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23. September 1998 265/98
„Lernen mit beschränkter Haftung"
Oldenburg. Wer die Schule zu retten versucht, muß die Bildung zu Grabe tragen. Diese Auffassung vertritt die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Marianne Gronemeyer (Fachhochschule Wiesbaden), die den Eröffnungsvortrag zur Pädagogischen Woche am Montag, 28. September 1998, 11.00 Uhr, im neuen Hörsaalzentrum der Universität halten wird. Kürzlich hatte Gronemeyer ihre Thesen in dem Buch „Lernen mit beschränkter Haftung. Über das Scheitern der Schule" veröffentlicht. In ihrem fulminanten Nachruf auf eine „geistlose Institution" macht die Pädagogin deutlich, daß die Schule keineswegs an ihrer Rückständigkeit oder an der Orientierungslosigkeit ihrer Insassen kranke, sondern an inneren Widersprüchen, die ihr von Anfang an eingeschrieben seien. Die wirkliche Misere der Schule bestehe darin, daß sie nicht dürfe, was sie solle: Bildung verbreitern und zugleich knapp machen, Chancengleichheit gewähren und Ungleichheit produzieren, soziale Tugenden vermitteln und auf den Konkurrenzkampf vorbereiten. Gronemeyers ernüchterndes wie wehmütiges Fazit lautet, daß es nicht möglich sei, Schule wieder Sinn und Leben einzuhauchen. Sie werde immer als besonders widersprüchliche Institution fortexistieren. - Marianne Gronemeyer stellt ihre Thesen auch in dem Forum „Bildung total - Schule egal?" vor, das ebenfalls am Montag, 14. September 1998, 14 Uhr, im neuen Hörsaalzentrum der Universität stattfindet. Moderiert wird die Diskussionsveranstaltung von dem Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Dietrich Raapke.
Ganz anders sieht die Pädagogin Dr. Susanne Thurn (Laborschule Bielefeld) das Thema Schule. Sie fordert in ihrem Vortrag „Neue Schulen braucht das Land! - Pädagogischer Aufbruch in einer lethargischen Gesellschaft?" zur Erarbeitung eines Schulprogramms auf, das für das Kollegium die Chance biete, sich über Schwerpunkte ihrer pädagogischen Arbeit zu verständigen (Dienstag, 29. September 1998, 9.00 Uhr, Hörsaalzentrum). Schulprogramme müßten die Elemente zusammenfügen, die langfristig das Handlungskonzept einer Schule bestimmen, über das insgesamt neu nachgedacht werden müsse, um Kindern und Jugendlichen im Zeitalter von Umbrüchen und Wandlungsprozessen Handwerkszeug für die Bewältigung der Zukunft geben zu können. Angesichts der augenblicklichen Lethargie der Gesellschaft sei der pädagogische Aufbruch allerdings schwierig.
Die diesjährige Pädagogische Woche steht unter dem Motto „Bildung total - Schule egal?". Zu den ca. 170 Veranstaltungen werden rund 2.000 TeilnehmerInnen erwartet. Es handelt sich um die größte Fortbildungsveranstaltung für PädagogInnen in Deutschland.