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Kulturelles

 

"Fußball unser"

WM als Religionsersatz / Von Jürgen Heumann*

Im Ernst, irgend etwas Göttliches scheinen sie ja an sich zu haben, unsere Kicker vor, während oder nach der WM: Sie werden inbrünstig verehrt und angebetet, ihre Devotionalien (Trikots, Schuhe) genießen bei vielen Fans Heilsstatus und sie scharen eine Gemeinde um und hinter sich, wie es die christlichen Kirchen kaum noch vermögen.

Religionen zeigen, wohin der Lebensweg gehen soll, zeigen letzten Sinn im Leben und Sterben, binden nicht nur Menschen an solch letzten Sinn, sondern bieten ihnen auch Verschmelzung mit solchem Sinn an. Wie sehr das auch auf den Fußballsport als Massenphänomen und -event zutrifft, zeigt sich nicht nur an Gebetsposen von Spielern, der Zelebration des Kelchs beim Sieg oder der Aufteilung des profanen Jahres in die Heilszeit der Bundesligaphasen. Erhellend sind hier im besonderen die lautstark intonierten Vereinshymnen. Sie sind mehr als viele Posen Indiz für eine zunehmende religiöse Grundierung des Massenfußballs. So heißt es z. B. in der Borussia-Hymne: „Leuchte auf, mein Stern Borussia, zeig mir den Weg, wohin er uns auch führt“; sakral überhöht gesungen nach der Melodie von „amazing grace“. Manche Tränen in den Augen der Fans zeigen während des kollektiven Gesangsrausches: „Das ganze Leben hat keinen Wert mehr, wenn Borussia jetzt unterliegt“. Das machtvolle Singen im Stadion demonstriert die Größe und heroische Bedeutung des einzelnen Fans und seiner Gemeinde, denn im Text der Borussia-Hymne ist gerade von diesem letzten Sinn die Rede, von der Aufgehobenheit des Einzelnen in einer Gemeinschaft, die mehr ist als er selbst.

Sogar der Stern von Bethlehem steht in dieser Hymne Pate: „Seh‘ ich auf den Stern, den jeder kennt, dann sag‘ ich mir, er ist auch ein Stück von dir“. Auch das „ganz Andere“ der Religion leuchtet auf. Borussia erhebt sich in der Hymne aus den Niederungen eines profanen Sportvereins zu glanzvoll-transzendenter Höhe, Skandale hin oder her, in eine Sphäre der Unangreifbarkeit, der Entrücktheit, aber doch auch des Trostes für den Fan, dem klar ist, dass er mehr ist als vielleicht ein arbeitsloser Angestellter. Er hat nicht nur Anteil am Pantheon der Götter; er wird im Falle des Sieges selbst zum strahlenden Fußballgott: „Leuchte auf mein Stern, ich werd‘ immer bei dir sein“.

Ein neuer Text, der die Fanherzen höher schlagen lässt, heißt „Schalke Unser“. Dieses Fan-Gebet teilt viel mit vom Gemeinde- und Gemeinschaftsverständnis der Schalke-Anhänger. Das Spiel ist nicht nur Spiel, wie es Medien und Funktionäre glauben machen wollen. Es ist Kampf, und für den Sieg müssen nicht nur die himmlischen Schalkegötter herbeigerufen und gnädig gestimmt werden, wenn es in gewollter Parallelisierung zur Vater-Unser-Bitte heißt:„so wie wir dir geben die Unterstützung“. Auch muss die Mannschaft als Gottheit verteidigt werden: „Verteidigt werde dein Name, dein Sieg komme“, denn „niemals vergib denen aus der Nähe von Lüdenscheid, wie auch wir ihnen niemals vergeben werden“.

Könnte das selige Singen der Borussia- oder anderer vergleichbarer Vereinshymnen im Rausch der Siegesfeiern vielleicht etwas verdecken? Deutschland ist ein reiches Land und trotzdem zeigt sich Verelen-dung an vielen gesellschaftlichen Orten, Arbeitslosigkeit, Gewalt in den Schulen. Einzig der Fußballsport macht Furore, zwar auch von Skandalen erschüttert, aber die Weltmeisterschaft wird vieles, allzuvieles gnädig zudecken und die Menschen „bei Laune“ halten. Diese Situation, wenn auch historisch überhaupt nicht vergleichbar, erinnert zutiefst an die Charakterisierung von Religion, die Karl Marx im Hinblick auf die Jenseitsvertröstung der christlichen Religion vor fast 160 Jahren formuliert, und die zu viel Ärger geführt hat. In seiner „Einleitung in die Kritik der Hegel’schen Rechtsphilosophie“ postuliert er: „Die Religion ist das Opium des Volkes“. Aber, und diese Einsicht Marx‘ens wird meist nicht mit zitiert, sie ist darin, dass es sie gibt und dass die Menschen sie offenbar benötigen (wie sie offenbar ebenso die Massenspiele des Sports benötigen) auch Ausdruck des „wirklichen Elends“ und darin, so Marx, „Protestation gegen das wirkliche Elend“.

