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Das aktuelle Interview

"Sie kommen von ganz allein"

Interview mit Prof. Dr. Michael Sukale über die Etablierung der Philosophie an der Universität

Seit einem Jahr können StudentInnen im Hauptfach Philosophie an der Universität Oldenburg studieren, 60 StudentInnen haben sich bereits dafür immatrikuliert. In diesem Jahr wurde das Institut für Philosophie gegründet. Neben etatisierten zweieinhalb Professorenstellen und einer Mittelbaustelle gehören dem Institut auch WissenschaftlerInnen aus anderen Fachbereich an, so daß es über neun Mitglieder verfügt. Ein Interview mit dem ersten Leiter des Instituts, Prof. Dr. Michael Sukale, der 1992 an die Universität Oldenburg berufen wurde.

Uni-Info: Herr Sukale, viele Jahre lang ist die Philosophie in der Universität Oldenburg stiefmütterlich behandelt worden. Mit Ihrer Berufung und den von Rudolf zur Lippe initiierten Jaspers Vorlesungen zu Fragen der Zeit ist sie mehr ins Blickfeld gerückt. Wie steht sie ein Jahr nach Gründung des Instituts für Philosophie da?

Sukale: Ich denke, daß die stiefmütterliche Behandlung nicht intentional war. Seit langem ist die Philosophie vorangetrieben worden. Es hat einfach nur immer nicht geklappt. Durch meine Berufung, sicher, und durch andere Umstände ist der Studiengang möglich geworden und wir konnten ein Institut gründen. Dadurch steht die Philosophie jetzt innerhalb der Universität sehr gut da, obwohl sie die Norm des Wissenschaftsrats noch nicht erreicht hat.

Uni-Info: Hat Oldenburg im Vergleich mit anderen Universitäten kein konkurrenzfähiges Fachangebot?

Sukale: Der Wissenschaftsrat schreibt eigentlich drei Professuren und drei Mittelbaustellen vor. Wir haben nur zweieinhalb Professuren und nur eine Mittelbaustelle etabliert. Aber aus anderen Fachbereichen haben sich nun Stellen an das Institut dranlegen lassen, so daß wir doch eine relative Breite haben und mit neun ordentlichen Mitgliedern des Institutes auch bundesweit tatsächlich konkurrenzfähig sind. Was das Angebot vor allem in der Lehre anbetrifft, so kann man sogar sagen, daß wir nicht nur im Bundesdurchschnitt sind, sondern diesen sogar übertreffen, weil sich sehr viele philosophische Institute in der Bundesrepublik nur um rein philosophische Themen gruppieren, während wir in sehr ausgefächerter Form auch die Aspekte anderer Studienfächer betreuen, uns auch mit Literatur, mit Naturwissenschaften und den Sozialwissenschaften auseinandersetzen. Das Angebot ist gut. Es ist viel, was wir anbieten.

Uni-Info: Welche Rolle wird die Philosophie in Zukunft an der Universität spielen?

Sukale: Ich denke, daß die Philosophie eine Vermittler- und eine Integrationsrolle übernehmen kann. Ich habe gemerkt, daß aus vielen Fachbereichen Projekte und Forschungen laufen, die mit philosophischen Fragen umgehen oder aber philosophische Fragen mit einbeziehen. Das Institut und die Institutsmitglieder haben daher einen Ring von assoziierten Mitgliedern geschaffen, der auch noch erweitert werden soll. Das sind Kollegen aus anderen Fachbereichen, die sich für Philosophie interessieren, teils auch Philosophie unterrichten, etwa französische Philosophie oder Naturphilosophische Seminare geben.

Uni-Info: Hat die interdisziplinäre Orientierung auch damit zu tun, daß fast alle Mitglieder des Instituts für Philosophie auch ein andere Abschlüsse vorweisen können als den Magister oder die Dissertation in Philosophie?

