Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch

Präsident der Universität von 1998-2004

Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch, 1940 in Mühlhausen/Thüringen geboren und aufgewachsen, studierte in Mainz und Braunschweig Psychologie, daneben Betriebswirtschaft, Philosophie und Politikwissenschaft. Nach seinem Diplom im Fach Psychologie wurde er 1967 an der Pädagogischen Hochschule Oldenburg Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Seiner Promotion 1972 an der TU Braunschweig schloss sich der Ruf an die Pädagogische Hochschule Weingarten an. Zwei Jahre später wurde er zum Professor für Psychologie mit dem Schwerpunkt Psychologische Diagnostik an der neu gegründeten Universität Oldenburg ernannt. Neben seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre, die ihm Gastprofessuren in Moskau und Wien bescherte, engagierte er sich in der akademischen Selbstverwaltung und war u. a. von 1992 bis 1995 Dekan des Fachbereichs V Philosophie/Psychologie/Sportwissenschaft und von 1995 bis 1997 Vizepräsident, bevor er 1998 zum Präsidenten der Universität gewählt wurde. Auch nach seiner Emeritierung 2005 blieb er Präsident der Abteilung der Internationalen Akademie der Wissenschaften für das Hochschulwesen in Deutschland, schrieb Beiträge zum Hochschul- und Wissenschaftsmanagement und engagiert sich in Stiftungen.

Persönlicher Rückblick auf die Amtszeit

(aus „Mehr Lust als Last?”[1])

Offen für neue Wege

Wenn die Winde des Wandels wehen,
bauen die Einen Mauern
und die Anderen Windmühlen

Chinesisches Sprichwort

Gleich, ob Rektor im Status eines Primus inter Pares oder Präsident in der Rolle des Vorsitzenden einer kollegialen Hochschulleitung – beide handeln nicht losgelöst von der Geschichte ihrer Universität, die zu leiten sie gewählt und ernannt wurden. Wo immer sie herkommen, von innen oder außen, müssen sie ihrer Aufgabe gemäß an bereits Bestehendes anknüpfen, bevor sie Neues gestalten. Und sie tun dies nicht allein. Ihr Handeln ist vielmehr eingebunden in organisatorische und menschliche Arbeitszusammenhänge, in denen der Beitrag jedes Einzelnen zumeist nur im erzielten Gesamtresultat zu würdigen ist. So gesehen beschreibt auch der folgende Beitrag nicht mehr und nicht weniger als ein Zeitfenster im “never-ending process“ von Hochschulleitung.

Es geht los

11. Februar 1998: „Ja, ich nehme die Wahl an. Ich bedanke mich für das mir entgegengebrachte große Vertrauen und versichere Ihnen, das Beste zum Wohle der Universität tun zu wollen.“ Was ich nicht in Worte gefasst habe bei aller Freude über meine Wahl, war meine ambivalente Stimmungslage zu diesem Zeitpunkt. Die letzten Monate und Jahre der langen Präsidentschaft meines Vorgängers mit allen ihren Verletzungen, versteckten und offenen Diskussionen waren mir wohlbekannt. In seiner langen Amtszeit mussten sich Erwartungen an Veränderungen aufbauen, von denen ich nicht wusste, ob ich sie würde erfüllen können. Werde ich überzeugen können und authentisch wirken, wenn ich in der Universität, in Stadt, Region und im Konzert mit den anderen niedersächsischen Hochschulleitungen Neues anbahnen, Tradition infrage stellen, bestehende Praxis ändern will? An Ermutigungen mangelte es nicht:

„Sei versichert, ich denke an dich und ich bin überzeugt, dass du die Dinge meistern wirst“, schrieb mir ein inzwischen verstorbener Kollege kurz vor meinem Amtsantritt. Andere verbanden meinen Amtsantritt auch mit der Hoffnung, ich könnte endlich einmal den Stil und die Form universitärer (Un-)sitten in Kleidung, Benehmen und menschlichem Zueinander ändern. Ich möge einem anderen Zeitgeist die Tür öffnen, schrieb mir eine Mitarbeiterin aus der Universität.

Die Universität Oldenburg war mir nicht fremd. Seit vielen Jahren schon wusste ich, wer hinter welchem Busch sitzt. Auch wer sich dort vor wem versteckt. Zudem hatte ich als langjähriger Beteiligter (Dekan, Dekanesprecher, Vizepräsident) die universitäre Innen- und Außenpolitik zur Genüge beobachten können, habe verfolgen können, wie vergangene und gegenwärtige Entscheidungsträger unter welchen inneren und äußeren politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen entschieden haben oder zu Entscheidungen genötigt waren, und welche Freiräume sie nutzten oder sich schaffen konnten. Immerhin hatte ich spätestens aus meiner Zeit als Vizepräsident viele Erfahrungen sammeln können, was in der Universität mit wem machbar ist und welche Schwierigkeiten und Probleme es dabei geben könnte (Personalquerelen, Forderungen, Neid und Missgunst, Drohungen und Verleumdungen).

„Deshalb stell dich darauf ein, dass man plötzlich sehr allein sein kann, und die Freunde … eines nicht ersetzen kann: die dünne Luft des Erfolgs, den du und die Uni brauchen werden“, schrieb mir eine Kollege und Freund, der wusste, welche Gedanken mich umtrieben und dass ich mir eine klare Ist-Stand-Analyse gefertigt hatte. Sie konnte ich guten Gewissens und mit sachlicher Überzeugung meiner künftigen strategischen Agenda als Ausgangsdiagnose zu Grunde legen, denn sie war das quasi empirische Ergebnis zahlreicher inner- und außeruniversitärer Recherchen und Gespräche, die ich zusätzlich zu meinen eigenen Erfahrungen nach meiner Wahl und vor dem Amtsantritt in der Hochschule geführt hatte. Die Universität in der Forschung zu stärken, ihre Strukturen effizienter zu gestalten und sie in der Stadt und Region noch besser zu verankern, sollte im Zentrum meiner Arbeit stehen. Mit diesen klaren Vorstellungen für meine bevorstehende Amtszeit entwarf ich ein umfängliches Programm für meine künftige Arbeit, das umzusetzen ich unbedingt gewillt war. Natürlich war mir bewusst, dass ich mit meinen ehrgeizigen Plänen eine Großbaustelle eröffnen würde, deren Teilprojekte – gleich, ob mit oder ohne ausdrücklichen Wunsch der dort beschäftigten Personen – in einem komplizierten Wechselverhältnis zueinander und zum Gesamtprozess der universitären Erneuerung nach Innen und nach Außen stehen würden.

Deshalb musste nicht zuletzt ein intensiver Kommunikations- und Planungsprozess mit den Betroffenen organisiert werden – mit hoher Anwesenheitsfrequenz und viel Überzeugungsarbeit durch das Präsidium. Noch hatte ich die Kritik an der vielfachen Abwesenheit meines Amtsvorgängers in seinen letzten Jahren deutlich im Ohr. Würde ich meine Ziele notfalls auch gegen Skepsis und Widerstände der Mitarbeiter und Kollegen vor Ort realisieren können, um mir am Ende der Amtszeit selbst sagen zu können, der Universität, ihrer wissenschaftlichen Reputation und dem Ansehen der in ihr arbeitenden Menschen, den Studierenden und der regionalen Öffentlichkeit durch mein Handeln förderlich gewesen zu sein? Und das in einem Stil, der beschrieben wurde als „to Achieve his Goals through Cooperation and, where ever necessary, Conciliation“ (Towson-Letter of the Consortium of Oldenburg Partners, August 1998).

Diagnose und Prognose – vom Heute ins Morgen

Seit den Zeiten ihrer Gründung galt die Universität Oldenburg stets als innovationsfreudige Hochschule, die sich gern neuer Themen in der Hochschulentwicklung annahm: so der Einphasigen Lehrerausbildung, dem Projektstudium im Sinne eines forschenden Lernens und stärkerer Praxisanbindung, der Interdisziplinarität in Studium und Lehre. Hinzu kamen der Modellversuch des Globalhaushalts in Begleitung durch das Centrum für Hochschulentwicklung Gütersloh (CHE) oder schließlich die frühen staatsunabhängigen Evaluationsmaßnahmen im Nordverbund der Universitäten zur Selbsterhellung über die Qualitätsstandards ihrer Ausstattung, ihrer Studienangebote, ihrer Forschung und der Weiterbildung.

Als „Offen für neue Wege“ umschrieb ich in meiner Antrittsrede deshalb den Ist-Zustand der Hochschule, und das Präsidium formulierte 1999 in seinem Leitbild, dass Offenheit für neue Ideen und Entwicklungen in Gesellschaft und Wissenschaft unsere junge Universität lenke. Diesen Reformwillen wollte ich mir – bei allen verbliebenen Restzweifeln – unter Rückgriff auf die öffentlichen Debatten zunutze machen und auch dem neuen Präsidium nahelegen. Die kollegiale Hochschulleitung – auch das ein Oldenburger Novum – war vom Konzil der Universität bereits am 7. Mai 1997 im Rahmen einer neuen Grundordnung (und unter Bezug auf das Niedersächsische Hochschulgesetz von 1995, § 91) beschlossen und vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) genehmigt worden.

