Einschätzungen zu systematisieren und zu analysieren.

Insbesondere sollen Aussagen darüber getroffen werden, ob

  • die Maßnahme machbar ist,

  • sie Akzeptanz unter den verschiedenen Statusgruppen erfährt,

  • sie effizient ist in Hinblick auf das Drogenverhalten der Betroffenen,

  • sie Einstellungsänderungen gegenüber Risikoverhalten bewirkt und zu einer Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Gefangenen beiträgt.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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