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Leon Dlugosch

Meinhard Simon

26. Januar 2022   015/22    Forschung

Regional gut angepasst: Mikrobengemeinschaften im Atlantik

Umfangreiche Genomuntersuchungen ermöglichen Einblick in Mikrobengemeinschaften und ihre ökologischen Funktionen

Oldenburg. Auf den ersten Blick scheint der offene Ozean ein gleichförmiger Lebensraum zu sein: Wasser, soweit das Auge reicht. Ein Forschungsteam der Universitäten Oldenburg und Göttingen konnte nun anhand umfangreicher Daten zeigen, dass sich Gemeinschaften von Mikroben, sogenannten Prokaryonten, im Atlantik vom Südpolarmeer über die Tropen bis in gemäßigte Breiten dennoch regional unterscheiden. Demnach sind die Gemeinschaften und ihre Funktionen genetisch besonders gut an die jeweilige Umwelt angepasst. Nach Ansicht der Forschenden sorgen nicht nur Meeresströmungen und Umweltbedingungen, sondern auch Wechselwirkungen zwischen den Organismen dafür, dass sich unterschiedliche Gemeinschaften im Atlantik finden – ähnlich wie regional unterschiedliche Pflanzengemeinschaften an Land. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature Communications erschienen.

„Unsere Studie ist die erste, die die Mikrobengemeinschaften und ihre ökologischen Funktionen in den verschiedenen Teilen des Atlantiks differenziert untersucht hat“, erläutert der Oldenburger Mikrobiologe und Leiter des Teams Prof. Dr. Meinhard Simon. „Nur wenn wir diese funktionelle Biogeographie der Gemeinschaften besser kennen, können wir verstehen, wie sich diese an die gegebenen und sich im Zuge der Klimaerwärmung verändernden Lebensbedingungen in den Weltmeeren anpassen.“

Einzellige Mikroorganismen ohne Zellkern, sogenannte Prokaryonten, spielen in den globalen Stoffkreisläufen eine zentrale Rolle: Die winzigen Lebewesen setzen gewaltige Mengen an Kohlenstoff und anderen Elementen um – in den Meeren sogar in größerem Maße als an Land. Doch welche Prokaryonten mit welchen speziellen Stoffwechselleistungen diesen Umsatz in den unterschiedlichen Meeresregionen eines Ozeanbeckens bewerkstelligen, ist bisher nicht genau untersucht.

Das Forschungsteam hatte daher 2012 während zwei Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern entlang eines 13.000 Kilometer langen Transsektes vom Südpolarmeer bis in den Nordatlantik Proben nahe der Wasseroberfläche genommen. Im Labor extrahierten die Forschenden die DNA, das Erbgut, der Mikroben und sequenzierten sie. So erhielt das Team Informationen darüber, wie die Gemeinschaften zusammengesetzt sind und welche funktionellen Eigenschaften die Mikroben haben – welche Stoffe sie beispielsweise aus dem Wasser aufnehmen oder an welche Nährstoffkonzentrationen sie angepasst sind.

Im nächsten Schritt setzten die Forschenden die Ergebnisse dieser Metagenomanalysen in Bezug zu den im Wasser gemessenen Temperaturen und Nährstoffbedingungen und fassten die Gemeinschaften in verschiedene Gruppen (Cluster) von einander ähnlichen Proben zusammen. Berücksichtigte das Team dabei die Artenzusammensetzung oder die Stoffwechselfunktionen, konnten die Proben in zwei bis drei regionale Cluster gruppiert werden, die besonders das Südpolarmeer vom angrenzenden Atlantischen Ozean trennen.

Bei weiteren Untersuchungen fanden die Forschenden jedoch ein differenzierteres Bild: Sie erkannten insgesamt fünf Cluster, wenn sie zusätzlich unterschiedliche Genvarianten berücksichtigten. „Überrascht hat uns, dass viele der untersuchten Genvarianten nur in einem Temperaturbereich von etwa 8 Grad Celsius nachweisbar waren“, sagt Dr. Leon Dlugosch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität und Erstautor der Studie. Das bedeute, dass bestimmte Arten zwar in einem recht großen Bereich des Atlantiks mit größeren Temperaturunterschieden vorkommen und dort ähnliche Stoffwechselleistungen erbringen, erläutert er. „Aber diese unterteilen sich in geographisch hoch angepasste Populationen beziehungsweise Unterarten.“

Und nicht nur das: „Besonders erstaunlich ist außerdem, dass rund ein Viertel der gefundenen Mikrobengene bisher nicht bekannt war“, betont Mikrobiologe Simon. Diese Gene könnten für bisher unbekannte Stoffwechselfunktionen kodieren. „Vermutlich gibt es noch weitere interessante und für den globalen Stoffumsatz wichtige genomische Eigenschaften der Prokaryontengemeinschaften in den Weltmeeren zu entdecken“, sagt der Forscher.

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Die Forschungsarbeiten, die dieser Arbeit zugrunde liegen, fanden im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Transregio-Sonderforschungsbereichs „Roseobacter“ statt. Neben den Arbeitsgruppen Aquatische Mikrobielle Ökologie und Marine Sensorsysteme des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg waren Forschende des Instituts für Mikrobiologie an der Universität Göttingen an dem Vorhaben beteiligt.

Dlugosch, L., Poehlein, A., Wemheuer, B. et al. Significance of gene variants for the functional biogeography of the near-surface Atlantic Ocean microbiome. Nat Commun 13, 456 (2022). doi.org/10.1038/s41467-022-28128-8

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Bilder

  

Um Meeresmikroben mit einem speziellen Mikroskop, einem Epifluoreszenzmikroskop, sichtbar zu machen, werden die winzigen Organismen mit einem Fluoreszenzfarbstoff hellblau angefärbt. Foto: Meinhard Simon/ Universität Oldenburg

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Mit dem Forschungsschiff Polarstern war das Forschungsteam auf dem Atlantik unterwegs. Foto: Meinhard Simon/ Universität Oldenburg

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Kontakt

Prof. Dr. Meinhard Simon, Tel.: 0441/798-5361, E-Mail:

Presse & Kommunikation (Stand: 01.10.2024)  | 
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