Seit etwa zehn Jahren überschlugen sich in Deutschland die öffentlichen Debatten um eine neuerliche Hochschulreform. Publikationen zum Thema schossen wie Pilze aus dem Boden. Ihre Zahl hatte in den letzten Jahren stark zugenommen, sie waren lauter und, in Richtung der Hochschulen, vereinzelt auch vorwurfsvoller geworden.

Mit dem Wechsel im Ministeramt für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen in die Hände von Thomas Oppermann (1998), dessen neues Hochschulgesetz (NHG) 2002 als „Best Practice-Gesetz“ in Deutschland „geadelt“ wurde, wurden Eigeninitiativen der Hochschulen zur Erneuerung rechtlich legitimiert, wenngleich nicht immer unter breitem Beifall in den Hochschulen selbst: Stärkung der Hochschulautonomie, kollegiale Leitungsorgane mit Ressortverantwortung, Stärkung von Senat und Präsidium, Rücknahme der ministeriellen Regelungsdichte, Reform der Entscheidungs- und Leitungsstrukturen, Zielvereinbarungen Land – Hochschulen, aufgaben- und leistungsbezogene Mittelbemessung von globalen Zuwendungen, Qualitätssicherung in Lehre und Forschung durch Evaluation und Akkreditierung sowie der Einrichtung von entsprechenden Aufsichtsgremien des Landes für Lehre und Forschung (ZEvA für die Lehre, die Wissenschaftliche Kommission für die Forschung), Reform der Personalstruktur, Reform der Studienangebote unter besonderer Berücksichtigung der Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Novellierung des Graduiertenausbildungsgesetzes, Profilbildung und Kooperation mit einer effizienteren Lehrerausbildung durch Fächerkonzentration, Berufungspolitik zur Exzellenzsicherung.

Die Hochschulen erhielten zunehmend Gestaltungsmöglichkeiten, die sie nie zuvor besessen hatten. Und die wollten wir weidlich nutzen, sehr wohl in dem Bewusstsein, dass die geänderten Rahmenbedingungen wesentlich aus leeren Kassen – eben der „sprichwörtlichen Unterfinanzierung“ (Prof. Landfried, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz) geboren worden waren, uns (aber) zugleich die Chance boten, aus ihnen „Kapital“ zu schlagen („do more with less“). Längst war absehbar und bekannt geworden, dass die Erneuerungs- und Entwicklungsprozesse in Niedersachsen in ein neues zielgebundenes Budgetierungsmodell einmünden würden, weshalb der Zeitfaktor im Wettbewerb zwischen den Universitäten zur zusätzlichen Herausforderung geworden war. Bei allem galt es, über die in den Hochschulen „begonnenen Reformen hinaus weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die Qualität ihrer Leistungen in Forschung und Lehre zu verbessern und ihre Effizienz zu steigern.“ (HRK, Drucksache 1302, 24.6.1997). Dieser Anspruchshaltung bzw. Forderung gegenüber standen allerdings die je spezifischen Bedingungen der Hochschulen, weshalb im Prozess der Umgestaltung auch über Geld und Kosten-Nutzen-Verhältnisse nicht nur nachzudenken war, sondern diese Tatsache auch zu einer erzwungenen Handlungsmaxime innerhalb der Universitäten werden musste, was vielerorts fälschlicherweise und abwehrend als platte Ökonomisierung und neoliberale Hochschulpolitik gebrandmarkt wurde. Tatsächlich gemeint aber waren alle Maßnahmen eines kostengünstigen Ressourceneinsatzes im komplexen Geflecht von Studium, Lehre, Forschung, Weiterbildung, Nachwuchsförderung, Berufungspolitik etc. in der Absicht einer qualitativen und finanziellen Optimierung ihrer Leistungsmöglichkeiten.

Darüber hinaus musste unter anderem nachgedacht werden über die organisatorischen Strukturen einer Hochschule, über ihre Entscheidungsstrukturen zur Steuerung effizienten Mitteleinsatzes, über die Qualität der zu erbringenden Dienstleistungen einzelner ihrer Einrichtungen, über die Studiendauer oder über den Personaleinsatz. Weshalb sich das Oldenburger Präsidium wiederholt genötigt sah zum Ausdruck zu bringen, dass in unserer Universität nichts und niemand von einer Bestandsgarantie ausgehen konnte. Jeder Studiengang und jedes Fach, auch die zentralen Einrichtungen und die bestehenden Organisationseinheiten, nicht minder die Verwaltung, sollten sich den Fragen nach ihrer Organisationsform, ihrem Aufgabenspektrum und dessen Nutzen für die Erledigung der Kernaufgaben der Universität – im äußersten Fall auch nach ihrem grundsätzlichen Fortbestand – stellen, zumal vor dem Hintergrund des anstehenden umfänglichen und generationenwechselbezogenen Personalwechsels. Aus Altem Neues kreieren – eine Metamorphose der Universität, die wir gemeinsam zu bewerkstelligen hatten unter Rahmenbedingungen, die nicht immer leicht waren.

