Smart Grids
Smart Grids umfassen die „intelligente“ Steuerung von Erzeugern, Verbrauchern und Speichern in einem Stromnetz insbesondere zur Integration erneuerbarer Energien und dezentraler Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung. Ziele sind neben der Stabilität des Netzes ein gleichermaßen ökologisch wie ökonomisch effizienter Betrieb. Neben der Betriebsführung des Netzes gehören Messung und Abrechnung zu den Aufgaben des Smart Grid. Informatik ist die Schlüsseltechnologie zur Realisierung dieser hoch komplexen Versorgungssysteme.
Smart Grids
Smart Grids: Informatik zur Energieversorgung
Beteiligte Personen:
Ira Diethelm, Martin Fränzle, Sebastian Lehnhoff, Jorge Marx Gómez, Wolfgang Nebel, Jürgen Sauer
Mission
Wir erforschen und entwickeln neuartige Verfahren, Informatiksysteme und Modelle für eine umweltfreundliche, ökonomische und sichere Stromversorgung der Zukunft. Hierzu arbeiten wir eng mit dem Bereich Energie des Instituts OFFIS zusammen.
Motivation
Die elektrische Energieversorgung steht vor großen Veränderungen, ausgelöst auf Erzeugerseite durch die zunehmende Integration dezentral verfügbarer und vor allem erneuerbarer Energien – insbesondere solcher mit schwankender Einspeisung – und auf Verbraucherseite durch die mögliche und notwendige Steuerung von Verbrauchsanlagen. Beispielsweise liefern Photovoltaik und Windenergieanlagen ihre Leistung abhängig von meteorologischen Einflüssen, die meist nicht mit den Lastprofilen der Verbraucher zusammenhängen: während Sonnenenergie besonders in den Mittagsstunden produziert wird, liegen Verbrauchsspitzen von Haushalten typischerweise in den Abendstunden. Das Verschieben von Betriebszyklen einzelner Verbraucher und Geräte in solche Überversorgungssituationen ist nur eine Möglichkeit, dieses Ungleichgewicht auszugleichen. Der Trend zur Elektromobilität erweitert das Netz zusätzlich um Möglichkeiten zur dezentralen Speicherung von Strom, hierzu werden neuartige Verfahren zum Laden der Akkus und der zugehörigen Abrechnung erforderlich.
Wissenschaftliche Herausforderungen
Für die Koordination von Erzeugung und Verbrauch werden innovative Ansätze aus der Informatik benötigt. Im Internet der Energie kooperieren Erzeuger, Verbraucher, elektrische Netze und neuartige Dienstleister für eine umweltfreundliche, ökonomische und sichere Stromversorgung der Zukunft.
In Oldenburg wird hierzu insbesondere in den folgenden Bereichen geforscht:
Dezentrales Energiemanagement
- IKT-Integration dezentraler Anlagen: Zukünftige intelligente Energieversorgungssysteme, sogenannte Smart Grids, werden geprägt durch die steigende Zahl aktiver Komponenten, die den Verbrauch und die Erzeugung elektrischer Energie überwachen und im laufenden Betrieb aufeinander abstimmen sollen. Angefangen beim digitalen Stromzähler im Haushalt, über neue dezentrale Erzeuger und regelbare Verbraucher bis hin zu Prognose- und Überwachungssystemen: überall sollen „smarte“ IT-gestützte und durchgängig vernetzte Komponenten untereinander standardkonforme Informationen austauschen und selbstständig ihre Prozesse aufeinander abstimmen und optimieren.
- Multiagentensysteme und Selbstorganisation: Mit steigender Zahl aktiver Komponenten und Akteure in Smart Grids erhöht sich die Komplexität des zu optimierenden Gesamtsystems. Eine Betriebsoptimierung, die bislang integriert und zentral durchgeführt werden konnte wird zunehmend schwieriger und ist schon jetzt im laufenden Betrieb in vielen Bereichen nicht mehr zu bewältigen. Die Selbstorganisation in natürlichen verteilten Systemen soll hier als Vorbild für ein dezentrales Energiemanagement dienen, in dem sich autonome Softwareagenten untereinander koordinieren und auf diese Weise einen optimalen Betrieb des Gesamtsystems erreichen.
