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31. Januar 1997   30/97

DGB-Chef Schulte: "Halbierung der Arbeitslosigkeit keine Utopie"

Oldenburg. "Nicht der Sozialstaat ist zu teuer, sondern die beschäftigungspolitische Untätigkeit von Politik und Wirtschaft ist es, die viel Geld verschlingt." Diese Auffassung vertrat heute der DGB-Vorsitzende, Dieter Schulte, in seiner Rede anläßlich der Jahreshauptversammlung der Kooperationsstelle Hochschule - Gewerkschaften an der Universität Oldenburg. Die seit rund 15 Jahren betriebene Politik, die eine dramatische Zunahme der Arbeitslosigkeit in dieser Zeit zu verantworten habe, begreife die Globalisierung der Wirtschaft als schicksalhaft und weiche dem sich daraus ergebenden Kostendruck, so Schulte vor zahlreichen Hochschulangehörigen und GewerkschafterInnen.

Die Konsequenz dieser verfehlten Beschäftigungspolitik laute: Senkung der Lohnkosten und Sozialausgaben, Abbau der ArbeitnehmerInnenrechte, um die Gewinne noch weiter zu steigern und damit die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zu vergrößern. "Es wird ein Wettlauf um geringe Lohnkosten und niedrige Steuern in Gang gesetzt, bei dem am Ende alle die Verlierer sind. Diese Politik kann nicht aufgehen", so der DGB-Vorsitzende. "Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist nötig und möglich. Es ist eine politische Aufgabe mit oberster Priorität". Diese Auffassung sei zwar ebenso profan wie selbstverständlich und würde von jedem Vertreter der Bundesregierung oder der Arbeitgeberverbände in gleicher Weise geäußert, allerdings müsse man sich fragen, warum dann keine Konsequenz gezogen werde, so Schulte weiter. An klaren Alternativen und Handlungsmöglichkeiten mangele es jedenfalls nicht.

Die Alternative, die die Gewerkschaften zu bieten haben, wolle betriebswirtschaftliche Erfordernisse nicht außer Kraft setzen, sie aber um volkswirtschaftliche Rationalität und soziale Verantwortung von Politik und Wirtschaft ergänzen. Schulte: "Wir müssen die vorhandenen Gestaltungsspielräume nutzen, indem wir an die Vorteile unseres Wirtschaftsstandortes anknüpfen und nach Wegen suchen, wie diese Vorteile weiter ausgebaut werden können." In diesem Sinne müsse das hohe Qualifikationsniveau der ArbeitnehmerInnen durch eine Bildungs- und Ausbildungsoffensive erhalten werden. Durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Bereich des Umweltschutzes, der Bio- und Gentechnologie sowie in der Informations- und Kommunikationstechnologie müsse die Bundesrepublik ihre Innovationsfähigkeit unter Beweis stellen. Der zentrale Standortvorteil der Infrastrukturausstattung müsse durch eine ökologisch orientierte Verkehrspolitik, vor allem durch den Ausbau des Schienenverkehrs und der transeuropäischen Netze zukunftsweisend erweitert werden. Und letztlich gelte es, den seit Jahren bestehenden Reformstau in der Öffentlichen Verwaltung durch mehr Kundenorientierung und Effizienz aufzulösen.

Einen der entscheidenden Standortvorteile, die die Bundesrepublik zu bieten habe, sah Schulte in seiner Rede besonders gefährdet: "Das Grundverständnis von Sicherheit und sozialem Konsens gerät nach meiner Auffassung mehr und mehr aus den Fugen", gab Schulte zu bedenken. Völlig sicher sei, daß weder Verunsicherung noch sozialer Unfrieden, weder das Gerede über den angeblichen Wohlfahrtsstaat noch die faktisch betriebene Politik der Umverteilung von unten nach oben der Nährboden für einen beschäftigungspolitschen Aufbruch und für eine Innovationsoffensive sei. "Solange sich Politik und gesellschaftliche Gruppen gegenseitig in die Schützengräben treiben, verstreicht wertvolle Zeit für die Lösung der vor uns stehenden Aufgaben", mahnte der Gewerkschafter.

Wenn die Gewerkschaften Sicherheit und sozialen Konsens einforderten, bedeute das aber nicht, das Einsparungen grundsätzlich ausgeklammert werden müßten. Allerdings sei es unverzichtbar, daß es dabei sozial gerecht zugehe, so Schulte. Unverzichtbar sei auch, daß alle Beteiligten sich von ihren "liebgewordenen Ideologien" lösten. Diese Bereitschaft scheine aber genau bei der Regierungskoalition und bei den Arbeitgebern zu fehlen. Gespart würde an den falschen Stellen, vor allem aber an Mitteln für eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Mit dem Einspa

(Stand: 19.01.2024)  | 
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