Den – gemessen am internationalen Standard – eklatanten Reformstau auch in Oldenburg abzubauen, war mein erklärtes Ziel und hatte mich in meiner Bewerbung um das Präsidentenamt besonders beflügelt. Gleichwohl wurden stets, und das ist nicht untypisch für die Oldenburger Universität und ein Element ihrer Identität, mit äußerster Lebhaftigkeit und Heftigkeit inneruniversitäre Diskussionen über die angestrebten und/oder verordneten Reformschritte geführt. Das veranlasste den aufmerksamen und sensiblen Beobachter und NWZ-Redakteur Rainer Rheude am 4. Februar 1998 zu einem Kommentar mit der Überschrift: „Unterzeichner eines ‚Oldenburger Appells’ befürchten ‚autoritäre Managementstrukturen’ an der Universität: Auch als Messlatte für die Präsidentenwahl am kommenden Mittwoch verstehen die Unterzeichner eines ‚Oldenburger Appells’ eine Reihe von hochschulpolitischen Forderungen, die sie gestern erhoben haben. 50 Mitglieder verschiedener Statusgruppen an der Uni Oldenburg und unterschiedlicher politischer Ausrichtung wenden sich gegen Bestrebungen, die universitäre Selbstverwaltung durch autoritäre Managementstrukturen zu verdrängen.“ Originalton des Appells: „Nach den Vorstellungen der niedersächsischen Landesregierung, der Hochschulrektor*innenkonferenz (HRK), des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) sowie des Oldenburger Universitätspräsidenten (Michael Daxner) soll die bisherige Organisation der universitären Selbstverwaltung in naher Zukunft durch autoritäre Managementstrukturen, die denen privater Wirtschaftsbetriebe ähnlich sind, verdrängt werden. Dazu sollen zuerst an den am Modellprojekt Globalhaushalt beteiligten Universitäten, also insbesondere an der Oldenburger Carl v. Ossietzky-Universität, ein ganzes Bündel strukturverändernder Maßnahmen durchgeführt werden, die mit den geplanten Novellierungen des Hochschulrahmengesetzes (HRG) und des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) eine rechtliche Grundlage erhalten sollen.“

Solche offenen wie versteckten Vorbehalte gegen den Hochschulumbau beschäftigten das seit dem 1. Oktober 1998 unter meinem Vorsitz amtierende Präsidium permanent, weshalb wir in den folgenden sechs Jahren nicht müde wurden, den politischen Vorbehalten gegen einen strukturellen und profilbetonten Erneuerungsprozess der Universität immer wieder mit sachlicher Überzeugungsarbeit, aber auch mit eindringlichen Appellen, an die „Verantwortungsgemeinschaft“ Hochschule zu begegnen.

Landespolitik

Noch im Frühjahr 1998 wurde die der Universität Oldenburg sehr gewogene Ministerin Helga Schuchardt, kaum dass sie mir zur Wahl gratuliert hatte, durch Thomas Oppermann aus Göttingen abgelöst. Gerhard Schröder hatte ihn gleichsam als Verbeugung vor Göttingen in sein Kabinett geholt und die Vorgängerin de facto zum Rücktritt gezwungen. Zufriedene Mienen in Göttingen und Hannover.

Vor ihrem Weggang genehmigte Frau Schuchardt noch die vom ursprünglichen Aufbaupaket für die Errichtung der Ingenieurwissenschaften (18 Professuren) in Oldenburg wegen Haushaltskürzungen verbliebenen zwei Brückenprofessuren (Mess- und Regelungstechnik) und erzeugte damit bei den Ministerialen in Hannover großen Unmut und Ärger. Nicht nur deshalb musste sich Oldenburg – mehr noch als früher – das schon seit langem zur vermeintlichen Wahrheit gewordene Klagelied der Universität Osnabrück anhören, sie sei im Vergleich zu Oldenburg unterfinanziert. Auch wenn diese „Unterfinanzierung“ nach einer gründlichen Analyse unseres Planungsdezernats in Abrede gestellt werden konnte, blieben diese Falschrechnungen der Universitätsleitung Osnabrück ein Dauerbrenner meiner Amtszeit. Mehr noch: Ihr ärgerlicher Begleiteffekt war die darin angelegte politische „Selbstschwächung“ der Nordwest-Region Niedersachsens, weil eine gemeinsame Interventionspolitik in Hannover zweifellos größeres Gewicht gehabt hätte. Erst nach dem Ministerwechsel 2003 (Lutz Stratmann für Thomas Oppermann) und dem altersbedingten Personalwechsel im Ministerium spielten diese Neiddiskussionen nicht mehr die dominante Rolle, wenngleich allgemeine Haushaltskürzungen, einseitige Eingriffe in den Hochschulhaushalt und eine mangelnde Stabilität im Finanzgebaren des Landes während meiner gesamten Amtszeit an der Tagesordnung waren:

