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Trinkwasser ist keine Selbstverständlichkeit
Recherchen
in der Subsahara-Region: Ein Drittel der Menschen hat keinen Zugang zu sauberem
Trinkwasser / Von Ole Pollem
Wassertransport
per Kopf: Viele afrikanische Haushalte sind nicht ans öffentliche Wassernetz
angeschlossen. Foto: dpa |
Ole Pollem hat Wirtschaftswissenschaften
an der Universität Oldenburg studiert und arbeitet zurzeit an seiner Promotion
bei Prof. Dr. Ulrich Scheele, Institut für Volkswirtschaftslehre und Statistik.
Seit Oktober 2005 wird die Arbeit mit einem Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung
gefördert. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die Aktivitäten
afrikanischer Regulierungsbehörden, die Wasserversorgungsunternehmen in ihren
Ländern beaufsichtigen. Seine Recherchen, über die er hier berichtet,
führten Pollem in fünf Länder Subsahara-Afrikas. .
Um
mir vor Ort einen Überblick über die Trinkwasserversorgung zu verschaffen,
machte ich mich im Oktober 2004 auf und flog auf eigene Kosten für vier Wochen
nach Kenia, Sambia und Mosambik. Im Juli und August 2005 ging es dann für
zwei Wochen in Richtung Westafrika: nach Ghana und Mali. Neben den vielen Besuchen
und Gesprächen, die mir wertvolle Informationen für meine Dissertation
lieferten, haben mich die Gegebenheiten und Erlebnisse auf den Reisen persönlich
tief beeindruckt.
Negativspirale
Der Zugang zu sauberem
Trinkwasser, in entwickelten Ländern eine Selbstverständlichkeit, stellt
Entwicklungsländer oft vor gewaltige Probleme. Besonders dramatisch ist die
Lage in Subsahara-Afrika. Hier hatten im Jahr 2000 lediglich 64 Prozent der Menschen
Zugriff auf sauberes Trinkwasser. Große Teile der Bevölkerung sind
gezwungen, sich mit Wasser schlechter Qualität aus Flüssen und Brunnen
zu versorgen. Das verunreinigte Trinkwasser führt in Verbindung mit der unzureichenden
Abwasserentsorgung zu Krankheiten und zahlreichen Todesfällen. Weltweit sterben
jährlich drei Millionen Menschen infolge von Trinkwasserproblemen.
Es
gibt diverse Faktoren, die diese Situation bedingen. Von Bedeutung ist, dass die
Wasserversorgung in vielen Entwicklungsländern Aufgabe eines Ministeriums
war und oftmals auch noch ist. Aus politischen Gründen wurden die Wasserpreise
zumeist sehr niedrig gehalten, so dass selbst die relativ wohlhabenden Bevölkerungsschichten
Wassertarife zu zahlen hatten, die weit unterhalb der entstehenden Kosten lagen.
Die ärmsten Bevölkerungsgruppen profitierten zudem nicht unbedingt von
niedrigen Tarifen, da sie häufig nicht ans Leitungsnetz angeschlossen waren.
Die nicht kostendeckenden Tarife waren einer der Gründe, weshalb kaum Investitionen
in die Versorgungsinfrastruktur erfolgen konnten. Außerdem gingen große
Mengen, teilweise die Hälfte des aufbereiteten Wassers, durch Leckagen verloren,
und der Anteil der Menschen mit Zugang zu sauberem Trinkwasser konnte nicht oder
nur in geringem Maße erhöht werden.
Um dieser Negativspirale
entgegen zu wirken, wurde der Betrieb der Wasserversorgung in vielen Ländern
aus dem Aufgabenbereich der Ministerien in ein Wasserversorgungsunternehmen überführt.
