Hochschulzeitung UNI-INFO

Uni-Info Kopf

Hochschulpolitik

Zukunft schon jetzt mit Bachelorstudium

Mit Studienreform an der Spitze Niedersachsens

"Zukunft schon jetzt“ heißt das Motto, unter dem an der Universität Oldenburg zum Wintersemester 2004/05 die neuen Abschlüsse Bachelor (BA) und Master (MA) für alle Lehramts- und Magisterstudiengänge sowie einen Teil der Diplomstudiengänge eingeführt werden. Damit stellt die Universität als erste niedersächsische Hochschule ihr Studienangebot nahezu komplett um und garantiert schon in diesem Jahr internationale Standards, die bis 2010 an allen Hochschulen der EU eingeführt werden müssen. So haben es die Wissenschaftsminister in den Bologna-Beschlüssen verbindlich festgelegt.

Sowohl Präsident Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch als auch die für Studium und Lehre zuständige Vizepräsidentin Dr. Marion Rieken (Foto) wiesen auf die historische Dimension dieses Ereignisses hin. Grubitzsch sprach von der „größten Hochschulreform seit Humboldt“, Rieken von der „tiefgreifendsten Studienreform, die je den deutschen Hochschulen abverlangt wurde“. Sie sei in Oldenburg in kürzester Zeit realisiert worden, obwohl es bei nicht wenigen HochschullehrerInnen berechtigte Bedenken gegeben habe, sagte Rieken. Die Universität aber sei den Weg der Reform konsequent gegangen, weil sie den Gestaltungsspielraum nutzen wolle, den es in dieser Phase noch gebe. Im zunehmend auch internationalen Wettbewerb werde das der Universität eine gute Position sichern.

Eine besondere Bestätigung für den eingeschlagenen Weg erfuhr die Universität Oldenburg durch den Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die Mercator-Stiftung. Sie gehört zu den acht Universitäten, die für ihre neue praxisorientierte und fachdidaktische Konzeption der Lehramtsausbildung im Rahmen der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge in dem Programm „Neue Wege in der Lehrerbildung“ gefördert werden. 44 Hochschulen hatten sich um die Förderung beworben.

Das Bachelorstudium führt nach einer Regelstudienzeit von drei Jahren zu einem berufsqualifizierenden Abschluss. Danach entscheiden die AbsolventInnen, ob sie in den Beruf gehen oder einen Masterabschluss anstreben wollen. Auf jeden Bachelorstudiengang baut zumindest ein Masterstudiengang auf. In den neuen Studiengängen spielt die Berufsorientierung eine zentrale Rolle. Neben fachwissenschaftlichen und interdisziplinären Kompetenzen werden auch übergreifende Qualifikationen wie Kommunikations- und Organisationsfähigkeit, Vermittlungstechniken und Fremdsprachen vermittelt. Die Prüfungsordnung für den Bachelor wurde vom Senat in einer Sondersitzung am 5. Mai 2004 verabschiedet.

Die internationale Vergleichbarkeit und Angleichung der Studienstruktur - nicht nur in Europa - werde künftig auch das Auslandsstudium erleichtern, weil die erbrachten Leistungen problemlos angerechnet werden könnten, betonte Rieken. Zudem eröffne das Oldenburger Bachelorstudium die Chance, sich ein Jahr zu orientieren, um dann erst die endgültige Entscheidung über das Studienziel zu treffen.

Die flächendeckende Einführung der neuen Studiengänge bietet auch im Lehramtsbereich große Vorteile. So können Studierende, die erkennen, dass der Lehrerberuf für sie doch nicht in Frage kommt, mit einem Bachelor-abschluss leichter in andere Berufsfelder einsteigen. Die, die bei ihrer Entscheidung bleiben Lehrer zu werden, müssen eine besondere Eignung für das anschließende Masterstudium nachweisen.

Sicher sei zudem, dass sich künftig die Studiendauer durch den klaren modularen Aufbau des Studiums verkürzen werde, betonte Rieken. Allerdings werde sich die Universität verstärkt Gedanken darüber machen, wie man Teilzeitstudierenden, denen ein Vollzeitstudium durch berufliche Tätigkeit oder familiäre Aufgaben nicht möglich sei, größere Spielräume ermöglichen könne.

Präsident Grubitzsch kündigte an, er werde die kommenden Wochen dafür nutzen, bei den Unternehmen der Region für die Akzeptanz der neuen Abschlüsse zu werben.

Identitätsmanagement

Pilotprojekt für Hochschul-Geschäftsprozesse

Das Oldenburger Informatik-Institut OFFIS und die Firma Siemens, München/Bremen, haben ein Pilotprojekt gestartet, mit dem ein so genanntes Identitätsmanagement am Beispiel der Universität Oldenburg eingerichtet und getestet wird. Unter Identitätsmanagement versteht man die Festlegung und computergestützte Verwaltung und Prüfung von Rollen, in denen Menschen - an einer Universität sind dies vor allem Studierende, Lehrende und Verwaltungspersonal - bestimmte Informationen und Dienstleistungen nutzen dürfen. Der Test konzentriert sich auf Geschäftsprozesse im Bereich Studium, Lehre und Prüfungswesen und kann bei Erfolg auf weitere Servicebereiche an der Universität und auch auf andere Hochschulen übertragen werden.