  • Heranziehung der Hochschulen zur Konsolidierung des Landeshaushalts nach der Expo 2001 mit 54 Millionen D-Mark
  • Mangelnde Flexibilität in den Haushaltsauflagen für die Finanzautonomie
  • Trotz Globalhaushalt: Drei-Jahres-Frist für die Verausgabung der Rücklagen
  • Trotz Globalhaushalt: Wegen landesweiter Zentralisierungsabsichten muss die Universität ihre kostengünstigere Zusammenarbeit mit der EWE im Telefonbereich und mit der Raiffeisenbank aufkündigen und sich zudem einem zentralen Liegenschaftsmanagement anschließen (UNI-INFO 3/2000)
  • Unterjährige Eingriffe in den Hochschulhaushalt nach einseitiger Aufkündigung des ursprünglich auf zehn Jahre festgelegten Modellversuchs zum Globalhaushalt
  • Zeitweise Mittel- und Besetzungssperren bei frei gewordenen Stellen
  • Abziehung der Überlaststellen für mehr als 300 zusätzlich aufgenommene Lehramtsstudenten

Neben den Fragen der Mittelzuführung durch das Land lag ein erhebliches Manko der Landespolitik in einem grundlegenden Versäumnis: Bei allem Gerede über Autonomie und Entscheidungsfreiheit hat sie nie wirklich ihre „kognitive Landkarte“ zur Wissenschaftslandschaft in Niedersachsen auf den Tisch gelegt, sprich einen expliziten Hochschulentwicklungsplan, den auch die Wissenschaftliche Kommission nicht hatte. Hier soll nicht die Rede sein vom peinlichen Gezerre um die Hochschule Vechta. Ein anderes Beispiel kann herhalten: Im Hochschuloptimierungskonzept (HOK) 2003 stand zunächst das Fach Sportwissenschaft in Oldenburg auf der Streichliste. Ein Telefonat zwischen mir und dem Präsidenten der Universität Osnabrück hatte ein kostengünstigeres und fachwissenschaftlich sinnvolleres Ergebnis erbracht: In Oldenburg soll nicht zuletzt wegen der bestehenden großzügigen Gebäudestruktur das Fach Sportwissenschaft im Nordwesten konzentriert werden. Minister Stratmann pflichtete diesem „Sparkonzept“ bei, Landesherr Christian Wulff, selbst Osnabrücker, riss die Entscheidung an sich und entschied den Verbleib des Sportbereiches in Osnabrück. Und noch ein Manko machte uns immer wieder zu schaffen, auch wenn Minister Thomas Oppermann dieses Schnittstellenproblem in seiner Tragweite für die Lehrer bildenden Hochschulen erkannt hatte: Es gab keine wirklich konzeptionell geprägte Zusammenarbeit zwischen dem Kultusministerium und dem Wissenschaftsministerium im Landeskabinett – mit der fatalen Konsequenz, dass die einen die Curricula und Studienstrukturen für die Lehrerbildung festlegten und die anderen für eben diese die Forschung. Weder die weitgehende Konzeptionslosigkeit der Politik noch ihre wiederholten spontanen Eingriffe und Kürzungsorgien in der Mittelzuführung hielten uns aber davon ab, mit viel Zeit- und Personalaufwand unseren eigenen …

