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Hochschulpolitik
- Zukunft schon jetzt mit Bachelorstudium
Mit Studienreform an der Spitze Niedersachsens
- Identitätsmanagement
Pilotprojekt für Hochschul-Geschäftsprozesse - Wiederbesetzen möglich
Nur "engere Verwaltung" ist ausgenommen - Ja zur virtuellen Bibliothek, aber damit ist es nicht
getan
Hans-Joachim Wätjen anwortet Jürgen Metzger
Zukunft schon jetzt mit Bachelorstudium
Mit Studienreform an der Spitze Niedersachsens
"Zukunft
schon jetzt heißt das Motto, unter dem an der Universität
Oldenburg zum Wintersemester 2004/05 die neuen Abschlüsse Bachelor
(BA) und Master (MA) für alle Lehramts- und Magisterstudiengänge
sowie einen Teil der Diplomstudiengänge eingeführt werden. Damit
stellt die Universität als erste niedersächsische Hochschule
ihr Studienangebot nahezu komplett um und garantiert schon in diesem Jahr
internationale Standards, die bis 2010 an allen Hochschulen der EU eingeführt
werden müssen. So haben es die Wissenschaftsminister in den Bologna-Beschlüssen
verbindlich festgelegt.
Sowohl Präsident Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch als auch die für
Studium und Lehre zuständige Vizepräsidentin Dr. Marion Rieken
(Foto) wiesen auf die historische Dimension dieses Ereignisses hin. Grubitzsch
sprach von der größten Hochschulreform seit Humboldt,
Rieken von der tiefgreifendsten Studienreform, die je den deutschen
Hochschulen abverlangt wurde. Sie sei in Oldenburg in kürzester
Zeit realisiert worden, obwohl es bei nicht wenigen HochschullehrerInnen
berechtigte Bedenken gegeben habe, sagte Rieken. Die Universität
aber sei den Weg der Reform konsequent gegangen, weil sie den Gestaltungsspielraum
nutzen wolle, den es in dieser Phase noch gebe. Im zunehmend auch internationalen
Wettbewerb werde das der Universität eine gute Position sichern.
Eine besondere Bestätigung für den eingeschlagenen Weg erfuhr
die Universität Oldenburg durch den Stifterverband für die deutsche
Wissenschaft und die Mercator-Stiftung. Sie gehört zu den acht Universitäten,
die für ihre neue praxisorientierte und fachdidaktische Konzeption
der Lehramtsausbildung im Rahmen der Einführung der Bachelor- und
Masterstudiengänge in dem Programm Neue Wege in der Lehrerbildung
gefördert werden. 44 Hochschulen hatten sich um die Förderung
beworben.
Das Bachelorstudium führt nach einer Regelstudienzeit von drei Jahren
zu einem berufsqualifizierenden Abschluss. Danach entscheiden die AbsolventInnen,
ob sie in den Beruf gehen oder einen Masterabschluss anstreben wollen.
Auf jeden Bachelorstudiengang baut zumindest ein Masterstudiengang auf.
In den neuen Studiengängen spielt die Berufsorientierung eine zentrale
Rolle. Neben fachwissenschaftlichen und interdisziplinären Kompetenzen
werden auch übergreifende Qualifikationen wie Kommunikations- und
Organisationsfähigkeit, Vermittlungstechniken und Fremdsprachen vermittelt.
Die Prüfungsordnung für den Bachelor wurde vom Senat in einer
Sondersitzung am 5. Mai 2004 verabschiedet.
Die internationale Vergleichbarkeit und Angleichung der Studienstruktur
- nicht nur in Europa - werde künftig auch das Auslandsstudium erleichtern,
weil die erbrachten Leistungen problemlos angerechnet werden könnten,
betonte Rieken. Zudem eröffne das Oldenburger Bachelorstudium die
Chance, sich ein Jahr zu orientieren, um dann erst die endgültige
Entscheidung über das Studienziel zu treffen.
