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Hochschulpolitik
- Grubitzsch zieht Bewerbung zurück
- Sieg für Grüne Unabhängige
- Bibliothek gestern und heute! ... und morgen?
Ja zur virtuellen Bibliothek / von Jürgen Metzger
Grubitzsch zieht Bewerbung zurück
Um der Universität einen schwierigen Entscheidungspro-zess zu ersparen,
hat Präsident Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch seine Kandidatur für
eine zweite Amtsperiode zurückgezogen und den Weg für den zweiten
aussichtsreichen Bewerber, Prof. Dr. Uwe Schneidewind, freigemacht.
Die
Bewerberkonstellation mit zwei Hausbewerbern habe die Universität
tief gespalten, sagte Grubitzsch. Er komme seiner Verpflichtung
gegenüber der Hochschule am besten nach, wenn er es zu keiner
Zerreißprobe kommen lasse und so ein möglicherweise langwieriger
Entscheidungsprozess vermieden werde. Er ermögliche mit der Rücknahme
seiner Kandidatur einen Generationswechsel in der Universität, der
auch auf anderen Ebenen stattfinde.
Die sich abzeichnende Senatsmehrheit für seinen Gegenkandidaten führte
der Präsident, der bis zum 30. September 2004 amtiert, auf die heftigen
Aus-einandersetzungen um die Kürzungsauflagen der Landesregierung
für den Hochschuletat zurück. Das habe bei einigen Hochschulangehörigen
Blessuren hinterlassen. Er sei allerdings überzeugt,
dass auch sein Nachfolger den begonnenen erfolgreichen Weg der Erneuerung
fortsetzen müsse.
Voraussichtlich
wird die Wahl des Präsidenten noch im Februar stattfinden. Neben
Grubitzsch und dem jetzigen Dekan der Fakultät II Informatik, Wirtschafts-
und Rechtswissenschaften, Prof. Dr. Uwe Schneidewind, war auch Dr. Rainer
Schiweck, Mitglied der Geschäftsführung einer Münchener
Unternehmensberatungsfirma, von der Findungskommission zur öffentlichen
Anhörung eingeladen worden.
Sieg für Grüne Unabhängige
Bei einer Wahlbeteiligung von 12,8 Prozent ist das Studierendenparlament
neu gewählt worden. Gewinner der Wahl sind die Listen Grüne
Unabhängige mit 13 Sitzen (2003: 7), Gruppe Links mit 9 Sitzen (2)
und LI mit 7 Sitzen (11). Dagegen mussten die Gewinner des vergangenen
Jahres Taubenschlag und Grülili herbe Verluste hinnehmen. Statt jeweils
9 belegen sie nur noch je 2 Sitze im neuen Parlament. Die weiteren Ergebnisse:
AStA für Alle (4), Fake (4), RCDS (3), LHG (2), Juso-HSG (1), Liste
4 (1), Corrupt (1), Liga (1).
Die beiden studentischen Sitze im Senat, die anders als bei den anderen
Statusgruppen jährlich durch Wahl vergeben werden, teilen sich Linke
Listen und Wir im Senat. Dabei gab es lediglich eine
Wahlbeteiligung von 6,9 Prozent.
Bibliothek gestern und heute! ... und morgen?
Ja zur virtuellen Bibliothek / von Jürgen Metzger*
Ich
gehöre zu denjenigen, die die Bibliothek intensiv nutzen. Gestern,
das heißt in den achtziger bis etwa Mitte der 90er Jahre saß
ich mindestens einmal pro Woche, meistens am Freitagnachmittag, in der
FBB 4 und arbeitete systematisch die neu eingetroffenen Chemiezeitschriften
durch. Wir hatten damals einen guten Bestand und die meisten Zeitschriften,
die ich für meine Forschung benötigte, waren vorhanden, und
in der Bibliothek am Uhlhornsweg standen die gebundenen Bände, meist
rückergänzt bis zum ersten Band. Über die gesamte, nicht
in Oldenburg vorhandene Zeitschriftenliteratur konnte ich mir durch das
Durcharbeiten von Chemical Abstracts und Current Contents
einen Überblick verschaffen. Das war teilweise recht zeitaufwändig.
Deshalb nahm ich diese Hefte häufig mit in eine der vielen Sitzungen
und arbeitete sie da durch, was mir, wie mir erst sehr viel später
gesagt wurde, von dem einen oder anderen übel genommen wurde.
