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18. Juni 1998 187/98
Stellungnahme zum gefälschten "offenen Brief"
Oldenburg. Zum gefälschten "offenen Brief" an das Niedersächsische Innenministerium hat das Institut für Bildung und Kommunikation in Migrationsprozessen (IBKM) der Universität Oldenburg am 17. Juni 1998 einstimmig die folgende Stellungnahme beschlossen:
»Unter Benutzung des Briefkopfes der Universität Oldenburg und des IBKM sowie der nachgemachten Unterschrift von Prof. Dr. Rolf Meinhardt haben Unbekannte einen sogenannten Offenen Brief mit Datum vom 8.6.1998 an den Niedersächsischen Innenminister verfaßt, in dem der Erlaß vom 6.2.1998 zur "Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer mit ungeklärter Staatsangehörigkeit" scharf kritisiert und seine unverzügliche Rücknahme gefordert wird. Dieser Brief wurde den Mitgliedern des IBKM mit einem ebenfalls gefälschten Begleitschreiben zur Kenntnis gegeben.
Nach Auffassung des IBKM konnten die anonymen VerfasserInnen nicht ernsthaft davon ausgehen, daß ihre Fälschung unentdeckt bliebe, und sie wußten daher, daß ihr Versuch, Druck auf den Innenminister auszuüben, wirkungslos bleiben mußte. Insofern sieht das IBKM hierin den Versuch, nicht die konkrete Situation der vom Erlaß betroffenen Flüchtlinge zu verbessern, sondern allein das Landesprojekt "Dezentrale Flüchtlingssozialarbeit in Niedersachsen" in Mißkredit zu bringen, da es sich offenbar aus der Sicht der Fälscher nicht politisch korrekt zu dem Erlaß verhalten hat.
Die VerfasserInnen versuchen, durch eine gezielte Vermischungs- und Verwirrtaktik die unabhängige und qualifizierte Flüchtlingsberatung zu diskreditieren und ihre Weiterexistenz leichtsinnig aufs Spiel zu setzen: denn gemäß Erlaß haben explizit allein die - den Weisungen des Innenministeriums unterstellten - Sozialdienste der Zentralen Anlaufstellen in Braunschweig und Oldenburg an der Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen mitzuwirken. Die Fachkräfte der von Kirchen, Verbänden und Vereinen getragenen dezentralen Flüchtlingssozialarbeit sind an diesem Verfahren in keiner Weise beteiligt; sie werden in dem Erlaß nicht einmal andeutungsweise erwähnt.
Die Veröffentlichung des "Offenen Briefes" in der Presse zeigt fatale Wirkungen: Die in dem Brief vorgenommene Vermischung der Aufgaben der Sozialdienste und der dezentralen Flüchtlingssozialarbeit hat bei Flüchtlingen und ehrenamtlichen Kräften bereits zur Verunsicherung über die Unabhängigkeit dieser Stellen geführt und die Sorge entstehen lassen, die Beratungsarbeit solle zukünftig insbesondere auf die Aufenthaltsbeendigung verpflichtet werden.
Im übrigen steht die dezentrale Flüchtlingssozialarbeit generell nicht unter der Verantwortung des Innenministeriums, wie der Brief glauben machen will, sondern des Niedersächsischen Sozialministeriums unter Federführung der Äusländerbeauftragten des Landes. Eine "Neudefinition der Aufgaben der Flüchtlingssozialarbeit", wie sie die VerfasserInnen des gefälschten Briefes behaupten, kann deshalb mit dem Erlaß nicht verbunden werden. Eine solche Weisung von Seiten des Innenministers wäre wegen der fehlenden Zuständigkeit auch gar nicht möglich. Ebensowenig ist es daher an ihm, "Klarheit über die Rolle und Zukunft der Flüchtlingssozialarbeit in Niedersachsen" zu schaffen. Es bestand oder besteht daher überhaupt kein Anlaß - wie es das Schreiben fordert -, ein Junktim zwischen dem Erlaß und dem Projekt zu konstruieren.
Der "Offene Brief" konterkariert unter dem Mantel gespielter Besorgtheit nicht nur die Intentionen des dezentralen Flüchtlingsprojekts, er stellt auch einen infamen Angriff auf die wissenschaftliche und menschliche Integrität von Rolf Meinhardt sowie auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, indem die VerfasserInnen ihn für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren versuchen. Die Fälschung des Briefkopfes und der Unterschrift hält das IBKM für ein absolut untaugliches Mittel zur Verbesserung der Lage der Flüchtlinge wie für einen offenen wissenschaftlichen und politischen Diskurs. Bei aller berechtigten Kritik, die man an den vom Erlaß vorgesehenen Maßnahmen vorbringen könnte, weist das IBKM daher diese Form des Protestes der anonymen Fälscher in aller Schärfe zurück.«