Die Unternehmen - ob staatlich oder privat - müssen auf Grund ihrer Monopolstellung
reguliert werden, damit sie ihre Marktmacht nicht durch überhöhte Preise
oder eine mangelhafte Leistungserbringung ausnutzen können. Um Interessenkonflikte
zu verhindern, haben einige Länder Subsahara-Afrikas Regulierungsbehörden
für den Wassersektor aufgebaut, die unabhängig von politischen Erwägungen
arbeiten sollen. Die ersten Einrichtungen dieser Art entstanden in der zweiten
Hälfte der 1990er Jahre. Gegenwärtig gibt es sie lediglich in vier Ländern:
in Sambia, Mosambik, Ghana und Mali. Da zuverlässige und allgemein zugängliche
Informationen über die Regulierungsbehörden und ihre Arbeitsweise kaum
vorhanden sind, musste ich vor Ort recherchieren.
Die Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit (GTZ) hat den Aufbau der Regulierungsbehörde in
Sambia unterstützt und ist momentan auch in Kenia für ein ähnliches
Projekt aktiv. Obwohl noch im Aufbau, wollte ich auch dieses Projekt kennen lernen,
um mehr über die Prozesse und Probleme bei der Übertragung der Regulierungsaufgaben
zu erfahren. Bei der GTZ hatte ich bereits 2003 ein fünfmonatiges Praktikum
auf den Philippinen absolviert und so war es leicht, Kontakt zu den Projektmitarbeitern
in Kenia und Sambia aufzunehmen. Die GTZ hat es mir auch möglich gemacht,
Kontakt zu der Regulierungsbehörde in Mosambik zu knüpfen.
Accra,
Ghana
Meine Reise im Sommer 2005 führte mich zunächst nach
Accra, der Hauptstadt und mit etwa zwei Millionen Einwohnern größten
Stadt Ghanas. Es ist unglaublich, wie viele Taxifahrer dort unterwegs sind. Auch
in Nebenstraßen braucht man nur ein oder zwei Minuten zu warten, dann kann
man ein Taxi heranwinken. Es wird kurz über den Preis verhandelt. Touristen
werden in der Regel übers Ohr gehauen, aber mit ein wenig Geschick findet
man die ortsüblichen Preise heraus.
In Accra bezog ich im Gästeappartement
des Goethe Instituts Quartier und fuhr jeden Morgen zur Public Utilities Regulatory
Commission (PURC), der Regulierungsbehörde, die in Ghana sowohl die Tarife
für Wasser als auch für Strom reguliert.
Von den Mitarbeitern
erfuhr ich viel über die Aktivitäten der 1997 gegründeten Behörde,
über die Ineffizienz des staatlichen Wasserversorgers und über die Stärkung
der Konsumentenmacht durch PURC. Es zeigte sich schnell, dass der Aufbau einer
Regulierungsbehörde allein kein Garant dafür ist, dass die Wasserversorgung
effizienter wird. Dies kann nur gelingen, wenn die Behörde über Mittel
verfügt, um die Durchsetzung ihrer Vorgaben zu erzwingen, beispielsweise
durch gesetzliche Festlegung der Verantwortlichkeiten und die Durchsetzung von
Konsequenzen bei der Nichteinhaltung der Vorgaben. Als Problem erwies sich auch,
dass Mittel nicht in der ursprünglich zugesagten Höhe flossen, so dass
eine Reihe wichtiger Mitarbeiter PURC aus finanziellen Gründen den Rücken
kehren mussten.
Bamako, Mali
Nach einer Woche flog ich
weiter nach Bamako, der Hauptstadt Malis. Mali ist eines der ärmsten Länder
der Welt. Dies führte mir die erste Fahrt durch Bamako auch vor Augen. Selbst
in der Innenstadt gibt es nur ein rudimentäres Netz aus geteerten Straßen.
Biegt man in eine der Straßen ab, an denen auch die Deutsche Botschaft oder
die Büros der internationalen Hilfsorganisationen liegen, so geht es wegen
der vielen und tiefen Schlaglöcher nur im Schritttempo voran.