OFFIS wird in Zusammenarbeit mit Siemens und mit Unterstützung der Universität in der Pilotphase bis März 2005 eine Lösung für die Informatik-Studiengänge entwickeln, die unter anderem die Prüfungsabwicklung für Lehrende und Studierende erheblich vereinfacht.

Dieser Baustein passt in die von Präsidium und Senat der Universität beschlossene Realisierung eines integrierten Informationsmanagements für die gesamte Universität. Dazu werden zunächst die Bereiche Bibliotheks- und Informationssystem, Hochschulrechenzentrum und Verwaltungs-EDV organisatorisch integriert.

Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur unterstützt das Pilotprojekt im Rahmen seiner Aktivitäten zur Verbesserung der Informationsinfrastrukturen an niedersächsischen Hochschulen. Diese Effizienzsteigerung sei notwendig, um die Herausforderungen flächendeckender Bachelor-/ Masterstudiengänge mit vielen, deutlich zunehmenden studienbegleitenden Prüfungen in Zukunft meistern zu können.

Wiederbesetzen möglich

Nur "engere Verwaltung" ist ausgenommen

In einem Schreiben an den Präsidenten der Universität hat Wissenschaftsminister Lutz Stratmann darauf hingewiesen, dass der Bereich des wissenschaftlichen und des wissenschaftsnahen Personals (Rechenzentrum, Bibliothek u.a.) vom Stellenstopp ausgenommen ist und nur der Kernbereich der allgemeinen Hochschulverwaltung davon betroffen ist.

Hier gilt die Regel, dass freiwerdende Stellen im Hochschulbereich nur mit Personal aus der landesinternen Job-Börse besetzt werden dürfen. Hintergrund: durch die Auflösung der Bezirksregierungen in Niedersachsen fallen viele Arbeitsplätze weg.

Ob die Universitäten mit erneuten Einsparauflagen bedacht werden, wird voraussichtlich in der Klausurtagung des Kabinetts im Juni entschieden. Sollte das Kabinett angesichts der schwierigen Finanzlage des Landes Einschnitte in den Wissenschaftsetat für notwendig halten, wird erwogen, nicht nach dem Gießkannenprinzip die Lasten zu verteilen, sondern Standorte zu schließen, wie Stratmann erklärte.

Ja zur virtuellen Bibliothek, aber damit ist es nicht getan

Hans-Joachim Wätjen anwortet Jürgen Metzger

"Die Bibliothek wurde immer schlechter. ... ich gehe kaum noch in die Bibliothek.“ Wie kommt Jürgen Metzger in der Februarausgabe des Uni-Infos zu diesen Aussagen? Als Chemiker litt er unter den notwendigen Zeitschriftenabbestellungen. Heute nutzt er die Datenbanken und Zeitschriften für seine Forschung nur noch online. Metzger prognostiziert, dass schon in wenigen Jahren alle Publikationen online verfügbar sein werden und fordert einen „tiefgreifenden Umbau der Bibliothek“ zu einer virtuellen mit den notwendigen Konsequenzen. Er behauptet, dass der Online-Zugriff auf alle relevanten Informationen durch diesen Umbau auch finanzierbar wäre. Diese auf den ersten Blick verführerische Argumentation bedarf jedoch einer realistischen Analyse, die nicht nur die Bedürfnisse eines forschenden Chemikers, sondern auch die von WissenschaftlerInnen und Studierenden aller Fachdisziplinen zu berücksichtigen hat.

Beginnen wir mit der so genannten Zeitschriftenkrise in den Naturwissenschaften, die viele, so auch Metzger, zu einer Bibliothekskrise uminterpretieren. Die Konzentration auf einige wenige marktbeherrschende Verlage ermöglichte diesen unangemessen hohe Preissteigerungen mit der Folge, dass zum Beispiel in Oldenburg von den 3.500 Titeln der 90er Jahre nur noch 2.400 übrig geblieben sind - trotz der Erhöhung der Ausgaben für Zeitschriften um 35 Prozent. Durch diese Mehrausgaben, finanziert aus Mitteln für Monografien, waren die Leidtragenden aber nicht nur die Naturwissenschaften, sondern auch die Geisteswissenschaften, vor allem aber die Studierenden aller Fächer.
Die Lösung der Zeitschriftenkrise sieht Metzger in der virtuellen Bibliothek: „Das viele Papier, das in der Bibliothek noch gesammelt wird, brauche ich nicht. ... Wir brauchen den Online-Zugang zu allen Zeitschriften der Welt ...“ Das Informationsparadies für die Wissenschaft und weniger Arbeit für die Bibliotheken wünsche ich mir als Bibliothekar auch. Doch die Realität ist von der Vision einer virtuellen Bibliothek noch himmelweit entfernt. Der Weg dahin birgt eine Reihe von Problemen. Eines davon ist die Langzeitverfügbarkeit, auf die vielleicht nicht die Chemiker, aber die Mathematiker, Germanisten und viele andere Fächer angewiesen sind. Dazu kommen offene Fragen für alle Akteure - für die Autoren, die Verlage und schließlich die Bibliotheken.

Viele Autoren unterschreiben noch Exklusivverträge mit Verlagen und schließen damit die parallele Bereitstellung in offenen Archiven der Hochschulen aus. Der offene Zugang zu den mit staatlichen Mitteln geförderten Forschungsergebnissen wird so verhindert. Auch bei der Auswahl der Zeitschriften können WissenschaftlerInnen der Preisspirale der großen Verlagskonzerne entgegen wirken. Statt zum Beispiel in Tetrahedron (bei Elsevier mit einem Jahresabonnementpreis von 13.523 €) zu veröffentlichen, böte sich die qualitativ gleichwertige Zeitschrift Organic Letters (bei der Am. Chem. Soc. für 3.250 $ pro Jahr) an.
Grundsätzlich aber bieten längst nicht alle Verlage den Umstieg auf die Online-Version ihrer Zeitschriften an, und wenn, dann ist sie in der Regel nicht billiger, sondern teurer. Viele Verlage verknüpfen zudem den Online-Zugriff immer noch mit dem Print-Abonnement. Insofern ist Metzgers Prognose, alles in allen Fächern schon bald online bekommen zu können, blauäugig und trifft nicht einmal für die Chemie zu.

Die Bibliotheken werden es auf unabsehbare Zeit weiterhin mit gedruckten Medien zu tun haben. Sie müssen dabei die Informationsversorgung so effizient wie möglich organisieren, also je nach Wirtschaftlichkeit über ein Abonnement oder die Online-Lizenz, aber auch über die Fernleihe und den Kauf eines einzelnen Artikels („pay per view“). Zur Lösung der Zeitschriftenkrise propagieren die Bibliotheken den offenen Zugang zu den Publikationen auf vernetzten Dokumentenservern.

Gleichzeitig versuchen die Bibliotheken, in Konsortialverhandlungen ihre Nachfragemacht zu bündeln und den Online-Zugriff auf möglichst viele Zeitschriften zu erreichen. Unsere Universität erhielt auf diesem Weg mit Unterstützung des Wissenschaftsministeriums den Zugriff auf bisher über 1.700 zusätzliche Zeitschriften. Und dieses Angebot wollen wir mit weiteren wichtigen Verlage ausbauen.

Aber zu glauben, dass dabei riesige Summen eingespart werden könnten, ist ein Irrtum. Denn angenommen, alle Zeitschriften wären nur noch als Online-Version abonniert, ergäbe sich eine Einsparung von nur zwei Stellen. Mit den Kosten für das Binden, die Regale und die Verwaltung der Bestände summiert sich die Einsparung auf maximal 200.000 €, mit denen gerade einmal 100 neue naturwissenschaftliche Zeitschriften lizenziert werden könnten.

Viel grundsätzlicher aber ist: Metzger verkennt die Funktion der Bibliothek. Sie ist mehr denn je für die Studierenden und viele WissenschaftlerInnen - besonders aus den Geisteswissenschaften - der Arbeitsplatz, der Ort des Studierens und Forschens. Sie ist mitnichten ein Auslaufmodell! Die tatsächliche Nutzung belegt dies: die Besucherzahl war mit 450.000 in 2003 noch nie so hoch, und auch die Zahl der Ausleihen steigt (260.000 in 2003).
Natürlich finden angesichts der neuen Möglichkeiten der Informationsversorgung längst tiefgreifende Veränderungen in der Bibliothek statt - personell, technisch und organisatorisch. Dazu gehören auch der Abbau und die Verlagerung von Personal bei gleichzeitiger Verbesserung des Service (Erweiterung der Öffnungs- und Auskunftszeiten, Unterstützung bei Informationsrecherchen und Schulungen). Auch technisch rüstet sich die Bibliothek für die zunehmende digitale Nutzung von Information u.a. durch ein flächendeckendes Funknetz und zusätzliche Internet-Arbeitsplätze. Durch das jetzt genehmigte DFG-Projekt „i³-sic!“ wird es weitere grundlegende Veränderungen geben. Entsprechend ausländischen Vorbildern wird die Bibliothek mit dem Rechenzentrum und der Verwaltungsdatenverarbeitung zu einer neuen Einrichtung zusammengefasst, um nutzerorientiert die Dienstleistungen zu verbessern und Synergieeffekte zu erreichen. Die erzielbaren Einsparungen sollten, wie auch Metzger fordert, vor allem für die Verbesserung der digitalen Informationsversorgung in Lehre, Studium und Forschung verwendet werden.
* Hans-Joachim Wätjen ist Direktor der Universitätsbibliothek.

Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page