Pressemitteilungen
Kontakt
Pressemitteilungen
28. November 2002 353/02
"Spur der Freiheit" Untersuchung über deutsche Wohnmobilisten
Oldenburg. Welche Freiheit kann man denn finden, wenn man in Europa im Wohnmobil unterwegs ist - auf vollgestopften Straßen und bei immer stärker eingeengten Stellmöglichkeiten? Keine Frage für die Wohnmobilisten. Sie schwören auf ihr Schlüsselmotiv "Freiheit", das sie auf ihren Touren erfahren. Das fand der Oldenburger Sozialgeograph Prof. Dr. Rainer Krüger heraus, dessen Studie über Wohnmobilisten "Spur der Freiheit - Menschen im Wohnmobil" jetzt in Stuttgart erschienen ist. *
Der Autor der Studie hatte im Ruhestand die Chance, im eigenen Reisemobil im Strom der Freizeitnomaden mitschwimmend dem ganz besonderen Lebensgefühl der über eine Million Wohnmobilreisender in Deutschland auf die Spur zu kommen. Herausgekommen ist aus den fast achtzig Intensivinterviews ein Facettenreichtum an Einstellungs- und Verhaltensbausteinen, "die die Begeisterung für das Wohnmobilreisen nachvollziehbar machen", sagt er. Das Schlüsselmotiv sei "frei sein" und drücke sich in vielen Aussagen der Wohnmobilisten aus: "Neues und anderes sehen", "Leute kennen lernen", "ungezwungenes Leben", "sich treiben lassen" ("weil man ja alles an Bord hat"), "bei Nichtgefallen weiterreisen", "mobil auf Wetter reagieren" und "überall bequem und frei stehen können".
Dennoch seien Wohnmobilisten nicht naiv gegenüber Zwängen der Gesellschaft - ein Paradoxon, so Krüger, mit dem man leben könne. Wohnmobilisten fühlten sich zwar nicht wirklich frei, freuten sich aber auf jede Möglichkeit, "einfach packen und losfahren" zu können.
Unterschiedliche Vorlieben im Reiseverhalten gibt es natürlich auch. Die einen fügen sich als organisierte Touristen den Routinen des Campingplatzlebens ("denn ich möchte doch noch `n bisschen zivilisiert leben"). Die anderen vagabundieren lieber offen und spontan herum und bevorzugen Stellplätze in Städten, bei Bauern und Winzern oder naturnah frei - "denn auf Campingplätzen sind Leute, die sich einigeln und voll mopsen ... das ist das Gegenteil von Freiheit", wie es einer seiner Interviewpartner ausdrückte.
Nicht alle Wohnmobilisten hängen auch überbordender Geselligkeit an. Viele bevorzugen einen individualistischen Reisestil und bleiben gern unter sich. Neunzig Prozent reisen als Paare, weshalb der Autor auch in einem Kapitel die Frage stellte: Was macht Wohnmobilreisen mit der Beziehung? Dabei fand er heraus: Für die Beziehung ist das Leben auf engem Raum eines Reisemobils eine Bewährungsprobe. Die einen fühlen sich in der Harmonie ihres Zusammenlebens bestätigt, für andere kann angestauter Beziehungsstress im Wohnmobil - bis hin zur Trennung - explodieren. Und für viele Aktiv-Ruheständler ist es eine neue Herausforderung, ihr Miteinander in einem neuen Lebensabschnitt noch einmal zu justieren.
Zu den eher verblüffenden Einsichten zählt für Krüger, wie wenig die flexible Reiseform dazu verführt, die Begegnung mit der Fremde und ihren Einheimischen sowie zur Natur zu suchen. Natur bekommen sie als willkommenen ästhetischen Landschaftshintergrund unbemüht beim Reisen mitgeliefert. Und was die zögerliche Haltung gegenüber Fremden angeht, sind es für nicht wenige Ängste, in der Konfrontation mit unbekannten Lebensweisen Verunsicherungen des eigenen Selbstwertgefühls zu erfahren. Will man für sich selbst Lebensenergien auftanken, belässt man es daher dabei, andersartige Lebenswelten lieber nur als Kulisse eigenen Wohlbefindens zu nutzen.
Reisen im eigenen Wohnmobil ist kein billiges Hobby. Im Neufahrzeug mit Wiederbeschaffung nach fünf Jahren liegen die Kosten durchschnittlich bei jährlich 19.000 Euro. So erklärt sich, dass die Reisemobilbranche in Deutschland jährlich über 2,5 Milliarden Euro umsetzt und der Wohnmobiltourismus deutscher Landsleute noch einmal eine Milliarde an Ausgaben in Europa, davon ca. 415 Millionen in Deutschland erbringt. Dennoch leisten sich diese Art des Reisens nicht nur Menschen mit großem Geldbeutel.
* Rainer Krüger: Spur der Freiheit - Menschen im Wohnmobil. DoldeMedienVerlag, Stuttgart 2002, 336 Seiten, 26 Abb., 61 Foto