Die
Commission de Régulacion de lElectricité et de lEau
(CREE), die Regulierungsbehörde, die in Mali für die Festlegung der
Wasser- und Stromtarife zuständig ist, befindet sich an einer solchen Straße
- nur zwanzig Meter entfernt vom Niger, dem drittlängsten Fluss Afrikas.
Während die Mitarbeiter von CREE mit Laptops arbeiten und ihre Autos vor
dem kleinen Verwaltungsgebäude parken, waschen Frauen unmittelbar daneben
im Fluss ihr Wäsche, Männer fischen von schmalen Holzbooten aus, und
ich hatte den Eindruck, dass sich hier in den vergangenen Jahrzehnten praktisch
nichts verändert hat.
Foto links: Flüsse in Afrika (hier in Mali) liefern das Wasser zum Wäschewaschen - und häufig auch zum Trinken. (Foto dpa) Foto rechts: Für die Regulierung der Wasser- und Stromtarife in Ghana ist die Public Utilities Regulatory Commission zuständig. (Foto Pollem) |
In
Mali liegt die Wasser- und Stromversorgung des ganzen Landes in der Hand eines
einzigen Unternehmens namens Energie du Mali (EDM), das zu 60 Prozent dem französischen
Konzern SAUR und zu 40 Prozent dem Staat Mali gehört. Die Konzessionsverträge
legten zunächst fest, dass sich die Tarife in beiden Sektoren in Abhängigkeit
von der Inflation und anderen Einflussfaktoren entwickeln sollten, damit das Unternehmen
seinen Investitionsverpflichtungen nachkommen konnte. Aber schon im ersten Jahr
nach Unterzeichnung der Verträge erklärte die Regierung, dass sie entsprechende
Tariferhöhungen für nicht akzeptabel halte. Die Preise wurden nur geringfügig
erhöht, und die Regierung zahlte selbst die Differenz an EDM. Dies wiederholte
sich im nächsten Jahr in ähnlicher Form, bis CREE die Tarife vollständig
einfror. Die Folge war, dass EDM ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachkommen
konnte und in der Konsequenz die Konzessionsverträge aufgehoben wurden. Es
wurden neue Verträge ausgehandelt, nach denen die Investitionen zukünftig
vom Staat zu finanzieren sind.
Um den skizzierten Konflikt von unterschiedlichen
Seiten zu beleuchten, führte ich u.a. ein Gespräch mit dem für
die Wasserversorgung zuständigen Direktor von EDM. Viele Informationen zur
Entwicklung der Wasserversorgung erhielt ich auch von Mitarbeitern der Direction
Nationale de lHydraulique, einer für den Wassersektor zuständigen
Abteilung des Ministeriums für Minen, Energie und Wasser, und von der deutschen
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die im Westen Malis zahlreiche Wasserprojekte
in ländlichen Gegenden unterstützt. Der Konflikt wird in der Fallstudie
zu Mali einenzentralen Stellenwert einnehmen.
Gastfreundschaft
Im
Rückblick kann ich sagen, dass ich auf meinen Reisen in Afrika stets mit
Rat und Tat unterstützt worden bin. Besonders in Mali wurde ich mit einer
unglaublichen Gastfreundschaft aufgenommen. Ein Kommissionsmitglied von CREE kam
sogar am Morgen meiner Abreise überraschend ins Hotel, um mich zu verabschieden.
Die Reisen waren eine einmalige Gelegenheit, um mit den unterschiedlichsten Personen
ins Gespräch zu kommen. Ich sprach nicht nur mit Mitarbeitern der Regulierungsbehörden,
sondern auch mit Vertretern der Weltbank in Nairobi, mit einem Manager des portugiesischen
Wasserversorgers in Mosambik, mit Anwohnern eines ländlichen Wasserversorgungsprojekts
in der Nähe von Machakos in Kenia und vielen anderen, die auf die eine oder
andere Weise mit der Entwicklung der Wasserversorgung in Subsahara-Afrika zu tun
haben.