Sukale: Ganz gewiß hat das einen großen Einfluß gehabt. Karl Jaspers hat immer betont, daß man als Philosoph mindestens noch ein anderes Fachgebiet kennen sollte. Er selber war Arzt und Psychologe und wurde dann erst Philosoph. Ich denke, daß es ein großer Vorteil ist, daß sich unser Institut aus Mitgliedern zusammensetzt, die aus verschiedenen Fächern kommen. Ich selbst habe Soziologie studiert und erst meine Dissertation und meine Habilitationsschrift philosophischen Themen gewidmet..

Uni-Info: Müßte die Philosophie in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs nicht eine besonders wichtige Rolle spielen?

Sukale: Ich denke, ja! Man spricht sehr viel vom Wertewandel in der Gesellschaft. Ein Wertewandel, der so hoch angesetzt ist, daß er durch eine einzelne Fachwissenschaft weder bemessen noch bewältigt werden kann. Die Philosophie hat immer schon in allgemeinster Weise die Werte der Gesellschaft und der Kultur untersucht, kritisch geprüft und neu erfunden. Ich denke, daß eine philosophische Besinnung in dieser Zeit nötig ist und hilfreich sein kann, wenn sie nicht zu eng in einer historischen oder systematischen Philosophie endet.

Uni-Info: Würden Sie Ihrem Kind heute ein Studium der Philosophie empfehlen?

Sukale: Meinen eigenen wahrscheinlich nicht, weil Kinder immer gerade das nicht tun sollen, was Väter tun. Empfehlen brauche ich es auch gar nicht, denn sie kommen von alleine. Gerade bei Jugendlichen habe ich bemerkt, daß die philosophischen Fragestellungen und der Zulauf zur Philosophie enorm angewachsen sind. Seit wir den Studiengang haben, ist sogar die Logik, das Trockenste der trockenen Anfänge in der Philosophie, absolut überrannt. Das heißt: die Philosophie liegt in der Luft, und die Studenten und Jugendlichen wenden sich wieder an sie.

Uni-Info: Ist dieses Studium nicht mit beruflichen Zukunftsängsten verbunden?

Sukale: Wenn man rein Philosophie studiert, dann wird das immer zu Ängsten führen, weil man als reiner Philosoph eigentlich nur eine Universitätskarriere anstreben kann. Aber wenn man Philosophie zusammen mit anderen Fächern studiert, gibt es Perspektiven in den Medien, in der Politik oder auch in der Bildungs- und Kulturorganisation.

Uni-Info: Die Jaspers-Vorlesungen sollen im nächsten Jahr neu aufgenommen werden. Welchen Charakter werden sie haben und wie werden sie sich unterscheiden von den bisherigen?

Sukale: Zunächst ist es ein glücklicher Umstand, daß der Träger der Karl Jaspers-Vorlesungen I, Herr Kollege zur Lippe, nun auch wiederum im Beirat für die Jaspers II-Vorlesungen dabei sein wird, denn dadurch wird Kontinuität gewährleistet. Andererseits werden die Jaspers II Vorlesungen dadurch unterschieden werden von den ersten, daß das Hauptschwergewicht nunmehr auf der Philosophie liegen soll. Es sollen große bedeutende Philosophinnen oder Philosophen eingeladen werden. Außerdem aber ist geplant, Preise an jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu vergeben, die auch kommen sollen, um ihre eigene Philosophie oder ihre eigene Arbeit in einem Stadium vorzustellen, in dem diese Arbeiten noch im Werden begriffen sind, so daß wir an dem schöpferischen Prozeß teilnehmen können und dürfen. Das wird sowohl die Philosophie beleben, aber auch das gesamte universitäre Umfeld.

Uni-Info: Sie wollen dem Nachwuchs eine Chance geben?

Sukale: Sehr stark sogar. Wir wollen junge Philosophen hierher ziehen, um sie in Kompaktseminaren besser kennenzulernen und von ihnen zu lernen. Daß damit unsere eigene philosophische Szene belebt wird, ist selbstverständlich und erfreulich.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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