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Melanie Unseld

 

27. Oktober 2009   467/09   Forschung

Ein großer Glücksfall
Cembalo-Konzert von Marianne Martines wieder entdeckt

Oldenburg. Es ist ein großer Glücksfall, wenn Kompositionen, die verloren schienen, von MusikwissenschaftlerInnen wieder gefunden werden. So gelang es Prof. Dr. Melanie Unseld, Hochschullehrerin für Kulturgeschichte der Musik an der Universität Oldenburg, kürzlich, ein verschollen geglaubtes Cembalo-Konzert der Wiener Komponistin Marianne Martines aufzuspüren und im Oktober dieses Jahres im Oldenburger Staatstheater zur Aufführung zu bringen.
Als Musikwissenschaftlerin, die über Musikerinnen der Wiener Klassik forscht, so Unseld, sei sie immer auf der Suche nach Quellen: Noten, Texten, Briefen, Stammbüchern, Nachlässen, Bildern etc. „Einiges habe ich auf diesem Weg bereits aufgefunden und die Forschungsergebnisse 2005 in dem Buch ‚Frauen um Mozart’ publiziert. Durch dieses Buch ist ein privater Sammler auf mich aufmerksam geworden, der in den 1970er Jahren die autographe Partitur des Martines-Konzerts erworben hatte.“
Martines (1744 - 1812), die als Komponistin, Cembalistin und Sängerin ihre Zeitgenossen tief beeindruckte, heute aber fast vergessen ist, gehörte zu den Berühmtheiten Wiens, ihr Salon war eine der ersten Adressen für Kultur, Politik und Wissenschaft. Kaiserin Maria Theresia und ihr Sohn, der spätere Joseph II., holten sie oft an den Wiener Hof und ihr Zeitgenosse Wolfgang Amadeus Mozart liebte es, vierhändig auf dem Cembalo mit ihr zu spielen. Ihre umfassende musikalische Ausbildung hatte Martines durch Joseph Haydn erhalten. Als komponierendes „Wunderkind“ in Wien bestaunt, berichten zeitgenössische Musiklexika über die Fülle und „Gelehrtheit“ ihres kompositorischen Werks: Martines komponierte mit Vorliebe Vokalmusik, vor allem Kantaten, Motetten, Messen und Oratorien, aber auch eine Sinfonie, zahlreiche Klaviersonaten sowie Cembalo-Konzerte.
Mit letzteren hat es eine auffallende Bewandtnis: Während im 19. Jahrhundert noch auf zwölf Cembalo-Konzerte verwiesen wurde, findet sich in heutigen Musiklexika der Hinweis auf lediglich drei Konzerte, die sich im Archiv der „Gesellschaft der Musikfreunde in Wien“ befinden. Der Verbleib der anderen neun Konzerte war bislang ungewiss. Zumindest in einem Fall aber ist dieser Befund zu revidieren, nachdem nun eins der vermissten Konzerte wieder aufgetaucht ist.
Die Partitur dieses Konzerts in E-Dur ist in Reinschrift erhalten. Es ist die Schrift einer 22-jährigen Frau, die den anspruchsvollen Cembalo-Part offenbar für sich selbst komponiert hatte. Begleiten ließ sie sich von einem Kammermusikensemble, das passgenau auf den Aufführungsort zugeschnitten war: Martines spielte häufig am Hof oder in ihrem Salon, aber nicht auf großer Bühne.
Nach der Wiederentdeckung des Konzerts ist es nun an der Musikwissenschaft, Licht in das Dunkel zu bringen, das die Komposition umgibt. Unseld hat sich zusammen mit Studierenden des Instituts für Musik die Partitur genauer vorgenommen: Fragen der künstlerischen Entwicklung von Marianne Martines, nach dem Einfluss ihres Cembalo-Lehrers Haydn, nach den Aufführungszusammenhängen, nach der „Gelehrtheit“, die Martines immer wieder attestiert wurde, lassen sich mit dem Blick in die Noten genauer beantworten. Die Forschung über das neu entdeckte Konzert stehe erst am Anfang, werde aber den musikgeschichtlichen Blick auf die Komponistin der Wiener Klassik erweitern helfen, sagte Unseld.

ⓘ www.musik.uni-oldenburg.de/
 
ⓚ Kontakt:
Prof. Dr. Melanie Unseld, Institut für Musik, Tel.: 0441/798-4770, E-Mail: melanie.unseld(Klammeraffe)uni-oldenburg.de
 
(Stand: 01.10.2024)  | 
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