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5. Mai 1997 109/97
Zum Tod von Paulo Freire Südamerikanischer Pädagoge ist Ehrendoktor der Universität Oldenburg
Oldenburg. "Die pädagogischen Verdienste Freires um Lateinamerika können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden." Das erklärte der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Friedrich W. Busch zum Tod des Brasilianers und Ehrendoktors der Universität Oldenburg, Paulo Freire, der am vergangenen Freitag in São Paulo im Alter von 76 Jahren starb. Freire sei ein Pädagoge für die Unterdrückten und Vermittler einer Pädagogik der Hoffnung gewesen. Seine Erkenntnisse im Bereich der Sozialarbeit, der Kindergartenpädagogik und der Betreuung von Jugendlichen hätten aber auch in Europa tiefe Spuren hinterlassen. Er werde als einer der größten Pädagogen des ausgehenden 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen, betonte Busch. Am 7. Juli wollte Freire nach Oldenburg kommen, um seine Urkunde als Ehrendoktor des Fachbereichs 1 entgegenzunehmen.
Paulo Freires Hauptschriften "Pädagogik der Unterdrückten" und "Erziehung als Praxis der Freiheit" wurden in alle Weltsprachen übersetzt. Ausgangspunkt und Hintergrund seiner Pädagogik ist die Lebenswelt der brasilianischen Landbevölkerung. Für sie entwickelte er eine Methode, mit der Lesen und Schreiben innerhalb von nur 40 Unterrichtsstunden vermittelt werden kann. Wegen seines Engagement für die verarmte Landbevölkerung wurde Freire 1964 von den damaligen diktatorischen Machthabern des Landes verwiesen und kehrte erst 1980 wieder nach Brasilien zurück. Im Auftrag der UNESCO entwickelte er in Chile und anderen südamerikanischen Ländern seine Methoden weiter und konzipierte nach dem Zusammenbruch der Somoza-Diktatur die Alphabetisierungsoffensive in Nicaragua. Als Berater der UNESCO, der lateinamerikanischen Bischofskonferenz und als Sekretär des Weltkirchenrates in Genf hatte der brasilianische Pädagoge wesentlichen Anteil an der Gestaltung der Bildungspolitik in den Entwicklungsländern Südamerikas und Afrikas. Als Experte für die Zusammenhänge von Bildung und Armut war Freire Gast zahlreicher internationaler Kongresse und auch Gastprofessor an der Harvard University (USA).
Kontakt: Prof. Dr. Friedrich W. Busch, Fachbereich 1 Pädagogik, Tel.: 0441/798-4909