In dem BMBF-geförderten Forschungsprojekt VIVATOP entwickeln die Forschenden der Universitätsklinik für Viszeralchirurgie am Pius-Hospital Oldenburg zusammen mit den Projektpartnern der Holomedicine Association Virtual und Augmented Reality-Anwendungen sowie 3D-Druckverfahren, die zum Beispiel bei der OP-Vorbereitung von Chirurgen*innen oder für die Ausbildung von Assistenzärzten*innen genutzt werden können.
Prof. Dr. Dirk Weyhe stellt seine Arbeit im Interview kurz vor:
Was ist die „Holomedicine Association“ und welchem Zweck dient sie?
Prof. Dirk Weyhe: "Die „Holomedicine Association“ ist ein weltweiter Zusammenschluss von Ärzten*innen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, spezialisierten Industriepartnern wie Microsoft, IT-Unternehmen und Interessensvertretern aus der Politik und Wirtschaft. Die „Holomedicine Association“ wurde im April 2021 gegründet und ich wurde als eines der 40 internationalen Gründungsmitglieder berufen. Insgesamt kann man also von einem globalen Netzwerk von individuellen Experten, Wissenschaft, Technik und Politik sprechen, die neue Einsatzfelder der Mixed Reality Technologie in der Medizin identifizieren. Hier soll die Mission sein, eine digitale Transformation in die zunehmend digitale Gesundheitswirtschaft zu unterstützen. Der wichtigste Partner ist dabei Microsoft-Healthcare USA, die die Hololens-Brille (siehe Bild Hololens II) entwickelten sowie die Hamburger Firma apoQlar, die die zugehörige Software und Betriebsplattform Virtual Sugery Intelligence (VSI) entwickelt hat und auch weiterentwickelt. Ein weiterer wichtiger Partner ist die RPP-Group, die sich als Vermittler in einem gemeinsamen Markt zur Förderung von Bottom up als auch Top down Entwicklungsprozessen in der europäischen Gesundheitspolitikgestaltung versteht und Vertretungen in den wichtigsten Hauptstätten Europas besitzt. Insgesamt handelt es sich um eine sehr innovative und hochmotivierte Gruppe mit zum Teil heute noch etwas verrückt anmutenden Ideen. So arbeitet zum Beispiel einer der Gründungsmitglieder mit am Marsexpeditionprogramm von Elon Musk zur Entwicklung von Mixed Reality gestützen Zahnbehandlungen."
Was bedeutet Holomedizin?
Prof. Dirk Weyhe: "Der neue Begriff Holomedizin beschreibt die klinische Anwendungen der Augmented Mixed und Virtual Reality in der Patientenbehandlung. Dabei leitet sich „Holo“ von dem Begriff Hologramm ab, in dem medizinische Informationen aus MRT- und CT-Aufnahmen, Ultraschall-, Mikroskop- oder Endoskopiebilder als Hologramme transformiert werden (siehe Bild). Dieses Hologramm wird in der Mixed Reality Brille (Hololens II, Microsoft) angezeigt, wobei gleichzeitig die reale Umgebung vollständig sichtbar bleibt. Dieses 3-dimensionale Hologramm kann angefasst und vergrößert werden. Anwendungsbeispiele sind die interdisziplinäre Tumorkonferenz, OP-Planung oder Durchführung. Durch die 3-D Darstellung der segmentierten Bilder erhält man besonders für die Operationsplanung zusätzliche Erkenntnisgewinne. Über das Forschungsprojekt VIVATOP sind wir in klinischen Anwendungsbereichen unter Forschungsbedingungen weit vorangeschritten. Gerade bei komplexen Leberresektionen oder Bauchspeicheldrüsenoperationen sehen wir in der klinischen Erprobung große Vorteile im intraoperativen Einsatz (s. Bild OP). Hochinteressant ist dabei, dass bei Aufbereitung der MRT- oder CT-Bilder zusätzlich zur radiologischen und chirurgischen Expertise noch KI-Programm unterstützen. Hierbei haben wir nun den ersten Fall, wo tatsächlich Tumore automatisch segmentiert wurden, welche der radiologischen Diagnostik entgangen also übersehen worden wäre."
Welche Rolle haben Sie hier?
Prof. Dirk Weyhe: "Mir wurde die Rolle übertragen, die klinischen Anwendungsfelder der Holomedizin in der Viszeralchirurgie zu erforschen. Dabei werden die Handlungsfelder der Mixed Reality - von der Patientenaufklärung bis zur Operation als auch in der Aus- und Weiterbildung - untersucht und evaluiert. Erfreulicherweise wurden wir im Organigramm der Assosiation als Holomedizin-Zentrum für Nordeuropa aufgenommen. Dieser Aufbau wird auch finanziell stark von der Association unterstützt. Derzeit arbeiten wir mit sechs Mixed Reality Brillen in Forschung und Lehre. Die hierfür erforderliche IT-Unterstützung und Softwareentwicklung erfolgt über apoQlar und Microsoft- Healthcare USA und der Unterstützung durch unsere interne IT-Abteilung am Pius-Hosptial."
Was werden hier die künftigen Aufgaben sein?
Prof. Dirk Weyhe: "Die künftigen Aufgaben werden sein, nach dem klinischen Einsatz der Mixed Reality eine neue Form der Holo-Telemedizin zu entwickeln. Das bedeutet, das mehrere internationale Teilnehmer*innen/ Spezialisten*innen sich in einem virtuellen Raum treffen und an einem Hologramm die Operation oder auch intraoperativ gemeinsam arbeiten. Klingt nach "Raumschiff Enterprise" - ist aber zum Teil heute schon in unserem neuen OP-Sälen möglich. Meine spezielle Rolle wird zudem sein, multizentrische internationale Studien im Bereich der Viszeralchirurgie mit zu entwickeln. Hierbei erfolgt eine enge Abstimmung mit der Association, welche auch über hohe Fördermittel verfügt. Die erste Abstimmung erfolgte in Singapur, welches über das weltweit erste 5G-Krankenhaus verfügt. Zudem wurde ich aktuell in das Advisory-Board der Firma apoQlar zur Studienplanung berufen."
Wie werden diese neuen Entwicklungen kommuniziert?
Prof. Dirk Weyhe: "Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Augmented, Mixed und Virtual Reality in der Medizin ist es mit zusammen mit Mitgliedern der Holomedizin Assocciation gelungen, einen „special topic“ des Online-Journals „Frontiers in surgery“ einzurichten. Damit ist einer der ersten Plattformen in der Chirurgie eingerichtet, auf der die internationale Wissenschaft sich austauschen kann."