Haushalt …

stringenter zu ordnen und auf die ständig auf uns zu kommenden neuen und vor allem selbst geplanten Anforderungen auszurichten. Es ging doch darum, auch entgegen nach wie vor bestehenden Widerstands und gelegentlich aufflammender Proteste im Hause den Modellversuch zum Globalhaushalt fortzusetzen und zu konsolidieren. Denn mit seinem Abbruch durch das Land und dessen Feststellung, die kaufmännische Buchführung habe sich für die Hochschulen des Landes bewährt, war es noch lange nicht getan. So gingen mit meiner Amtsübernahme auch eine gründliche Bestandsaufnahme der erforderlichen Nachbesserungen und der Mängelbeseitigung im Haushalt einher. Einen Anfang hatten wir bereits gemacht mit den Beschlüssen des Senats zum so genannten „Qualitativen Soll“, mit dem wir flächendeckend für die Universität die personelle Mindestausstattung der Fächer nach Vorgaben des Wissenschaftsrats festgelegt hatten. Dieser hatte Kriterien entwickelt, „wonach die angebotenen Fächer so ausgestattet sein sollen, dass die erforderliche Breite mit den etablierten Schwerpunkten gewährleistet ist“ (UNI-INFO 8/1998). Für weitere Entscheidungen gab uns mittlerweile der Globalhaushalt mehr Freiheiten, als wir je zuvor besessen hatten.

Wer Leistung fordert, muss Leistung honorieren und dieses transparent machen. Deshalb und im Vorgriff auf eine landesweite leistungsorientierte Mittelallokation an die Hochschulen, deren Grundstruktur sich bereits abzeichnete, stimmte der Senat einer Vorlage des Präsidiums zu, die vorsah, Sachmittel nicht nur nach Anzahl der Wissenschaftler*innen und Student*innen in einem Fachbereich zu vergeben, sondern auch nach den Leistungen in Forschung und Lehre. Dazu kam die Berücksichtigung der Frauenförderungsquote. Doch diese „bahnbrechende Haushaltsentscheidung“ (UNI-INFO 5/99) berührte noch nicht wirklich die tieferliegenden Probleme in der universitären Mittelverteilung. Diese waren angesichts der auf uns zu kommenden Berufungswelle (bis 2010 über die Hälfte aller Professorenstellen) und angesichts des schrittweisen finanziellen Rückzugs des Landes in der Beteiligung bei den Berufungszusagen elementar und machten das Präsidium für planerische Entscheidungen wissenschaftlicher Schwerpunktsetzungen gleichsam zum zahnlosen Tiger.

Noch in der Amtszeit meines Vorgängers hatte der Senat einen fatalen Beschluss gefasst, beinahe alle Sachmittel in die Fachbereiche zu verteilen. Damit war dem Präsidenten nahezu jeder finanzielle Handlungsraum genommen, für seine profilbildenden Entscheidungen neuberufenen Hochschullehrern mit neuen Schwerpunkten beispielsweise spezielle apparative Ausstattungen oder Projektanschubfinanzierungen in größerem Umfang zuzusagen. Die Fachbereiche auf der anderen Seite verfügten durch noch nicht wiederbesetzte Professuren und/oder eine sparsame Mittelverwendung schließlich über teils ansehnliche Finanz-Pools, die mehr oder weniger ungenutzt über Monate, manchmal Jahre fortgeschrieben wurden und nach außen bzw. dem MWK gegenüber leicht den Eindruck vermitteln mussten, das Geld werde nicht zwingend gebraucht. Das veranlasste das Präsidium im Dezember 2002, ein Strategiepapier „Solidarpakt“ in den Senat einzubringen in der Absicht, die aufgelaufenen Finanzrücklagen im Interesse aller umzuverteilen und in den aktiven Haushalt zu überführen. Ziel war die grundlegende Förderung der starken und entwicklungsfähigen Bereiche der Universität zu noch größerer Leistungsfähigkeit oder ihren Ausbau zu neuen profilgebenden Clustern in Forschung und Lehre einerseits, andererseits aber auch eine breitenwirksame Stärkung der unverzichtbaren Angebote. Der Senat gab diesem Papier seine prinzipielle Zustimmung und machte damit den Weg frei für einen zukunftsgerichteten Aus- und Umbauprozess der Universität – allerdings auch von Skepsis derjenigen begleitet, die sich aktuell aus unterschiedlichen Gründen nicht den „stärksten Bereichen“ oder „Leuchttürmen“ zurechneten und eine Sicherung der fachlichen „Artenvielfalt“ (UNI-INFO 2/2003) anmahnten.

Aber wir hatten den Tag vor seinem Abend gelobt. Das Gewitter zeichnete sich schon am Abendhimmel ab: Eine neuerliche heftige Kürzungsrunde des Landes Niedersachsen gegen seine Hochschulen wurde zynischerweise „Hochschuloptimierungskonzept“ (HOK) genannt und sah die Reduzierung der so genannten Landeszuschüsse ab 1. Januar 2004 um 40,65 Millionen € vor. Oldenburg war darin ursprünglich mit einer Summe von 2,4 bis 3,6 Millionen € vorgesehen und erreichte schließlich nach harten und zähen Verhandlungsrunden im Ministerium eine Kürzung von „nur“ 2,025 Millionen €. Dass mich dennoch die „volle Wucht des zornigen Widerspruchs aufgebrachter Kolleginnen und Kollegen …“ (UNI-INFO 6/04) traf, überraschte nicht wirklich, da es meinen Kollegen in der LHK ähnlich erging.

