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Mit ferngesteuertem U-Boot Umweltgiften auf der Spur

Oldenburger Physiker entwickeln Lasersystem zur Schadstoffaufklärung

Im Dezember 1993 verlor das Containerschiff "Sherbro" bei schwerer See im Ärmelkanal 88 Container, von denen fünf giftige Pflanzenschutzmittel enthielten. Insgesamt wurden bei der Havarie mehr als zwölf Tonnen giftige Chemikalien freigesetzt und zwischen der französischen Küste und der Deutschen Bucht angeschwemmt. Die erheblichen Kosten für die Suche und Beseitigung der Chemikalien hätten vermieden werden können, wenn Techniken für eine schnelle und gezielte Lokalisierung der beschädigten Container verfügbar gewesen wären. Diese Auffassung vertreten die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Angewandte Optik am Fachbereich Physik der Universität Oldenburg, wo derzeit unter der Leitung von Dr. Rainer Reuter an der Entwicklung eines optischen Sensors gearbeitet wird, der abgesunkene Chemikalien auch in trüben Gewässern zielsicher aufspüren und analysieren soll.

Der Sensor soll mit einem ferngesteuerten Tauchfahrzeug direkt in das Gefahrengebiet eingelassen werden. Mit Hilfe von Videoaufzeichnungen sollen die Chemikalien schon an Bord von Schadstoffunfallbekämpfungsschiffen zu identifizieren sein, so daß notwendige Bergungs- und Sicherheitsmaßnahmen sofort eingeleitet werden können. Weitere Einsatzgebiete des optischen Sensors können Anwendungen in der biologischen Ozeanographie, die Inspektion von Pipelines, die Überwachung von Wracks und das Aufspüren versenkter Kampfstoffe sein.

Für die Identifizierung von ausgetretenen Schadstoffen nutzen die Wissenschaftler die Eigenschaft von Chemikalien, bei Bestrahlung z.B. mit Licht selbst zu leuchten. Diese Eigenschaft wird als Fluoreszenz bezeichnet. Viele Chemikalien besitzten ein für sie typisches Farbspektrum der Fluoreszenz. Gleich einem "Fingerabdruck" sind die verschiedenen Chemikalien auf diese Weise zu identifizieren.

Im Wasser ausgetretene Chemikalien sind aufgrund ihrer optischen und physikalischen Eigenschaften auf Videobildern häufig nur schwer zu erkennen. Der von den Oldenburger Physikern geplante optische Sensor besteht daher aus einer Videokamera mit sehr kurzer Belichtungszeit und einem sogenannten Fluoreszenzlidar, einem optischen Radar das die Chemikalien zum Leuchten anregt. Die Farbe der Fluoreszenz von bestrahlten Chemikalien unterscheidet sich dabei deutlich von der des Wassers und des Meeresbodens. Mit dieser Methode können Chemikalien aufgespürt und anhand ihres charakteristischen Spektrums der Fluoreszenz klassifiziert werden.

Als Lichtquelle für das Videosystem wird der aufgeweitete grüne Puls eines Lasers verwandt. Der Laserpuls besitzt eine Dauer von vier Milliardstelsekunden, was einer Länge im Wasser von 80 Zentimetern entspricht. Die Belichtungszeit der Videokamera beträgt fünf Milliardstelsekunden. Durch die Synchronisation beider Zeiten ist es möglich, bei Videoaufnahmen unter Wasser selektiv das vom Meeresboden zurückgestreute Licht zu betrachten, ohne daß störende Streulicht aus dem Wasser das Bild verschleiert. Hierdurch findet einer Kontrasterhöhung der Aufnahme statt. Die Sichtweite konventioneller Videosysteme wird dadruch um das drei- bis vierfache übertroffen.

Wegen der unterschiedlichen Eigenschaften von Chemikalien wie auch des Wassers in den verschiedenen Meeresgebieten ist das Unterwasserlidar nicht in allen Fällen einsetzbar. Daher werden an anderen Universitäten und Instituten Sensoren entwickelt, die sich andere physikalische und chemische Prinzipien zu Nutze machen. Sie werden wie das Unterwasserlidar als modulare Komponente in das unbemannte Tauchfahrzeug integriert werden. Die Entwicklungsarbeiten zum Unterwasserlidar werden voraussichtlich 1999 abgeschlossen sein.

Neben dem Unterwasserlidar wird in einem weiteren Teilprojekt ein akustisches Verfahren zur Auffindung gesunkener Schadstoffe von der Arbeitsgruppe Akustik unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Mellert an der Universität Oldenburg entwickelt. Die insgesamt sechs Teilprojekte des Verbundvorhabens "Chemikaliennachweis im Meer" werden vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie finanziert und von der Universität Oldenburg koordiniert. Seit Ende 1993 wird ein an der Universität Oldenburg entwickelter Laserfluoreszenzsensor zur Luftüberwachung bei Ölverschmutzungen in Nord- und Ostsee an Bord des Überwachungsflugzeuges des Bundesverkehrsministeriums verwendet.

Fatale Kombinationswirkungen erfordern neue Untersuchungsverfahren

Umweltgifte können in Kombination größere toxische Wirkungen entfalten

Umweltgifte können in der Kombination mit anderen Stoffen größere toxische Wirkungen entfalten. Das hat die Arbeitgruppe der Biochemikerin Dr. Irene Witte am Fachbereich Biologie der Universität Oldenburg nachgewiesen. Aufgrund der neuen Erkenntnisse fordert Witte die grundlegende Einbeziehung von Kombinationswirkungen in die toxikologische Bewertung von Schadstoffen.

Wittes Arbeitsgruppe fand erstmals quantitativ heraus, in welchem Ausmaß sich verschiedene Schadstoffe - abhängig von ihrer Konzentration - in ihrer toxischen Wirkung im menschlichen Körper verstärken können. Sie zeigten, daß ungiftige Konzentrationen von Einzelstoffen im Gemisch giftig wirken und zwar umso giftiger, je mehr (ungiftige) Einzelstoffe das Gemisch enthält. Dies gilt für alle Chemikalien.

Witte erklärte in diesem Zusammenhang, angesichts der derzeitigen Risikoeinschätzung, bei der Kombinationswirkungen keine Rolle spielten, könnten viele von Umweltgiften verursachte Krankheiten nicht erklärt werden. Viele Erkrankte würden von ihren Ärzten und der Gesellschaft nicht ernst genommen, weil behauptet werde, daß die Belastung durch Umweltgifte zu gering sei, um krankmachende Wirkungen auszuüben. "Alle Grenzwerte sind nur auf der Grundlage einer toxikologischen Einzelstoffbeurteilung festgesetzt worden. Nicht berücksichtigt wurden die unendliche Vielfalt möglicher Wechselwirkungen der verschiedenen Schadstoffe und ihrer Abbauprodukte im menschlichen Körper", erklärte dazu die Oldenburger Biochemikerin.

Die neuen Untersuchungsergebnisse könnten folgenschwere Konsequenzen haben. Es gäbe schon heute Hinweise, daß eine bestimmte Form der frühkindlichen Leberzirrhose, die in Deutschland bereits 13 Todesopfer gefordert habe, nicht auf die Schadwirkungen eines einzelnen Stoffes zurückzuführen sei, sondern auf synergistische Kombinationswirkungen zwischen Kupfer- und bestimmten Umweltchemikalien, betonte Witte. Für künftige Untersuchungsverfahren fordert sie konkret:

  • Neue Kombinationspräparate (z. B. von Pestiziden) müssen umfangreicher getestet werden. Die Zulassung von Pestizidmischpräparaten darf nicht mehr nur auf Grund der Einzelwirkungen der enthaltenen Stoffe erfolgen. Es müssen neben der akuten Giftwirkung auch mutagene und krebserzeugende Wirkungen des Gemischs untersucht werden.

  • Kombinationswirkungen müssen bei der Ermittlung von Schadstoffgrenzwerten in Zukunft eine Rolle spielen, da alle bisher üblichen Verfahren den realen Bedingungen nicht gerecht werden, so daß es zwangsläufig zu Unterschätzungen von Zusammenhängen zwischen Umweltgiften und Erkrankungen kam.

  • Der EG-Grenzwert für die Summe der enthaltenen Pestizide im Trinkwasser von 0,5 µg/l darf nicht - wie geplant - aufgehoben werden.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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