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Forschungsüberblick

Anschaulicher Forschungsüberblick der AG Angewandte Analysis und Mathematische Modellierung

Differentialgleichungen, insbesondere partielle Differentialgleichungen, spielen eine fundamentale Rolle in der Beschreibung oder Modellierung von Naturvorgängen. Nahezu die gesamte Theoretische Physik ist in Form von Differentialgleichungen formuliert. In diesem Zusammenhang meint Analysis die Untersuchung der Gleichungen auf klassische Weise, d.h. durch Nachdenken mit Papier und Bleistift und im wesentlichen ohne Computer. Dabei werden oft die Gleichungen nicht eigentlich gelöst, sondern nur Eigenschaften der Lösungen beschrieben.
Neben der Analysis spielt jedoch auf Grund immer höherer Computerleistungen die sogenannte numerische Lösung oder Simulation der partiellen Differentialgleichungen eine wichtige Rolle; Numerik erlaubt, Phänomene quantitativ zu berechnen, die durch Experimente kaum zu studieren sind. Das Naturverständnis kann verbessert werden, kostspielige Versuchsanordnungen können entfallen, wertvolle Rohstoffe können eingespart werden. Die mathematische Vorausberechnung technischer Prozesse hat eine immense Bedeutung für zahlreiche Schlüsselbereiche der Wirtschaft.
Trotz immer schnellerer Rechner wird es aber auch in Zukunft im allgemeinen unmöglich bleiben, räumlich dreidimensionale Probleme oder Probleme mit komplexer Dynamik ohne dem Problem angepasste Verfahren numerisch befriedigend zu lösen, d.h. ein numerisches Lösen von Differentialgleichungen setzt zuerst ein analytisches Verständnis dieser voraus. Hier folgen zwei Beispiele für Arbeitsgebiete der AG, in denen Analysis zunächst zur Klärung grundlegender Fragen beiträgt, und dann zum Teil im Wechselspiel mit Numerik auch quantitative Berechnungen ermöglicht. Für Details (z.B. die Gleichungen!) verweisen wir auf die Publikationen, siehe Forschung (oder english version).

Modelle der Nichtlinearen Optik

Die digitale Datenübertragung in einem Glasfaserkabel geschieht grob vereinfacht dadurch, dass Nullen und Einsen nacheinander übertragen werden. Die physikalische Realisierung einer 1 geschieht durch einen kurzen Lichtpuls. Dieser besteht physikalisch gesehen aus einer modulierten elektromagnetischen Welle. Die numerische Simulation dieses System in einem 1000km langen Kabel mittels der Maxwellgleichungen ist unmöglich: Die Wellenlänge von Licht ist im Mikrometer Bereich, d.h. ca. 10^(-6)m. Um die elektromagnetische Welle aufzulösen, muss das Kabel also in ca 10^(-9)m lange Teile zerlegt werden. Bei einer Länge von 1000km= 10^6m ergeben sich also insgesamt 10^12 Punkte, zuzüglich radialer Richtungen des Kabels und Zeitdiskretisierung, eine selbst für moderne Computer viel zu große Zahl. In nichtlinearen Medien wie Glasfasern wird daher üblicherweise eine Näherungsgleichung, die (nichtlineare) Schrödingergleichung, für die Einhüllende des Pulses hergeleitet, was zu einer gewaltigen Dimensionsreduktion führt. In vielen Fällen lässt sich mathematisch zeigen, dass diese Näherung richtige Vorhersagen erlaubt.

 

Ein relativ neues Forschungsgebiet in diesem Zusammenhang ist die (mathematische) Plasmonik , bei der die Interaktion von Licht und Metallen untersucht wird; hier arbeiten wir u.a. mit dem IfP zusammen.

Musterbildung und Selbstorganisation

Komplexe Strukturen (z.B. Muster in Tierfellen, in Wolken, in Sand, in Strömungen) in der Natur werden häufig durch sogenannte Selbstorganisation erzeugt, auf diversen Skalen, z.B. (klicke auf Bilder für weitere Infos, alle aus wikipedia commons):

Spiralgalaxie NGC 6384, Great Red Spot of Jupiter

Wirbelstrasse hinter Juan Fernandez Inseln, "Tiger-Bush" Vegetationsmuster, "Roll Cloud"

Dünen im Erg Chebbi Jaguar, Kastenfisch,

Orchidee, Tintenfisch, Dictyostelium (Bakterium)


Hier einige (einfache) eigene Simulationen zu: Konvektionsrollen im Rayleigh-Benard system, ein Muster im Schnakenbergsystem, Phasentrennung in der 2D Allen-Cahn Gleichung, eine 2D Navier--Stokes Simulation, und Bakterienmuster im Watt
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Es gibt eine Reihe von physikalischen Experimenten (z.B. das Benardproblem), oder das Taylor-Couette-Problem, anhand derer diese Vorgänge untersucht werden. Auch hier sind die zugehörigen Modelle partielle Differentialgleichungen, z.B. in der Form von Reaktions-Diffusionssystemen oder der Navier--Stokes Gleichungen.

Obwohl vollkommen verschiedene physikalische oder biologische Systeme betrachtet werden, weisen sie alle das gleiche universelle Verhalten auf. Grundlegende Vorhersagen zu Mustern (Wellenlänge, prinzipielle Form, Parameterbereich des ersten Auftretens, erste Stabilitätsanalysen) sollten und können dabei wieder analytisch gewonnen werden, denn der Instabilitätsmechanismus der trivialen Lösung ist oft die Turing--Bifurkation. Ähnlich wie bei der Reduktion von Wellengleichungen zur Nichtlinearen Schrödingergleichung führt hier ein Skalenseparierung zu vereinfachten Gleichungen vom Ginzburg--Landau Typ.

Zur Verfolgung verzweigender Lösungen nach der Bifurkation und zum Aufspüren weiterer Bifurkationen wird Analysis meist mit Numerik in numerischer Pfadverfolgung kombiniert. Hierzu haben wir kürzlich das Paket PDE2path für 2D elliptische Systeme entwickelt.
In Zusammenarbeit mit dem ICBM untersuchen wir gegenwärtig Systeme zur Beschreibung der Musterbildung von Bakterien im Watt. Ausserdem: Quorum sensing ...

Instabilitäten von Filmströmungen

Die Strömung eines Flüssigkeitsfilmes ist ein physikalisches System mit unzähligen technischen Anwendungen wie z.B. der Beschichtung einer Folie oder schlicht dem Wischen einer Tafel oder einer Windschutzscheibe. Das System besitzt eine ausgesprochen interessante Dynamik, welche mathematisch bislang nicht gut verstanden ist. Wieder erhält man hier durch Reduktionsmethoden wichtige Einblicke.

Ausblick

Dieser kurze Überblick sollte beispielhaft einige Forschungsprojekte andeuten und vermitteln, dass die Angewandte Analysis sich aus mathematischer Sicht mit aktuellen naturwissenschaftlichen und technischen Fragestellungen beschäftigt. Der besondere Reiz besteht dabei stets in Wechselspiel und gegenseitiger Befruchtung zwischen Mathematik und Anwendungen, welche immer wieder zu neuen Forschungen Anlass geben: neue Fragestellungen verlangen oft eine neue Mathematik, und andererseits erlaubt die Anwendung von in anderem Zusammenhang gewonnenen neuen mathematischen Methoden die Lösung (oder effizientere Lösung) von Anwendungsproblemen.

Weitere Informationen inkl. Veröffentlichungen zur Forschung der Arbeitsgruppe Angewandte Analysis und Mathematische Modellierung finden Sie z.B. hier.

(Stand: 19.01.2024)  | 
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