Das alles wäre nicht erwähnenswert, wäre dieses Vorgehen nicht typisch für die Unzuverlässigkeit des Landes, das doch offiziell danach trachtete, seine Hochschulen international wettbewerbsfähig machen zu wollen, diese aber gleichzeitig auf ihrem mühsamen Weg der Neuaufstellung behinderte. Nicht zuletzt diese Hochschulpolitik hatte zum Ergebnis, dass beinahe die Hälfte der amtierenden Präsidenten nicht wiedergewählt und eine seit vielen Jahren erstmals wieder gut funktionierende Landeshochschulkonferenz in ihrer auch tragenden Rolle für die Wissenschaftspolitik ausgebremst wurde. So suchten nicht nur wir Oldenburger wieder den …

Blick nach innen, …

um wenigstens jene Innovationsbaustellen konsolidieren, weiter vorantreiben oder abschließen zu können, von denen ich meinte, sie weitgehend in universitärer Eigenregie erledigen zu können – auch in der Hoffnung, die Widersacher, deren Protestdemonstrationen mitnichten irgendeinen nachhaltigen Erfolg in Hannover hatten, vom bislang Geleisteten zu überzeugen und damit eine angestrebte Wiederwahl ins Präsidentenamt rechtfertigen zu können.

Wir hatten ja schon vieles mit großem Erfolg vorangetrieben – erstmals ein Corporate Design mit neuem Logo und mehrfach prämierte Internetauftritte entwickelt, und wir hatten das Marketing für die Universität erfolgreich intensiviert, das uns auch ein gezieltes Werben um Studierende leichter machte, zumal es durch ein mit der Stadt Oldenburg ausgehandeltes Begrüßungsgeld flankiert wurde. Wir hatten mit wenigen Mitteln einen Info-Point als Anlaufstelle zur Orientierungshilfe für Studierende in der Universität geschaffen. Die Infrastruktur der Universität, die Vernetzung der Verwaltungsdienstleistungen und deren Organisationsstruktur für die verschiedensten „Kundengruppen“ hatten wir gravierend verbessert. Durch eine sorgfältige hochschulweite Umfrage kannten wir Schwächen und Stärken der Verwaltung und die Bereiche für deren qualitative Verbesserungen. Die Zentralen Dienstleistungseinrichtungen einschließlich der Bibliothek hatten ihre Serviceangebote nachhaltig verbessert, und einige waren in Vorbereitung auf spätere neue Funktionszuweisungen auch schon durch unabhängige Expertengruppen evaluiert worden: zunächst das Rechenzentrum, dem später das Zentrum für Wissenschaftliche Weiterbildung (ZWW) und das Fernstudienzentrum (ZEF) folgten. Ein Modellversuch zum Integrierten Informationsmanagement, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sollte uns neue Wege in der Unterstützung von Wissenschaft und Forschung aufzeigen. In der Einführung eines differenzierten Berichtswesens (Haushalt, Statistik usw.) und geeigneter Qualitätsprüfsysteme zur Herstellung größerer Transparenz und nachhaltiger strategischer Steuerungsfähigkeit der Gesamtorganisation Hochschule hatten wir Vorbildcharakter in Niedersachsen und wurden bundesweit zum „Best Practice-Beispiel“. Nicht zuletzt des Globalhaushalts wegen, später wegen der aus dem Nordverbund eingeführten Zielvereinbarungen zwischen Universitätsleitung und Fachbereichen/Fakultäten wie auch wegen der erstmals eingeführten leistungsabhängigen Budgetierung der wissenschaftlichen Organisationsbereiche, der eine ebensolche für die Verwaltung folgen sollte, galten wir auch anderen Hochschulen als Vorbild. Unsere neu geregelte Gleichstellungspolitik war anerkannt und vorbildhaft.

Im Bereich von Studium und Lehre war die Veränderungsrichtung durch die europäischen Bologna-Beschlüsse vorgegeben, die Einführung von Bachelor-/Master-Studiengängen, Modularisierung der Studienangebote, Einführung des ECT-Systems (European Credit Transfer and Accumulation System). Dazu richteten wir neue attraktive Studiengänge ein, unter anderem die Hanse Law School, Werte und Normen, Marine Biodiversität, Wirtschaftslehre, Versicherungsmathematik sowie Kooperative Studiengänge mit Bremen. Zudem verbesserten wir die Serviceleistungen für Studierende, unter anderem durch die Erweiterung des Beratungsangebots, was sich nicht zuletzt in einer starken Erhöhung der Bewerberzahlen um Studienplätze niederschlug. Mit berufsbegleitenden internetgestützten Weiterbildungsangeboten zu wissenschaftlichen Abschlüssen öffnete sich die Universität neuen Studierendengruppen.