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre veränderte sich diese
Bibliotheksarbeit erst unmerklich und dann immer schneller. Einerseits
wurden immer mehr Zeitschriften abbestellt, da sie immer teurer wurden,
der Etat aber nicht stieg, das heißt, die Bibliothek wurde immer
schlechter. Andererseits stand auch auf meinem Schreibtisch ein PC mit
Internetanschluss und immer mehr Zeitschriften konnte ich nun an meinem
Schreibtisch ganz bequem durcharbeiten. Ich hatte die Zeitschriften, die
in der Bibliothek in Papierform standen, mit einem Mausklick direkt zugänglich,
meistens sogar Wochen früher, nicht nur an der Uni, sondern auch
von zu Hause aus. Dazu kamen weitere Erleichterungen. Mit Chemical
Abstracts und Web of Science, die inzwischen online
abonniert wurden, ist es unendlich komfortabler am PC zu arbeiten als
mit den Bergen von Papier, die ich früher bewegen musste. Das alles
hat natürlich Konsequenzen: ich gehe kaum noch in die Bibliothek
Diese ja nicht nur für mich geltende Realität führt zu
einer wichtigen Frage. Warum werden von unserer Universitätsbibliothek
nicht alle naturwissenschaftlichen Zeitschriften in elektronischer Form
zur Verfügung gestellt, obwohl das möglich wäre? Ich brauche
für meine wissenschaftliche Arbeit den elektronischen Zugang zu allen
wichtigen chemischen Zeitschriften, zu allen, nicht nur den wenigen, die
wir gegenwärtig noch in unserer Bibliothek haben. Das viele Papier,
das in der Bibliothek noch gesammelt wird, brauche ich nicht. Ich bin
überzeugt, dass das auch für meine KollegInnen in den Naturwissenschaften
gilt. Wir brauchen den online Zugang zu allen Zeitschriften der Welt,
soweit sie für die Oldenburger Forschung wichtig sind. Das wäre
auch bei den Berufungen neuer KollegInnen ein gewaltiger Vorteil.
Han Wätjen, unser Bibliotheksdirektor, schlägt aber vor, die
Möglichkeit zu nutzen, einen Artikel, den Lehrende oder Lernende
haben möchten, aus dem Internet herunterzuladen und dafür zu
bezahlen (Pay per view) - zu Lasten des Beschaffungsetats
für Zeitschriften. Das aber ist meines Erachtens keine sinnvolle
und praktikable Lösung. Das bringt nur viel Verwaltungsaufwand. Sinnvoller
und praktikabler wäre es, nur noch Verträge über einen
Campuszugang für naturwissenschaftliche Zeitschriften abzuschließen.
Ich bin sicher, dass uns gegenwärtig unsere ohnehin stark dezimierten
Zeitschriften - alle Kosten eingerechnet - sehr viel mehr kosten als uns
der elektronische Zugang zu allen naturwissenschaftlichen Zeitschriften
der Welt kosten würde und künftig kosten wird.
Warum kann ich das so sicher sagen? Ein ausschließlicher Internetzugang
zur wissenschaftlichen Literatur, der sich ganz allmählich in den
nächsten Jahren durchsetzen wird, hat gewaltige Konsequenzen - nicht
nur für das Nutzerverhalten, sondern auch und gerade für die
Bibliothek. Die virtuelle Bibliothek wird etwas völlig anderes als
das heutige BIS sein. Darüber müssen wir uns klar werden und
die richtigen Konsequenzen ziehen. Sonst wird es heißen: Wer
zu spät kommt, den bestraft das Leben! Das gilt auch hier.
Die Diskussion um den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur findet weltweit
statt. Es gibt eine starke Bewegung, die den freien Zugang zu wissenschaftlicher
Literatur über das Internet fordert, und damit zunehmend erfolgreich
ist. So wurde diese Forderung kürzlich explizit von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Max Planck Gesellschaft unterstützt.
Die englische Royal Chemical Society gibt nach zwei Jahren, in denen der
Internetzugang bezahlt werden muss, freien Zugang zu den von ihr herausgegebenen
wissenschaftlichen Zeitschriften. Andere wissenschaftliche Gesellschaften
werden folgen und dadurch auch die kommerziellen Verlage zur Änderung
ihrer Geschäftspolitik zwingen. Dazu kommt, dass immer mehr WissenschaftlerInnen
ihre Publikationen frei im Internet zur Verfügung stellen.
Das gleiche gilt mit geringer zeitlicher Verzögerung auch für
die wissenschaftlichen Monographien. Und sicherlich werden auch die Sozial-
und Geisteswissenschaften nachziehen. Der Zeitraum ist überschaubar,
vielleicht fünf, maximal zehn Jahre. Das geschieht unabhängig
vom Willen derjenigen von uns, die lieber weiter in Papier blättern.
Die Nutzer der Bibliothek und das Nutzerverhalten haben sich also in den
letzten Jahren dramatisch verändert und darauf muss sich die Bibliothek
einstellen - mit tiefgreifenden Veränderungen. Wir haben nur noch
wenig Zeit, die Diskussion zu führen und die notwendigen Konsequenzen
für morgen zu ziehen. Das Projekt Integriertes Informationsmanagement
(siehe oben rechts), das jetzt an der Universität aufgebaut werden
soll, könnte dazu möglicherweise genutzt werden. Leider ist
es aber bisher so nicht angelegt, ganz im Gegenteil. Hier könnte
Oldenburg wirklich Spitze werden, im Interesse von Forschung und Lehre.
* Prof. Dr. Jürgen Metzger ist Mitglied des Instituts für
Reine und Angewandte Chemie