Die flächendeckende Einführung der neuen Studiengänge bietet
auch im Lehramtsbereich große Vorteile. So können Studierende,
die erkennen, dass der Lehrerberuf für sie doch nicht in Frage kommt,
mit einem Bachelor-abschluss leichter in andere Berufsfelder einsteigen.
Die, die bei ihrer Entscheidung bleiben Lehrer zu werden, müssen
eine besondere Eignung für das anschließende Masterstudium
nachweisen.
Sicher sei zudem, dass sich künftig die Studiendauer durch den klaren
modularen Aufbau des Studiums verkürzen werde, betonte Rieken. Allerdings
werde sich die Universität verstärkt Gedanken darüber machen,
wie man Teilzeitstudierenden, denen ein Vollzeitstudium durch berufliche
Tätigkeit oder familiäre Aufgaben nicht möglich sei, größere
Spielräume ermöglichen könne.
Präsident Grubitzsch kündigte an, er werde die kommenden Wochen
dafür nutzen, bei den Unternehmen der Region für die Akzeptanz
der neuen Abschlüsse zu werben.
Identitätsmanagement
Pilotprojekt für Hochschul-Geschäftsprozesse
Das Oldenburger Informatik-Institut OFFIS und die Firma Siemens, München/Bremen,
haben ein Pilotprojekt gestartet, mit dem ein so genanntes Identitätsmanagement
am Beispiel der Universität Oldenburg eingerichtet und getestet wird.
Unter Identitätsmanagement versteht man die Festlegung und computergestützte
Verwaltung und Prüfung von Rollen, in denen Menschen - an einer Universität
sind dies vor allem Studierende, Lehrende und Verwaltungspersonal - bestimmte
Informationen und Dienstleistungen nutzen dürfen. Der Test konzentriert
sich auf Geschäftsprozesse im Bereich Studium, Lehre und Prüfungswesen
und kann bei Erfolg auf weitere Servicebereiche an der Universität
und auch auf andere Hochschulen übertragen werden.
OFFIS wird in Zusammenarbeit mit Siemens und mit Unterstützung der
Universität in der Pilotphase bis März 2005 eine Lösung
für die Informatik-Studiengänge entwickeln, die unter anderem
die Prüfungsabwicklung für Lehrende und Studierende erheblich
vereinfacht.
Dieser Baustein passt in die von Präsidium und Senat der Universität
beschlossene Realisierung eines integrierten Informationsmanagements für
die gesamte Universität. Dazu werden zunächst die Bereiche Bibliotheks-
und Informationssystem, Hochschulrechenzentrum und Verwaltungs-EDV organisatorisch
integriert.
Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur
unterstützt das Pilotprojekt im Rahmen seiner Aktivitäten zur
Verbesserung der Informationsinfrastrukturen an niedersächsischen
Hochschulen. Diese Effizienzsteigerung sei notwendig, um die Herausforderungen
flächendeckender Bachelor-/ Masterstudiengänge mit vielen, deutlich
zunehmenden studienbegleitenden Prüfungen in Zukunft meistern zu
können.
Wiederbesetzen möglich
Nur "engere Verwaltung" ist ausgenommen
In einem Schreiben an den Präsidenten der Universität hat Wissenschaftsminister
Lutz Stratmann darauf hingewiesen, dass der Bereich des wissenschaftlichen
und des wissenschaftsnahen Personals (Rechenzentrum, Bibliothek u.a.)
vom Stellenstopp ausgenommen ist und nur der Kernbereich der allgemeinen
Hochschulverwaltung davon betroffen ist.
Hier gilt die Regel, dass freiwerdende Stellen im Hochschulbereich nur
mit Personal aus der landesinternen Job-Börse besetzt werden dürfen.
Hintergrund: durch die Auflösung der Bezirksregierungen in Niedersachsen
fallen viele Arbeitsplätze weg.
Ob die Universitäten mit erneuten Einsparauflagen bedacht werden,
wird voraussichtlich in der Klausurtagung des Kabinetts im Juni entschieden.
