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Botschafter für Erneuerbare Energien
Absolventen des Oldenburger Masterstudiengangs PPRE sorgen weltweit für
umweltfreundliche Energieversorgung / Von Peter Ringel
Ohne
Strom herrscht Stillstand. Insbesondere mangels Energie stockt die Entwicklung
gerade in ländlichen Gebieten Afrikas, Asiens und Südamerikas. Dort
gibt es weder ein Stromnetz noch Geld und Transportkapazitäten für Erdöl
oder Erdgas. Allein die auch dezentral einsetzbaren Erneuerbaren Energien ermöglichen
in diesen Ländern ein nachhaltiges Wirtschaften. Wie eine preiswerte und
zugleich umweltfreundliche Energieversorgung aufzubauen ist, vermittelt der Oldenburger
Master-Studiengang Postgraduate Programme Renewable Energy (PPRE) bereits seit
1987. Viele der rund 300 AbsolventInnen aus mehr als 70 Ländern besetzen
heute führende Positionen. Weltweit sorgen die Ehemaligen für eine stärkere
Nutzung Erneuerbarer Energien.
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Stolzer Besitzer einer solaren Warmwasser-Anlage in Kapstadt. Das Projekt wurde von der britischen Renewable Energy and Energy Efficiency Partnership (REEEP) gesponsert, bei der der Oldenburger Absolvent Binu Parthan tätig ist. |
Der Energieminister von Madagaskar, die
Koordinatorin des brasilianischen Programms „Luz Para Todos“ (Elektrizität
für alle) oder die Projektleiterin in einem Klimaprogramm der Vereinten Nationen
in Albanien - sie alle sind PPRE-AbsolventInnen. Weltweit arbeiten die Ehemaligen
an verantwortlicher Stelle in der Administration, in Unternehmen und Nichtstaatlichen
Organisationen, aber auch in Forschung und Lehre. Sie lassen für ein Weltbank-Projekt
in Ghana Windenergieanlagen aus Holz bauen oder drehen beim globalen Emissionshandel
selbst am großen Rad. „Es geht nicht mehr nur um small-is-beautiful-Projekte“,
sagt Michael Golba, der zusammen mit Dr. Konrad Blum den englischsprachigen MSc-Studiengang
leitet. „Anders als noch vor zwanzig Jahren sind Erneuerbare Energien heute
nicht länger eine Nischentechnologie.“
Dass man längst in
der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, zeigt etwa die Karriere von Binu Parthan,
der bei einer internationalen Organisation mit Sitz in Wien arbeitet. Dort koordiniert
der Inder ein Programm, das weltweit Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz
und zu Erneuerbaren Energien finanziert. „Ich habe enorm von dem PPRE-Abschluss
profitiert“, bekennt Parthan. An dem Oldenburger Programm lobt er insbesondere
den hohen fachlichen Standard und die Praxisnähe. Außer Fachwissen
werden offenbar weitere Qualifikationen vermittelt: „Dem Studiengang verdanke
ich das Selbstvertrauen, um auch mit wichtigen Managern und Entscheidungsträgern
verhandeln zu können“, sagt Wisdom Togobo. Er ist Leiter der Abteilung
für Erneuerbare Energien im Energieministerium von Ghana.
Die Energie-Forschungsschwerpunkte
der Oldenburger Physiker - Windenergie, Energiemeteorologie und Photovoltaik -
spielen auch im Studiengang eine zentrale Rolle. Daneben befassen sich die Studierenden
auch mit anderen Feldern der Erneuerbaren Energien. Das Spektrum reicht von der
Geothermie in Kenia bis zur Gewinnung von Biosprit aus der tropischen Jatropha-Frucht.
Neben den Experten der Universität lehren externe Fachleute, wenn es etwa
um Biogasanlagen geht. Und der beste Dozent für die Elektrifizierung des
Sudans ist natürlich ein Ehemaliger aus Oldenburg, der sich in dem afrikanischen
Land genau damit befasst.
Die AbsolventInnen kommen nicht nur als Lehrende
zurück nach Oldenburg. Bei der Oldenburger Summer School 2006 zum Thema Photovoltaik
waren 25 Ehemalige unter den 70 TeilnehmerInnen. Und in Asien, Afrika und Lateinamerika
gibt es „regionale“ Alumni-Treffen. Zu mehr als drei Viertel aller Ehemaligen
gibt es regelmäßigen Kontakt. Binu Parthan hat seine Oldenburger Station
nicht nur wegen der professionellen Atmosphäre in guter Erinnerung: „Ein
Jahr lang mit 14 Kommilitonen aus zehn Ländern gemeinsam zu lernen, war eine
großartige kulturelle Erfahrung.“ Er pflegt immer noch viele der Kontakte
aus seiner Zeit in Norddeutschland, einigen Absolventen ist er bei seiner Arbeit
begegnet. Auch das fachliche Netzwerk funktioniert: In den intensiv genutzten
Mailing-Listen von PPRE wird eine Frage aus der äußeren Mongolei mit
einem Tipp aus Patagonien beantwortet. Kalt kann es schließlich in beiden
Gegenden werden. Debattiert wird über Isolationstechniken ebenso wie über
thermische Solarenergienutzung. Einmal im Jahr geht außerdem ein umfangreicher
Newsletter in alle Welt.
