Pressemitteilungen

20. Dezember 1996   246/96

Behinderte Frauen: Allzu oft allein und ohne Arbeit

Oldenburg.
Im Auftrag des Nordrhein-Westfälischen Ministeriums für die Gleichstellung von Frau und Mann hat die Oldenburger Behindertenpädagogin Dr. Mathilde Niehaus (Fachbereich 1 Pädagogik, Institut EW 2 Sonderpädagogik) eine Studie zur „Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen in Nordrhein-Westfalen“ erstellt und ihre Ergebnisse im Rahmen einer Tagung „Mittendrin? Frauen und Mädchen mit Behinderungen in der Arbeitswelt“ vorgestellt.

Niehaus schätzt in der Studie die Zahl der in Nordrhein-Westfalen lebenden weiblichen Schwerbehinderten zwischen 15 und 62 Jahren auf über 280.000; das sind 5 % der Frauen dieser Altersklasse. Diese sind oft mehrfach benachteiligt:

  • 58 % haben keine abgeschlossene Berufsausbildung;
  • über die Hälfte der arbeitslosen Frauen mit Behinderungen sind langzeitarbeitslos;
  • 41 % liegen mit einem Nettoeinkommen von 1000,- bis 1400,- Mark am unteren Ende der Einkommensskala und verfügen damit in der Regel über weniger Geld als behinderte Männer;
  • behinderte Frauen sind gegenüber behinderten Männern in der beruflichen Rehabilitation mit 33 % unterrepräsentiert;
  • überdurchschnittlich viele behinderte Frauen leben allein.

Das Gutachten gibt die Forderungen der Betroffenen nach Unterstützung von Netzwerken und Beratungszentren zur Stärkung der Selbsthilfe und der Selbstbestimmung, nach Alternativen zu Heim und stationärer Pflege und nach Schaffung eines Gleichstellungsgesetzes an die Politik weiter. Deren Aufgabe wird mit der Schaffung von Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben ohne geschlechtsspezifische und behinderungsspezifische Benachteiligungen definiert.

Zusätzlich seien aber die Betroffenen immer wieder selbst gefordert, ihre Interessen zu artikulieren und auf Ist-Soll-Diskrepanzen hinzuweisen, erklärt Niehaus und zitiert eine Gesprächspartnerin: „Wir werden es vielleicht schaffen, daß da mal bei der Landesregierung Gehör gefunden wird. Ich weiß, wie viele vertreten sein möchten, sich aber gar nicht raustrauen; wenn man die motivieren kann und sagen kann: macht doch mal was und trefft euch doch mal; daß man dann auch wieder dieses Selbsthilfepotential fördern kann.“

Die Nordrhein-Westfälische Ministerin für Gleichstellung, Ilse Ridder-Melchers, forderte in einer Stellungnahme jeden Einzelnen auf, aktiv daran mitzuwirken, daß Frauen und Mädchen mit Behinderungen in der Gesellschaft nicht außen vor bleiben, sondern mittendrin leben können. Frauen mit Behinderungen seien doppelt benachteiligt: als Behinderte gegenüber Nicht-Behinderten und als behinderte Frauen gegenüber behinderten Männern. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit dürfe es kein weiteres Zurückdrängen behinderter Frauen aus dem Arbeitsmarkt geben, sagte die Ministerin.

Presse & Kommunikation (Stand: 01.10.2024)  | 
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