Sollte das Kabinett angesichts der schwierigen Finanzlage des Landes Einschnitte
in den Wissenschaftsetat für notwendig halten, wird erwogen, nicht
nach dem Gießkannenprinzip die Lasten zu verteilen, sondern Standorte
zu schließen, wie Stratmann erklärte.
Ja zur virtuellen Bibliothek, aber damit ist es nicht getan
Hans-Joachim Wätjen anwortet Jürgen Metzger
"Die Bibliothek wurde immer schlechter. ... ich gehe kaum noch in
die Bibliothek. Wie kommt Jürgen Metzger in der Februarausgabe
des Uni-Infos zu diesen Aussagen? Als Chemiker litt er unter den notwendigen
Zeitschriftenabbestellungen. Heute nutzt er die Datenbanken und Zeitschriften
für seine Forschung nur noch online. Metzger prognostiziert, dass
schon in wenigen Jahren alle Publikationen online verfügbar sein
werden und fordert einen tiefgreifenden Umbau der Bibliothek
zu einer virtuellen mit den notwendigen Konsequenzen. Er behauptet, dass
der Online-Zugriff auf alle relevanten Informationen durch diesen Umbau
auch finanzierbar wäre. Diese auf den ersten Blick verführerische
Argumentation bedarf jedoch einer realistischen Analyse, die nicht nur
die Bedürfnisse eines forschenden Chemikers, sondern auch die von
WissenschaftlerInnen und Studierenden aller Fachdisziplinen zu berücksichtigen
hat.
Beginnen wir mit der so genannten Zeitschriftenkrise in den Naturwissenschaften,
die viele, so auch Metzger, zu einer Bibliothekskrise uminterpretieren.
Die Konzentration auf einige wenige marktbeherrschende Verlage ermöglichte
diesen unangemessen hohe Preissteigerungen mit der Folge, dass zum Beispiel
in Oldenburg von den 3.500 Titeln der 90er Jahre nur noch 2.400 übrig
geblieben sind - trotz der Erhöhung der Ausgaben für Zeitschriften
um 35 Prozent. Durch diese Mehrausgaben, finanziert aus Mitteln für
Monografien, waren die Leidtragenden aber nicht nur die Naturwissenschaften,
sondern auch die Geisteswissenschaften, vor allem aber die Studierenden
aller Fächer.
Die Lösung der Zeitschriftenkrise sieht Metzger in der virtuellen
Bibliothek: Das viele Papier, das in der Bibliothek noch gesammelt
wird, brauche ich nicht. ... Wir brauchen den Online-Zugang zu allen Zeitschriften
der Welt ... Das Informationsparadies für die Wissenschaft
und weniger Arbeit für die Bibliotheken wünsche ich mir als
Bibliothekar auch. Doch die Realität ist von der Vision einer virtuellen
Bibliothek noch himmelweit entfernt. Der Weg dahin birgt eine Reihe von
Problemen. Eines davon ist die Langzeitverfügbarkeit, auf die vielleicht
nicht die Chemiker, aber die Mathematiker, Germanisten und viele andere
Fächer angewiesen sind. Dazu kommen offene Fragen für alle Akteure
- für die Autoren, die Verlage und schließlich die Bibliotheken.
Viele Autoren unterschreiben noch Exklusivverträge mit Verlagen und
schließen damit die parallele Bereitstellung in offenen Archiven
der Hochschulen aus. Der offene Zugang zu den mit staatlichen Mitteln
geförderten Forschungsergebnissen wird so verhindert. Auch bei der
Auswahl der Zeitschriften können WissenschaftlerInnen der Preisspirale
der großen Verlagskonzerne entgegen wirken. Statt zum Beispiel in
Tetrahedron (bei Elsevier mit einem Jahresabonnementpreis von 13.523 €)
zu veröffentlichen, böte sich die qualitativ gleichwertige Zeitschrift
Organic Letters (bei der Am. Chem. Soc. für 3.250 $ pro Jahr) an.