- Methoden des maschinellen Lernens für eine intelligente Stromversorgung: Verbrauchs- und Erzeugungsschwankungen im Millisekundenbereich machen eine kontinuierliche Neubewertung von Einsatzplänen auf Erzeuger- und Verbraucherseite auf Basis aktueller Versorgungssituationen notwendig. Aufgrund fehlender präziser Informationen über den Gesamtsystemzustand, bieten sich Verfahren des maschinellen Lernens an, bei dem Softwareagenten – stellvertretend für Verbraucher und Erzeuger – den Erfolg eigener Aktionen auf Basis lokal verfügbarer Informationen bewerten und diese ggf. anpassen. Durch systematisches Testen neuer Strategien, ggf. in Verbindung mit Mustererkennungsverfahren, lassen sich auf diese Weise sogar unvorhersehbare Situationen zuverlässig erlernen und geeignete Reaktionen ableiten.
Zuverlässige und effiziente Betriebsführung dezentraler Energiesysteme
- Datenstrommanagementsysteme zur Integration verteilter, kontinuierlicher Messdaten unter harten Latenzanforderungen: Die Ansätze aus dem dezentralen Energiemanagement lassen sich nur umsetzen, wenn eine auch für hochdynamische Versorgungssituationen geeignete Informatik-Infrastruktur für die verteilte Beobachtung, Steuerung und Regelung der Energiesysteme vorhanden ist. Diese erfordert den skalierbaren und effizienten Umgang mit einem massiven Datenaufkommen, typischerweise in Form von Datenströmen, und einer hieraus ggf. resultierenden Reaktion unter Einhaltung von Echtzeitanforderungen. Wir erforschen, wie mit Hilfe von Datenstrommanagementsystemen verteilte, kontinuierliche Messdaten unter harten Latenzanforderungen verarbeitet werden können.
- Echtzeitfähige Analyseverfahren und Schutzsysteme für einen Einsatz in hochdynamischen Versorgungssituationen: Mit steigender Zahl dezentraler Erzeuger muss zwangsläufig die Anzahl aktiver schutz- und leittechnischer Komponenten, auf Anlagenseite aber auch innerhalb der bestehenden Netzinfrastruktur anwachsen, um notwendige Schutz- und Steuerungsfunktionen für die Versorgungssicherheit in den Netzen zu gewährleisten. Hier sind einerseits das zuverlässige Erkennen und die rechtzeitige Reaktion auf Fehlerarten unterschiedlicher Dringlichkeit (Kurzschlüsse, Versorgungsinstabilitäten etc.) notwendig. Andererseits ist eine kontinuierliche Rekonfiguration der verbauten Schutzsysteme auf aktuelle Versorgungskonfigurationen erforderlich, um Fehlauslösungen aufgrund unvorhersehbarer Situationen zu vermeiden.
Bildung für eine nachhaltige Energieversorgung und -nutzung – Energiebildung im Informatikunterricht
Um die Relevanz von IKT für die Energieversorgung auch in der Gesellschaft transparenter zu machen und so auch zur verantwortungsvolleren, effizienteren Nutzung beizutragen, sind diese Themen auch Teil didaktischer Forschung und Entwicklung. Dabei können z.B. ausgehend von konkreten Anlagen in den Schulen selbst, die oftmals als Betreiber einer Solaranlage zur Energieerzeugung beitragen, die o.g. informatischen Herausforderungen bei der Energieversorgung in Unterrichts- und Lehrerfortbildungskonzepte für einen praxisorientierten, lebensnahen Informatikunterricht einfließen und so zur Verankerung des Themas IKT für die Energieversorgung auch in Schulcurricula beitragen.