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13. April 1997 83/97
"Bahnbrechende Grundlegung zur Ästhetik des 18. Jahrhunderts" Germanisten legen Quellenbiographie zur Rhetorik vor
Oldenburg. Im April erscheint nach sechsjähriger Forschungsarbeit die 1.500 Seiten starke "Quellenbiographie zur Rhetorik, Epistologie und Homiletik" des 18. Jahrhunderts (Verlag Frommann-Holzboog, 3 Bände, 1450,- DM). Die Arbeitsgruppe unter dem Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Joachim Dyck wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Mittel der Universität Oldenburg gefördert. Aus Anlaß der Herausgabe des Werkes wird von Mitte April bis Mitte Mai eine Ausstellung in der Landesbibliothek (Pferdemarkt) über die Rolle der Rhetorik im 18. Jahrhundert gezeigt. Zur Eröffnung am 18. April, 18.00 Uhr, spricht die Oldenburger Germanistin Jutta Sandstede.
Die grundlegende Bedeutung der Rhetorik für die Theorie der Literatur und ihre Praxis in Deutschland des 18. Jahrhunderts ist heute unbestritten, ihre Präsenz durch die Forschung der letzten Jahre bestätigt. Aus dem literarischen und geselligen Leben von Gottsched und Lessing, von Herder und Wieland, von Schiller und Friedrich Schlegel ist die Rhetorik nicht wegzudenken. Dennoch war die Frage noch offen, mit welcher Intensität und in welchen Formen die Rhetorik im geistigen und politischen Leben präsent war: In welchem Verhältnis stand sie zur Ästhetik, Philosophie und Ethik? Welchen Rang behielt sie an Schulen und Universitäten bis zum Ende des Jahrhunderts? Um diese Fragen zu klären, liegt die "Quellenbibliographie zur Rhetorik, Epistologie und Homiletik" vor, eine bahnbrechende Grundlegung zur Ästhetik des 18. Jahrhunderts, die die Forschungen zur gesamten Literaturtheorie der Aufklärung und des Sturm und Drang in Deutschland verändern wird. Für die Literatur des 18. Jahrhunderts spielt die Rhetorik die gleiche Rolle wie für die europäische Literatur vom Mittelalter bis zum Ende des Barock: Sie ist die einzig maßgebende Lehre von der Textproduktion, die in den höheren Schulen und Universitäten vermittelt wird. Sie ist aber auch verantwortlich für die Textexegese, auf der Luther aufbaut.
Für das 17. und 18. Jahrhundert war die Rhetorik das einzige Modell sowohl der literarischen Produktion und Rezeption als auch der literarischen Hermeneutik. Die Rhetorik vermittelte die klassische literarische Bildung, an sie wurde der Traditionskomplex humanistischer Philologie delegiert: Solange schöne Literatur und ihre theoretische Begrifflichkeit etwas mit der Absicht zu tun hatten, Gedanken und Ideen zu vermitteln und auf andere Menschen wirken zu wollen - und das war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts der Fall -, so lange war die Rhetorik als Steinbruch mit bereits gut und vorbildlich formulierten Einsichten da. Und der Rhetorik hat sich die Literatur und ihre Theorie bedient, das 17. Jahrhundert auf seine, das 18. Jahrhundert auf eine andere Weise.
Kontakt: Prof. Dr. Joachim Dyck, Arbeitsstelle Rhetorik, Fachbereich 11 Literatur- und Sprachwissenschaften, Universität Oldenburg, Tel.: 0441/798-3049. Privat: 0421/447709.