Grundsätzlich aber bieten längst nicht alle Verlage den Umstieg
auf die Online-Version ihrer Zeitschriften an, und wenn, dann ist sie
in der Regel nicht billiger, sondern teurer. Viele Verlage verknüpfen
zudem den Online-Zugriff immer noch mit dem Print-Abonnement. Insofern
ist Metzgers Prognose, alles in allen Fächern schon bald online bekommen
zu können, blauäugig und trifft nicht einmal für die Chemie
zu.
Die Bibliotheken werden es auf unabsehbare Zeit weiterhin mit gedruckten
Medien zu tun haben. Sie müssen dabei die Informationsversorgung
so effizient wie möglich organisieren, also je nach Wirtschaftlichkeit
über ein Abonnement oder die Online-Lizenz, aber auch über die
Fernleihe und den Kauf eines einzelnen Artikels (pay per view).
Zur Lösung der Zeitschriftenkrise propagieren die Bibliotheken den
offenen Zugang zu den Publikationen auf vernetzten Dokumentenservern.
Gleichzeitig versuchen die Bibliotheken, in Konsortialverhandlungen ihre
Nachfragemacht zu bündeln und den Online-Zugriff auf möglichst
viele Zeitschriften zu erreichen. Unsere Universität erhielt auf
diesem Weg mit Unterstützung des Wissenschaftsministeriums den Zugriff
auf bisher über 1.700 zusätzliche Zeitschriften. Und dieses
Angebot wollen wir mit weiteren wichtigen Verlage ausbauen.
Aber zu glauben, dass dabei riesige Summen eingespart werden könnten,
ist ein Irrtum. Denn angenommen, alle Zeitschriften wären nur noch
als Online-Version abonniert, ergäbe sich eine Einsparung von nur
zwei Stellen. Mit den Kosten für das Binden, die Regale und die Verwaltung
der Bestände summiert sich die Einsparung auf maximal 200.000 €,
mit denen gerade einmal 100 neue naturwissenschaftliche Zeitschriften
lizenziert werden könnten.
Viel grundsätzlicher aber ist: Metzger verkennt die Funktion der
Bibliothek. Sie ist mehr denn je für die Studierenden und viele WissenschaftlerInnen
- besonders aus den Geisteswissenschaften - der Arbeitsplatz, der Ort
des Studierens und Forschens. Sie ist mitnichten ein Auslaufmodell! Die
tatsächliche Nutzung belegt dies: die Besucherzahl war mit 450.000
in 2003 noch nie so hoch, und auch die Zahl der Ausleihen steigt (260.000
in 2003).
Natürlich finden angesichts der neuen Möglichkeiten der Informationsversorgung
längst tiefgreifende Veränderungen in der Bibliothek statt -
personell, technisch und organisatorisch. Dazu gehören auch der Abbau
und die Verlagerung von Personal bei gleichzeitiger Verbesserung des Service
(Erweiterung der Öffnungs- und Auskunftszeiten, Unterstützung
bei Informationsrecherchen und Schulungen). Auch technisch rüstet
sich die Bibliothek für die zunehmende digitale Nutzung von Information
u.a. durch ein flächendeckendes Funknetz und zusätzliche Internet-Arbeitsplätze.
Durch das jetzt genehmigte DFG-Projekt i³-sic! wird es
weitere grundlegende Veränderungen geben. Entsprechend ausländischen
Vorbildern wird die Bibliothek mit dem Rechenzentrum und der Verwaltungsdatenverarbeitung
zu einer neuen Einrichtung zusammengefasst, um nutzerorientiert die Dienstleistungen
zu verbessern und Synergieeffekte zu erreichen. Die erzielbaren Einsparungen
sollten, wie auch Metzger fordert, vor allem für die Verbesserung
der digitalen Informationsversorgung in Lehre, Studium und Forschung verwendet
werden.
* Hans-Joachim Wätjen ist Direktor der Universitätsbibliothek.