Ob im Dschungel Boliviens oder im Wüstensand
Malis - wer in Entwicklungsländern unterwegs ist, stößt oft auf
Ruinen der Entwicklungspolitik. Die Gründe für das Scheitern reichen
von mangelnder Wartung bis zum Fehlen von Ersatzteilen. Oft hapert es allerdings
weniger an der Technik, sondern an der mangelnden Abstimmung eines Projekts mit
Sozialstruktur und Gepflogenheiten vor Ort. Ein Sonnenkocher etwa nützt wenig,
wenn warme Speisen nur am Abend zubereitet werden. Wenn die Elektrizität
in einem Dorf Einzug hält, bedeutet das für die Bewohner meist einen
fundamentalen Wandel, ihr Leben kann sich komplett ändern. Um die Akzeptanz
von Energieprojekten zu erhöhen, soll künftig auch sozialwissenschaftliche
Kompetenz vermittelt werden. „Das ist gerade dann wichtig, wenn man in quasi
vorindustriellen Gesellschaftsstrukturen hantiert“, ist der Physiker und
Sozialwissenschaftler Golba überzeugt. „Bislang ist es noch nicht die
Regel, dass ein Ingenieur sich auch mit der Struktur der Gesellschaft auseinandersetzt,
für die und in der er tätig ist.“ Die Herausforderung lautet also:
„Man muss die Stromversorgung mit der sozialen Struktur synchronisieren.“
Bereits
jetzt werden auch wirtschaftswissenschaftliche Inhalte vermittelt. Zum Curriculum
soll außerdem politisches Wissen hinzukommen. Denn der Umstieg auf die Erneuerbaren
Energien ist weltweit - nicht anders als hierzulande - abhängig von staatlicher
Unterstützung, zumindest in der Startphase. „Wir brauchen ein politisches
Instrumentarium“, sagt Golba, weil vor allem - immer noch - der Staat die
Stromversorgung ländlicher Gebiete vorantreibe - wie einst bei der Elektrifizierung
Europas. China beispielsweise lasse es sich derzeit rund zehn Milliarden Euro
kosten, abgelegene Dörfer mit Solarzellen auszurüsten. Auch in Brasiliens
Norden werden mehr als drei Milliarden Euro in ein Photovoltaik-Programm investiert.
Was solche staatlichen Programme leisten können, zeigt sich für Golba
auch in Vietnam: Dort verfügen bereits rund 90 Prozent der Bevölkerung
über Strom. Zum Vergleich: In afrikanischen Staaten südlich der Sahara
ist die Elektrifizierungsrate in der Regel nicht höher als zehn Prozent,
auf dem Land hat häufig nur jeder Hundertste Strom. Nicht nur in den bettelarmen
Staaten Subsahara-Afrikas kann die Elektrifizierung nicht allein über den
Markt geregelt werden, sondern bedarf auch staatlicher Hilfe oder Unterstützung
von außen, etwa über Weltbank oder Nichtstaatliche Organisationen.
Der
Oldenburger Studiengang versteht sich nicht als deutsches Hilfsprojekt für
den Rest der Welt. Die Ausbildung von Fachleuten aus Entwicklungs- und Schwellenländern
eröffnet auch hiesigen Firmen einen neuen Markt. Denn die Umwelttechnologie
zählt längst zu den wichtigen deutschen Exportgütern. Und Unternehmen
wie der Auricher Windturbinenhersteller ENERCON produzieren schon heute auch in
Brasilien und Indien. Auf dem Subkontinent wächst der Absatz rasant - in
Indien ist bereits rund ein Drittel der in Deutschland installierten Leistung
aus Windkraftanlagen am Netz.
Dass so viele der Oldenburger Absol-ventInnen
weltweit in zentralen Positionen tätig sind, war für die Deutsche Gesellschaft
für Sonnenenergie (DGS) Grund genug, den Studiengang im Vorjahr mit dem Deutschen
Solarpreis auszuzeichnen. Als Ursache für den Erfolg so vieler Ehemaliger
nennt Golba: „Die Absolventen haben eine Scharnierfunktion.“ Sie seien
mit High-Tech vertraut und brächten zugleich die nötigen Sprach- und
Kulturkenntnisse mit. Damit sind die PPRE-Ehemaligen etwa für die Deutsche
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ideale Partner. Auch jenseits
der Spitzenpositionen ist der international anerkannte Masterabschluss der Oldenburger
Universität im weltweit boomenden Markt der Erneuerbaren Energien viel wert,
weiß Golba: „Praktisch keiner der Absolventen ist ohne Job.“
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