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7. November 1997   300/97

Dreisprachenland Ostfriesland

Oldenburg. Viele junge OstfriesInnen sprechen heutzutage Englisch, aber wenige beherrschen die niederländische Sprache. Das war einmal anders. Der Sprachwissenschaftler Dr. Marron C. Fort zeigt in einem Beitrag in der neuesten Ausgabe Nr. 26 des Forschungsmagazins EINBLICKE der Universität Oldenburg auf, daß das Niederländische eine große Tradition in Ostfriesland hatte. Denn von 1650 bis 1850 war diese Region ein Dreisprachenland. Die Umgangssprache war Niederdeutsch, doch im reformierten Westen wurde auf niederländisch gelehrt und gepredigt und im lutherischen Osten geschah dies auf Hochdeutsch.

Der Beginn der Sprachspaltung lag in der Glaubensspaltung Ende des 16. Jahrhunderts. Im Jahre 1595 zwangen die Emder Bürger den Grafen Edward II dazu, seine Residenz nach Aurich zu verlegen. Er mußte sogar vertraglich auf viele seiner Rechte in Emden verzichten. Unterstützt wurden die Emder durch eine Schutztruppe der vereinigten Niederlande. Die Stadt näherte sich schließlich mit dem reformierten Südwesten immer weiter der kalvinistischen Kirche der Niederlande an. Der Osten Ostfrieslands, um Aurich herum, blieb weiterhin lutherisch. Die Glaubensprägung hatte großen Einfluß auf die Sprache, denn Reformierte und Lutheraner wurden getrennt unterrichtet. Zunächst war die Schulsprache überall das Niederdeutsche. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts jedoch wurde im lutherischen Osten auf Hochdeutsch gepredigt und im reformierten Westen auf Niederländisch. Die Schulen paßten sich diesem Wandel an.

Das Niederdeutsche war nicht mehr Schriftsprache, blieb aber die Umgangssprache in der ganzen Region. Auch wurde es vom Niederländischen beeinflußt, aber nicht verdrängt. Man weiß, daß viele Ostfriesen das Niederländische gelesen haben. Doch mit dem Verstehen und der Aussprache hatten sie Probleme. Trotzdem setzte sich das Niederländische vor allem als Handelssprache durch. So lassen sich in Emden ab 1740 nur noch niederländische Texte bei Zünften, Gilden und Innungen finden. Auch Testamente und Kaufverträge wurden ab 1700 überwiegend in dieser Sprache verfaßt.

Als 1744 Ostfriesland an Preußen fiel, änderte sich zunächst nicht viel. Der Emder Kirchenrat hielt am Niederländischen fest. Es blieb weiterhin Unterrichtssprache an den reformierten Schulen. Als jedoch die erste deutschsprachige lutherische Schule gegründet wurde, fand Hochdeutsch als Lehrfach seinen Einzug in reformierte Schulen, um der Abwanderung von Schülern vorzubeugen. Doch die niederländische Sprache setzte sich im 18. Jahrhundert trotzdem durch. Das geschah vor allem aufgrund der guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Landstrichen. Erst am Anfang des 19. Jahrhunderts trat eine Wende ein. Gelehrte sahen im Niederländischen und Plattdeutschen kulturlose und rückständige Sprachen. Die preußische Verwaltung und alle ostfriesischen Zeitungen und Zeitschriften bedienten sich endgültig der hochdeutschen Sprache. Man empfand das Niederländische als Bedrohung für die nationale Einheit. So wurde schließlich die hochdeutsche Predigt in den reformierten Kirchen eingeführt und die Kirchenbücher in Hochdeutsch verfaßt. Für die Schulen wurde es 1845 schließlich zur verbindlichen Sprache. Zwischen 1850 und 1880 war das Niederländische endgültig verschwunden und die Dreisprachigkeit in Ostfriesland beendet.

Kontakt: Dr. Marron C. Fort, Arbeitsstelle für Friesisch und ostfriesisches Niederdeutsch, Tel.: 0441/798-4042, e-mail: .

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