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7. Mai 1997 114/97
Nicht Werther, sondern Casanova sein
In der modernen partnerschaftlichen Beziehung werden zahlreiche Liebesbeweise eingefordert
Oldenburg. "Sie soll mich begehren. Mehr als ich sie begehre. Sie soll mich ausschließlicher und länger lieben, als ich sie liebe." Das klingt wie das unverschämte Geständnis eines Casanovas im intimen Dialog mit seinem Freund. Und doch ist in Wirklichkeit der Wunsch nach unerschütterlichen Beweisen in fast jeder modernen Liebesbeziehung gegenwärtig. Denn kein anderes Gefühl ist mit so großer Hoffnung und so vielen Erwartungen verbunden wie die Liebe. "Es war Liebe" sagen auch heute noch die meisten Verheirateten, wenn man sie fragt, warum sie den Bund fürs Leben eingegangen sind. Aber was heißt es, wenn die Beziehung scheitert? Häufig sind nicht einzelne Gründe schuld, wenn ein Paar sich trennt, sondern nur eines zählt: die Gefühle, die die Partner füreinander empfinden, lassen nach: Die Liebe ist gescheitert. Grund genug also auch für die Wissenschaft, immer wieder genau nachzufragen, was wir meinen, wenn wir von Liebe reden.
Prof. Dr. Ulrich Mees, Psychologe an der Universität Oldenburg, hat in der jetzt erschienenen Ausgabe (Nr. 25) von EINBLICKE, dem Forschungsmagazin der Universität Oldenburg, Ergebnisse einer empirischen Untersuchung vorgelegt, mit denen er deutliche Eigenschaften der partnerschaftlichen Beziehung benennen kann (den Artikel finden Sie hier). Hauptsächlich junge Leute hatte er aufgefordert, Liebe in verschiedenen Phasen ihrer Beziehungen zu beschreiben. Er fand heraus, daß eine große Unsicherheit die Liebenden begleitet. Das zeige sich daran, daß die eigene Liebe ganz anders bewertet wird als die Liebe, die man vom Partner erwartet, erläutert Mees. Der Partner soll z.B. "mehr Vertrauen zu einem haben als man selbst zu ihm hat". Bemerkenswert sind auch die Aussagen, daß der/die Liebste einen "ausschließlicher" und "länger" lieben soll als man selbst. Jedenfalls wird mehr erwartet, als man selbst zu zeigen bereit ist. Das gilt für Frauen wie Männer gleichermaßen. Für die Psychologie zeigt sich hier eine "vorteilhafte Asymmetrie" in der eigenen und der Partnerliebe, aber kann sie sie auch erklären?
Auf den ersten Blick scheint man sich wichtiger zu nehmen als den anderen. Bei tieferer Überlegung kommt heraus, daß es eine große Unsicherheit ist, die spürbar wird. Mees vermutet, daß es die Angst ist, bei einseitiger Liebe emotional verletzt zu werden. Deshalb wollen Frauen und Männer ganz sichergehen, daß der/die andere einen liebt und verlangen immer wieder Beteuerungen und Beweise. So gehen sie der Gefahr aus dem Wege, unerwidert zu lieben. Sicherlich spielt auch die allgemeine Tendenz der Individualisierung eine große Rolle. Da die intimen Sozialbeziehungen immer seltener werden, stellen viele gerade an die Ægroße Liebe" überhöhte Ansprüche. In einer individualistisch geprägten Gesellschaft wird es auch zunehmend schwieriger, für soziale Tugenden wie "selbstlose Liebe" einzustehen. Wer aber möglicherweise in der Paarbeziehung egoistisch denkt und handelt, stellt die Liebe von Anfang an auf harte Bewährungsproben.
Noch etwas hat sich verändert im Vergleich zu früheren Jahren: Die Liebe ist kein so großes Mysterium mehr, wie in alten Mythen behauptet wird. So ist zum Beispiel schon länger wissenschaftlich geklärt, daß Verliebtsein und Liebe sich gewaltig unterscheiden. Sie sind die zwei großen aufeinanderfolgenden Phasen einer Beziehung, und beide weisen nach Mees' Studie ganz bestimmte Gemeinsamkeiten auf, zum Beispiel "Zärtlichkeit" und "Freude übers Zusammensein". So weit, so populär. Aber ob jeder behaupten kann, die Unterschiede beider Phasen zu kennen? Mees gibt diese Antworten: Verliebte empfinden "eine starke körperliche Sehnsucht" nach der geliebten Person. Das sind die berühmten "Schmetterlinge im Bauch", das Herzklopfen und das Kniezittern. Die spätere Liebe wird so nicht mehr beschrieben, heißt es in der Studie. Verliebte