Könnte es sein, dass der „Stern Borussia“ nicht nur Ausdruck einer Verschmelzung des Fans mit seiner Fußballgemeinde und ihrem Gott ist, sondern darin auch ein höchst ernst zu nehmender Protest aufscheint, ein Protest gegen die Ohnmacht des Einzelnen, gegen Vereinsamung, Vereinzelung, Uniformierung und Existenznot in der Medien- und Massengesellschaft? Insofern kann der Massenfußball bei nicht wenigen Menschen wie eine Religion wirken. Aber ist er auch eine? Wohl kaum. Religionen, zumindest denen der jüdisch-christlichen Tradition, geht es um die Stiftung einer neuen Wirklichkeit, jenseits vom Pathos aus Kampf und Heldentum. Es geht um das Einstehen für alle Anderen - nicht nur für die Mannschaft, um die Schaffung einer gerechten, gottes- und menschenwürdigen Welt. Für das Zeug zur Religion fehlt dem Massenfußball also der letzte Kick - auch bei der WM.

* Prof. Dr. Jürgen Heumann ist Religionspädagoge an der Universität Oldenburg.

Ein rumänisches Requiem

Zehn Jahre Violeta Dinescus Komponisten-Colloquium

Seit dem Sommersemester 1996 bietet das Institut für Musik der Universität regelmäßig das Komponisten-Colloquium an. Zum zehnjährigen Jubiläum ist Stefan Niculescu zu Gast. „‚Pomenire’ - Ein rumänisches Requiem“, unter diesem Titel spricht der international renommierte Komponist, Musikwissenschaftler und Kompositionslehrer am 30. Juni 2006 (18.00 Uhr, Kammermusiksaal, A11) über sakrale Musik in seinem Schaffen. Danach interpretiert das rumänische Ensemble Contraste eine Auswahl seiner Werke. Ein zweitägiger Workshop mit Niculescu schließt sich an.

Initiiert wurde das Komponisten-Colloquium von Prof. Violeta Dinescu unmittelbar nachdem sie 1996 als Hochschullehrerin für Komposition an die Universität berufen wurde. Seither ist es ihr gelungen, über hundert KomponistInnen nach Oldenburg einzuladen, die über ihre Arbeit berichtet und ihre Werke vorgestellt haben. Die Veranstaltungen des Colloquiums „Musik unserer Zeit“ sind offen für alle Interessenten und ermöglichen Begegnungen und Diskussionen zwischen Musikern, Komponisten, Studierenden und musikalisch Interessierten. „Dabei“, so Dinescu, „entstehen immer wieder Dialoge, die authentische Perspektiven zu musikalischen Entstehungsprozessen initiieren - eine Art Wechselspiel zwischen Produktion und Interpretation, zwischen kreativem Denken und Reflexio.“

"Unser Pazival"

Ein Theaterprojekt mit viel Musik von Kindern und Jugendlichen aus Quelkhorn (bei Ottersberg) hat eine ganze eigene Art gefunden, mit dem großen klassischen Stoff Parzival umzugehen. „Unser Parzival“ nannten sie ihr Stück, das unter Regie von Peter Vollhardt (Institut für Musik) entstand und am 10. Juni 2006, 20.00 Uhr, in der Aula der Universität aufgeführt wird. Die Premiere im April in Ottersberg sorgte für Begeisterungsstürme. Eintritt: 8 €, ermäßigt 4 €. Kartenvorbestellung unter Tel: 0441/798-4907 oder peter.vollhardt@uni-oldenburg.de

www.unserparzival.de

"Alte und Neue"

"Die Alte und die Neue“ ist der Titel einer Gemeinschaftsausstellung von Barbara Habermann und Natascha Kaßner, die vom 7. bis 21. Juni 2006 in der Galerie Kegelbahn am Uhlhornsweg zu sehen ist. Die beiden Künstlerinnen zeigen je vier Werkgruppen, die sich durch die Vielfalt künstlerischer Mittel auszeichnen. Habermann war mehr als zwanzig Jahre als Lehrbeauftragte im Kunstbereich tätig. Kaßner ist ihre Nachfolgerin. Die Galerie Kegelbahn (hinter dem Unikum) ist von Montag bis Freitag, 12.00 bis 15.00 Uhr sowie nach Vereinbarung (Tel.: 0441/85716) geöffnet.

Richtfest

"Richtfest“ nennt der Kabarettist An-dre Eberlei sein Programm, dass er am Donnerstag, 1. Juni 2006, 20.00 Uhr, im Unikum präsentiert. In dem kabarettistischen Selbstverteidigungskurs wird Eberlei verrückte Dinge so lange drehen, bis sie normal erscheinen. Eintritt: 10 €, ermäßigt 7 €.

Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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