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21. Dezember 1998   367/98

Ehrenamt: Persönlicher Nutzen darf nicht fehlen

Oldenburg. Ehrenamtliche Arbeit ist in den letzten Jahren wieder verstärkt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Auf der einen Seite gelten die vielen neuen Formen ehrenamtlicher Tätigkeiten - vor allem in den Bereichen Gesundheit und Soziales sowie Sport und Freizeit - in Zeiten zunehmender Individualisierung als Ausdruck eines positiven Engagements für das Gemeinwohl. Andererseits bestehen Bedenken, daß das freiwillige Engagement als "soziale Ressource" instrumentalisiert und in den Dienst einer sozialen Demontage gestellt wird. Außerdem ist es nicht unproblematisch, daß sich hier in besonderem Maße Frauen engagieren, wodurch sich Arbeitsstrukturen und Rollenmuster fortsetzen, die Frauen benachteiligend. Überdies trägt die schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt und eine heute vielfach übliche geringfügige Entlohnung ehrenamtlicher Tätigkeiten dazu bei, daß diese mitunter in die Grauzone geringfügig bezahlter Arbeitsverhältnisse rutschen.

Vor diesem Hintergrund ist eine Diplomarbeit im Fach Psychologie an der Universität Oldenburg entstanden, für die ehrenamtlich tätige Frauen befragt wurden. Der Verfasserin Elke Vajen ging es darum, die Motive für soziales Engagement sowie positive Impulse und Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch negative Begleiterscheinungen des Ehrenamts zu erfassen.

Elke Vajen, ursprünglich Pharmazeutisch-Technische Assistentin, ist auch selbst ehrenamtlich tätig. Sie arbeitet seit mehreren Jahren beim Notruf für Frauen und Mädchen sowie dem Kinder- und Jugendtelefon des Landkreises Oldenburg.

Die befragten Frauen benannten eine Vielzahl unterschiedlicher Motive für ihr Engagement. Neben der Erwartung, sich in gesellschaftliche Abläufe einmischen zu können, spielt der persönliche Gewinn eine bedeutende Rolle („Es kommt auch was für mich dabei rum. Ich entwickle mich dabei weiter."). So erhoffen sich einige Frauen durch das ehrenamtliche Engagement positive Auswirkungen für den beruflichen Werdegang. Für andere sind die Chancen der weitgehend selbstbestimmten Arbeitsgestaltung von besonderer Bedeutung („Ich arbeite lieber in solchen Kreisen, wo ich so quasi meine eigene Herrin oder Chefin bin.").

Einige Frauen nutzen das ehrenamtliche Arbeitsfeld, um sich in konstruktiver Weise mit neuen Rollen und Anforderungen auseinanderzusetzen. Gerade die Arbeit in Selbsthilfeeinrichtungen oder selbstinitiierten Projekten ist ein Versuch, innovative Lebens- und Arbeitsmodelle zu entwickeln. Der ehrenamtliche Arbeitsbereich wird außerdem dazu genutzt, Handlungskompetenzen zu erwerben. Diese können auch auf andere Lebensbereiche übertragen werden und werden häufig als Gewinn im Sinne eines persönlichen Wachstums erlebt („Ich habe sehr viele positive Erfahrungen gemacht, die ich beispielsweise mitnehmen würde, wenn ich denn mal wieder in meinem Beruf arbeiten würde.").

Die eher negativen Seiten des Ehrenamtes rücken dann besonders in den Vordergrund, wenn die Arbeit mangels einer Alternative, d.h. eines Arbeitsplatzes ausgeübt wird. Diese Frauen beurteilen ihre Tätigkeit relativ kritisch, obgleich auch hier der persönliche Nutzen letztlich stärker wiegt.

Die Autorin resümiert: „Ein bloßes Einfordern eines sozialen Engagements, wie es heute vielfach von politischer Seite geschieht, scheint wenig erfolgversprechend, wenn individuelle Vorstellungen und Bedürfnisse der Ehrenamtlichen nicht berücksichtigt werden und wenn es keine günstigen Bedingungen für das Ehrenamt gibt. Überdies darf das Ehrenamt nicht zum Ersatzarbeitsverhältnis verkommen."

Kontakt: Dipl.-Psych. Elke Vajen, Tel.: 0441/2047090

(Stand: 19.01.2024)  | 
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