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Vor Arbeitsbeginn das Labor freischippen
Oldenburger Umweltwissenschaftler forschen an der Antarktischen Halbinsel / Zwei Projekte zum Klimawandel
Das Eis schmilzt: Die Antarktische Halbinsel gehört zu den Regionen weltweit, die die stärksten klimatischen Veränderungen zeigen. Foto: Sanja Asendorf/Patrick Monien |
Eine Forschungsreise in die Antarktis ist keine Pauschalreise. Mehrere Monate nahm die Planung des Umweltwissenschaftlers Patrick Monien und der Masterstudentin Sanja Asendorf in Anspruch, bevor sie ihre Reise zum deutschen Dallmann-Labor auf King George Island antreten konnten. Das Labor, das zur argentinischen Forschungsstation Jubany gehört, wird vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Kooperation mit den Niederlanden und dem argentinischen Instituto Antártico Argentino (IAA) betrieben. „Es gibt eine limitierte Anzahl an Forschungsplätzen und das AWI koordiniert den Aufenthalt auf der Station. Im Dallmann-Labor können maximal 16 Wissenschaftler gleichzeitig arbeiten. Deshalb sind die Plätze heiß begehrt“, berichtet Monien. „Für unsere Forschungsarbeiten brauchten wir viel spezielles Equipment, das die Werkstätten der Universität für uns angefertigt haben. Die ganze Planung war schon eine ziemliche Herausforderung.“
Die Reise zu den Südlichen Shetlandinseln, zu denen King George Island gehört, ist keineswegs trivial. Bremen, Paris, Santiago de Chile, Punta Arenas – soweit war die Reiseroute der Oldenburger WissenschaftlerInnen noch recht konventionell. Dann brachte sie ein uruguayisches Militärflugzeug nach einigen Tagen Aufenthalt in Punta Arenas, der größten Stadt im chilenischen Südpatagonien, nach King George Island. „Dieser Flug konnte nicht genau terminiert werden, da der Pilot nur auf Sicht fliegen kann und ein `Gut-Wetterfenster` abwarten muss“, erklärt Monien.
Auf King George Island betreiben unter anderem Russland, Peru, Chile, Brasilien, Argentinien, Südkorea und Polen eigene Forschungsstationen. Die beiden Oldenburger landeten auf der chilenischen Station „Eduardo Frei“, von wo aus es mit einem Zodiac, einem kleinen wendigen Schlauchboot, über die Maxwell Bay weiterging zur Forschungsstation Jubany. Die Station steht unter militärischer Leitung, wird aber wissenschaftlich genutzt. Die Infrastruktur teilt sich Jubany mit dem Dall-mann-Labor. „Der Einfluss des Militärs ist an vielen Stellen spürbar“, berichtet Monien. „Die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen: 12.00 Uhr Mittagessen, 21.00 Uhr Abendessen. Pünktlich auf die Minute“.
Die Schlauchbootfahrt zur Forschungsstation dauert je nach Wetter- und Windverhältnissen zwischen 45 Minuten und zwei Stunden. Überhaupt hängt die Forschung in der Antarktis in erster Linie vom Wetter ab: „In den zweieinhalb Monaten, die wir im Dallmann-Labor verbrachten, hatten wir an etlichen Tagen Schneesturm“, berichtet Sanja Asendorf. „Da konnten wir uns nicht vor die Station wagen. Die Natur bestimmt, ob man arbeiten kann oder nicht.“ Das seien Momente gewesen, die einem bewusst gemacht hätten, dass man in der Antarktis sei, ergänzt Monien. „Es kam uns manchmal so vor, als dulde die Natur nicht, dass Menschen hier sind.“
Dem Klimawandel auf der Spur (v.l.): Umweltwissenschaftler Patrick Monien und Masterstudentin Sanja Asendorf. Foto/Karte: Sanja Asendorf/Patrick Monien |
Die Forschung bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts war oft harte Knochenarbeit. So mussten die WissenschaftlerInnen vor Arbeitsbeginn nicht selten die Labore frei- schippen, die über Nacht unter einer dichten Schneeschicht begraben worden waren. Sobald es die Wetterverhältnisse zuließen, fuhren Monien und Asendorf, eingehüllt in widerspenstige Überlebensanzüge, mit einem Schlauchboot auf See, um Sedimentkerne aus einer Meerestiefe von 30 bis 60 Metern zu bergen. Bei einer Meerestiefe von weniger als 30 Metern übernahmen ForschungstaucherInnen diesen Job, ansonsten kam eine Winde zum Einsatz, die die Sedimentkerne von 15 bis 20 Kilo Gewicht zu Tage förderte. „Sobald wir die Winde einsetzten, war nur noch Action an Bord“, berichtet Monien. „Alles ist voller Schmutz, das Sediment spritzt herum, es gibt keinen Motor, die Winde wird mit reiner Muskelkraft bewegt – das alles bei einer Wassertemperatur von Minus ein Grad Celsius. Natürlich ohne Handschuhe, da diese die Koordination erschweren.“ Nach Stunden auf See mussten dann die Sedimentkerne an Land „geschlachtet“, die Proben bearbeitet, die Wasserproben spektroskopisch vermessen werden. Zum Aufwärmen blieb den ForscherInnen dabei manchmal kaum Zeit. Die Arbeiten im Labor dauerten oft bis in die späte Nacht.
Dabei hat gerade die Argentinische Forschungsstation Jubany eine Besonderheit zu bieten: Es gibt einen – unbeheizten – Kinosaal mit 20 Sitzplätzen – der vielleicht südlichste Kinosaal der Welt. Und wenn dort gerade keine Filme zu sehen sind, dann dient das Kino als Schlafsaal. „Auf Jubany ist eigentlich nur Platz für 65 Bewohner: Forscher, Bauarbeiter, Militär“, so Asendorf. „Aber tatsächlich haben dort bestimmt an die 100 Leute gewohnt. Sie schliefen überall. Im Fitnessraum, im Flur, in neuen Gebäuden, die noch keine Heizung hatten, einfach überall. Da hatten wir es in unseren Vier-Bett-Zimmern richtig komfortabel.“ Komfortabel, in einem Vier-Bett-Zimmer? Ein Forschungsaufenthalt in der Antarktis ist eben keine Pauschalreise. (tk)
"Geologisches Archiv"Ein Anstieg der mittleren Lufttemperatur um drei Grad Celsius in den letzten 60 Jahren – die Antarktische Halbinsel gehört zu den Regionen weltweit, die die stärksten klimatischen Veränderungen zeigen. Die Gletscher der Westantarktischen Halbinsel und der benachbarten Inseln sind durch den Temperaturanstieg massiv bedroht. Sie schmelzen immer schneller und mit dem Schmelzwasser werden auch große Mengen erodierten Gesteins vom Land in die Küstengewässer getragen. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die marinen Lebensgemeinschaften. „Die Temperaturen auf der Westantarktischen Halbinsel bewegen sich im Sommer immer um den Gefrierpunkt“, erklärt Umweltwissenschaftler Patrick Monien. Deshalb mache sich dort ein Anstieg der Lufttemperatur von drei Grad Celsius eher und dramatischer bemerkbar als in einem Gebiet, das permanent eine Durchschnittstemperatur von Minus 10 oder 20 Grad Celsius aufweise. „Bereits Temperaturschwankungen um ein halbes Grad Celsius entscheiden, ob die Gletscher wachsen oder schmelzen“, betont Monien. |