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7. April 2022 064/22 Forschung
Kinderbücher der Nachkriegszeit: NS-Autoren und Mittelalter-Motive
DFG fördert Forschungsprojekt am Institut für Germanistik
Oldenburg. Die Kinder- und Jugendliteratur der Nachkriegszeit ist Gegenstand eines neuen Forschungsprojekts an der Universität Oldenburg. Das dreijährige Projekt „Nachkrieg und Mittelalter. Kinder- und Jugendliteratur (1945-1970)“ steht unter der Leitung von Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Boyken und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 180.000 Euro gefördert.
Das Projekt nimmt die deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur der Zeit von 1945 bis 1970 in den Blick – und damit ein bislang wenig erforschtes Feld. „Gerade diese Literatur der Nachkriegszeit ist jedoch hochinteressant und brisant“, sagt Projektleiter Boyken, der Direktor der Oldenburger Forschungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur ist. Weite Teile der Kinder- und Jugendliteratur seien nicht von der Zensur der Besatzungszonen betroffen gewesen, sodass hier – anders als in der Erwachsenenliteratur – auch ideologisch belastete Autorinnen und Autoren publizieren konnten. „Das hat dazu geführt, dass bis in die 1950er-Jahre Texte erschienen, die eindeutig auf nationalsozialistischer Ideologie beruhten“, erklärt der Literaturwissenschaftler.
Das Team um Boyken wird Nachkriegs-Kinderbücher, die mittelalterliche Themen und Motive verhandeln, untersuchen. Zahlreiche der Kindererzählungen und Jugendromane greifen beispielsweise das Leben Heinrich des Löwen auf, der als Herzog von Sachsen und Bayern eine bekannte Figur des Mittelalters ist. Solche Motive des Mittelalters vermittelten häufig bestimmte Ideologien. „Für die Zeit nach 1945 ist das Mittelalter eine recht problematische Bezugnahme, denn unter dem nationalsozialistischen Regime waren mittelalterliche Themen ideologisch vereinnahmt worden“, erklärt Boyken, der das Verhältnis von Literatur und dessen Einbindung in die Gesellschaft näher untersuchen will.
Ein weiteres Ziel des Vorhabens ist es, Kinder- und Jugendliteratur sowohl in ihrer literatur-ästhetischen Gemachtheit als auch in ihren Verwertungskontexten zu analysieren: Einerseits folgen die Texte bestimmten literarischen oder rhetorischen Strategien. Andererseits trägt das Genre zur Vermittlung von Wissen, Werten und Normen bei, die dabei eng in die jeweilige Handlung eingebettet sind und so den jungen Lesenden nähergebracht werden. Dies steht im Gegensatz zur Erwachsenenliteratur, die in der Regel keine Vermittlungsfunktion hat.
Das Forschungsteam entwickelt Methoden, um diese Wechselwirkungen in der Kinder- und Jugendliteratur herauszuarbeiten – und zwar anhand des Mittelaltermotivs, das auf ästhetischer Seite etwa Abenteuerstrukturen aufweist, auf praktischer Seite jedoch beispielsweise bestehende Geschlechterrollen vermittelt. Geplant ist zudem, Texte aus den Jahren 1945 und 1970 in einer digitalen Bibliographie zugänglich zu machen. Eine solche Zusammenstellung fehlt bislang.
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Prof. Dr. Thomas Boyken, Tel.: 0441/798-4564, E-Mail: