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11. Mai 2022 089/22 Forschung
Einblicke in die dünne Haut der Ozeane
Erfolg für Oldenburger Umwelt- und Meeresforschung: DFG fördert neue Forschungsgruppe
Oldenburg. Die oberste Schicht der Ozeane ist ein besonderer, aber bislang noch wenig erforschter Bereich des Planeten. Weniger als einen Millimeter dick, kontrolliert diese äußere Haut den Austausch von Gasen, Energie und Impuls zwischen Wasser und Atmosphäre. Die komplexen biologischen, chemischen und physikalischen Zusammenhänge in der „Oberflächen-Mikroschicht“ zu untersuchen ist Ziel einer neuen Forschungsgruppe unter Leitung des Meereschemikers Prof. Dr. Oliver Wurl vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg am Standort Wilhelmshaven. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der österreichische Wissenschaftsfonds (FWF) fördern das Vorhaben in den kommenden vier Jahren, die beantragte Summe beträgt 4,1 Millionen Euro.
„Die aktuelle Bewilligung durch die DFG würdigt einmal mehr die erfolgreiche und hochkarätige Umwelt- und Meeresforschung der Universität Oldenburg“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Ralph Bruder. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Leitung von Oliver Wurl wird unser Verständnis von den Prozessen in der obersten Ozeanschicht entscheidend voranbringen.“
An dem Vorhaben mit dem Titel BASS („Biogeochemical processes and Air–sea exchange in the Sea-Surface microlayer“) sind neben Wurls Arbeitsgruppe weitere Forscherinnen und Forscher des ICBM beteiligt. Hinzu kommen Partner vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht, von den Universitäten Kiel, Hamburg und Wien (Österreich) sowie vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig.
Die Forschenden betrachten die Oberflächenschicht als biogeochemischen Reaktor – einen Ort, an dem aufgrund der besonderen Bedingungen ungewöhnliche Substanzen entstehen können. Der Fokus des Projekts liegt auf dem Zusammenspiel von Biologie, Chemie und Physik in der Mikroschicht. Deren Bewohner reichen von einzelligen Algen und Bakterien bis zu komplexeren Einzellern und kleinen Tieren. „Die Lebensbedingungen dort sind hart“, sagt Projektleiter Wurl. „Die Organismen müssen hohe UV-Strahlung und starke Schwankungen in der Salzkonzentration und Temperatur aushalten.“ Oft bildet sich an der Meeresoberfläche als Schutz ein dünner Biofilm mit gelartigen Eigenschaften aus, der eine komplexe Mischung organischer Substanzen enthält. Unter anderem reichern sich bestimmte Zucker, Eiweiße und Fettverbindungen an, die aufgrund des Energieeintrags der hohen Sonneneinstrahlung auf besondere Weise miteinander reagieren. „Durch kleinskalige Verwirbelungen gelangen diese Moleküle in tiefere Wasserschichten, wo sie in verschiedene Stoffkreisläufe eingeschleust werden und wichtige Funktionen übernehmen“, erläutert Wurl. Die Mikroschicht unterscheide sich deutlich von allen anderen Bereichen des Meeres und habe aufgrund ihrer besonderen Lage einen Einfluss auf das globale Klima.
Um die Vorgänge in der hauchdünnen Schicht genauer zu untersuchen, führt das Team Felduntersuchungen sowie Experimente im Labor, im Wind-Wellenkanal der Universität Hamburg und in der „Sea Surface Facility“ des ICBM am Standort Wilhelmshaven durch. Kernstück dieser Anlage im Außenbereich des Instituts ist ein 10.000-Liter-Becken mit Filtrationsanlage, das mit Wasser aus dem Jadebusen befüllt werden kann. Es befindet sich unter einem aufschiebbaren Dach und erlaubt es, aquatische Ökosysteme unter kontrollierten Bedingungen zu simulieren.
Eine gemeinsame, dreiwöchige Messkampagne aller beteiligten Projektgruppen soll mit zwei Forschungsschiffen im Sommer 2024 in der Nordsee in der Nähe von Helgoland stattfinden. Dabei erprobt das Team neuartige optische Methoden, die kurzfristige Veränderungen der biologischen, chemischen und physikalischen Bedingungen in der Grenzschicht messen sollen. Für verschiedene Messungen und um Proben von der Meeresoberfläche zu nehmen, setzen die Forschenden unter anderem den neuen, autonomen Forschungskatamaran des ICBM sowie Treibbojen ein, sogenannte Drifter. Das Team untersucht die Proben anschließend mit verschiedenen Analysemethoden, um etwa die vorhandenen Arten, organische Substanzen oder die Anzahl der Zellen zu erfassen.
Zudem planen die Projektpartner, verschiedene Mikroben zu kultivieren, die sich typischerweise in der Oberflächenschicht aufhalten. Anschließend wollen sie untersuchen, welche Stoffe diese Organismen absondern. Für weitere Experimente sollen die Mesokosmen mit Nordseewasser gefüllt werden, um dort anschließend Blüten verschiedener Mikroalgen auszulösen. Das Team will dann untersuchen, welche Substanzen sich in der Oberflächenschicht ansammeln und entwickelt Modelle, um diese Anreicherung vorhersagen zu können.
Weitere Teilprojekte befassen sich genauer mit chemischen Reaktionen in der Grenzschicht und dem Einfluss des Sonnenlichts sowie mit dem Austausch von Energie und Spurengasen zwischen Atmosphäre und Ozean. Ein weiteres Team untersucht, welche Rolle kleinräumige Umwälzbewegungen im Wasser, ausgelöst durch Dichteunterschiede, beim Transport von organischen Substanzen und Gasen zwischen Oberfläche und tieferen Wasserschichten spielen.
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Bilder
Der neue, autonome Forschungskatamaran des Oldenburger Instituts für Chemie und Biologie des Meeres bei Messungen in der Nordsee Anfang Mai. Im Vordergrund sind zwei Messbojen zu sehen, die passiv mit den Meeresströmungen driften und dabei Daten sammeln. Foto: Universität Oldenburg/Lisa Gassen |
Kontakt
Prof. Dr. Oliver Wurl, Tel.: 04421-944 228, E-Mail: