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9. März 2021   030/21    Forschung

Mikroskopisch kleine Wurmlöcher als theoretische Möglichkeit

Oldenburger Physiker befassen sich mit hypothetischen Tunneln in der Raumzeit

Oldenburg. In vielen Science-Fiction-Filmen spielen Wurmlöcher eine wichtige Rolle – als Abkürzung zwischen zwei weit entfernten Orten des Weltalls. In der Physik sind diese Tunnel in der Raumzeit bislang allerdings rein hypothetische Gebilde. Ein Internationales Team um Dr. Jose Luis Blázquez-Salcedo von der Universität Oldenburg stellt nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters ein neues theoretisches Modell vor, das mikroskopisch kleine Wurmlöcher weniger exotisch erscheinen lässt als bisherige Theorien.

Wurmlöcher tauchen ähnlich wie Schwarze Löcher in den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie auf, die Albert Einstein 1916 aufstellte. Eine wichtige Annahme der Theorie ist, dass das Universum vier Dimensionen hat – drei Raumdimensionen und die Zeit als vierte Dimension. Zusammen bilden sie die sogenannte Raumzeit. Sie wird durch schwere Objekte wie Sterne gekrümmt, ähnlich wie ein Gummituch, in dem eine Metallkugel einsinkt. Die Krümmung der Raumzeit bestimmt, wie sich Objekte wie Raumschiffe und Planeten, aber auch Licht bewegen. „Theoretisch könnte die Raumzeit auch ohne schwere Objekte verbogen und gekrümmt werden“, erläutert Blázquez-Salcedo, der inzwischen an die spanische Universidad Complutense de Madrid gewechselt ist. Ein Wurmloch wäre demnach ein extrem stark gekrümmter Bereich der Raumzeit, der zwei miteinander verbundenen Trichtern ähnelt und zwei weit entfernte Orte wie ein Tunnel verbindet. „Mathematisch gesehen ist so eine Abkürzung möglich, jedoch hat noch nie jemand ein echtes Wurmloch beobachtet“, so der Forscher.

Ein solches Wurmloch wäre außerdem instabil: Würde beispielsweise ein Raumschiff hineinfliegen, so würde es sofort zu einem schwarzen Loch kollabieren, also einem Objekt, in dem Materie auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Die Verbindung zu anderen Orten des Universums wäre gekappt. Um das Wurmloch offen zu halten, benötigen bisherige Modelle eine exotische, nur theoretisch denkbare Form der Materie, die eine negative Masse hat, also weniger wiegt als nichts.

Blázquez-Salcedo und seine Kollegen Dr. Christian Knoll von der Universität Oldenburg und Eugen Radu von der Universidade de Aveiro in Portugal zeigen nun jedoch in ihrer Studie, dass Wurmlöcher auch ohne diese Annahme passierbar sein können. Die Forscher wählten dafür einen vergleichsweise einfachen, „semiklassischen“ Ansatz, wie sie schreiben: Sie verbanden Elemente der Relativitätstheorie mit Elementen der Quantentheorie und der klassischen Theorie der Elektrodynamik. Als Materie, die das Wurmloch durchqueren soll, betrachteten sie bestimmte Elementarteilchen wie beispielsweise Elektronen mitsamt ihrer elektrischen Ladung. Als mathematische Beschreibung wählten sie die Dirac-Gleichung, eine Formel, die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens gemäß der Quantentheorie und der Relativitätstheorie als so genanntes Dirac-Feld beschreibt.

Wie die Physiker in ihrer Studie berichten, ist es die Berücksichtigung des Dirac-Felds, das in ihrem Modell die Existenz eines für Materie durchquerbaren Wurmlochs erlaubt. Die Voraussetzung ist, dass das Verhältnis zwischen der elektrischen Ladung und der Masse des Wurmlochs einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Neben Materie könnten auch Signale – etwa elektromagnetische Wellen – die winzigen Tunnel in der Raumzeit durchqueren. Für interstellare Reisen wären die mikroskopisch kleinen Wurmlöcher, die sich das Team vorstellt, wohl nicht geeignet. Zudem müsste das Modell noch weiter verfeinert werden, um herauszufinden, ob es die eigenartigen Gebilde tatsächlich geben könnte. „Wir vermuten, dass die Wurmlöcher auch in einem vollständigen Modell existieren können“, sagt Blázquez-Salcedo.

Die Arbeit ist innerhalb des Graduiertenkollegs „Models of Gravity“ entstanden, das die Oldenburger Physikerin Prof. Dr. Jutta Kunz gemeinsam mit Prof. Dr. Claus Lämmerzahl vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen leitet. Neben der Universität Oldenburg sind noch weitere Universitäten und Forschungszentren beteiligt.

Originalartikel: Jose Luis Blázquez-Salcedo, Christian Knoll und Eugen Radu: “Traversable wormholes in Einstein-Dirac-Maxwell theory”, Physical Review Letters, journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.126.101102

Weblinks

Kontakt

Dr. Jose Luis Blázquez-Salcedo, E-Mail:

Presse & Kommunikation (Stand: 01.10.2024)  | 
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