Wir hatten ebenfalls die Lehrerbildung als wichtiges Standbein der Universität gestärkt. Im Februar 2003 wurde durch Präsidiumsbeschluss das Didaktische Zentrum (DiZ) als neues Strukturelement eingerichtet, nachdem schon zuvor mit der Gründung des Graduiertenkollegs dank der dort engagierten Kolleg*innen auch in der Forschung ein – wie es Minister Oppermann nannte – „wirklicher Leuchtturm“ mit großer Strahlkraft geschaffen worden war.

Dieser Leuchtturm gehörte zu unserem Gesamtprogramm Forschung, in dem wir eine Intensivierung der Fächerverflechtung und zunehmende Transdisziplinarität unter Beachtung ihrer Stärken und Potenziale erreichten mit dem Ergebnis herausragender profilgebender Schwerpunktsetzungen: in der Neurosensorik, der Hörforschung, der Meeresforschung, der Energie- und Halbleiterforschung, der Umweltforschung und -politik, der Informatik (u. a. in komplexen integrierten Systemen), den Wirtschaftswissenschaften, dem eLearning und der (fach-)wissenschaftlichen Weiterbildung, der schulischen Lehr- und Lernforschung und dem verstärktem Technologie-Transfer sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Drittmitteleinwerbung (bereits bis 2001 ein Anstieg um 15 Prozent). Diese wurden auch deshalb möglich, weil zahlreiche neue Kooperationen mit anderen Hochschulen – nicht zuletzt mit Bremen und unter Einbeziehung des Hanse-Wissenschaftskollegs – auf den Weg gebracht werden konnten, so unter anderem durch ein von Vizepräsident Wolfgang Nebel 2001 konzipiertes neues Forschungsleitbild des Präsidiums, das auch eine verstärkte Nachwuchsförderung vorsah.

Längst stand auf meiner Agenda die auch schon von Michael Daxner in den Blick genommene und durch das neue Hochschulgesetz alsbald legitimierte Umstrukturierung der elf Fachbereiche im Rahmen einer Gesamtorganisationsreform. Ihr ist sicher die größte Nachhaltigkeit für die Universität und deren gesamte weitere Entwicklung zuzuschreiben, sowohl mit ihren Auswirkungen auf die Verschlankung der Gremienstruktur, den Zuschnitt von Verwaltung und Technischem Dienst (erstmals in Niedersachsen die Einführung von so genannten Fakultätsgeschäftsführer*innen), auf die Mittelverteilung und vor allem auf die Verdichtung und Effektivierung der Entscheidungsstrukturen. Und wieder begegneten uns die skeptischen Vorbehalte und Kritik. „Vorauseilenden Gehorsam“ nannten einige Dekane diesen Plan der Einschmelzung von elf Fachbereichen und dem ICBM auf vier Fakultäten. Tatsächlich wurden es dann fünf Fakultäten – durch einen Beschluss des Senats, der von meinem Amtsnachfolger Uwe Schneidewind mitgetragen wurde und von ihm, trotz aller späteren Bemühungen, nicht korrigiert werden konnte.

Überhaupt, der Senat …

ihm vorzusitzen war immer wieder spannend und lehrreich. Gleich, welche Tagesordnung auf dem Tisch lag, für viele tagesaktuelle Überraschungen und unerwartete Entscheidungen war er immer gut. Redeschlachten wurden oft lange und mit scharfer Klinge geführt, aber selten zielführend. Es ging eher nach dem Motto: Es ist alles gesagt, nur eben noch nicht von allen. Und in der Regel wurde danach verfahren: Je weniger Tagesordnungspunkte, desto länger die Sitzungen. Das ist wohl bis heute so geblieben.

Nicht selten gingen solche Redebeiträge auch unter die Gürtellinie, waren diffamierend und verletzend. Eine besondere Unsitte war – übrigens nicht nur im Senat – die Alibimanöver von Entscheidungsträgern, die die dortigen Debatten und Abstimmungen für ihre eigenen Zwecke zu nutzen suchten, um nicht selbst in schlechtes Licht oder gar in Misskredit bei den Kolleg*innen zu geraten. „Mag sein, dass ich Ihnen eine Erklärung schuldig bin. Meine Äußerungen im Senat […] waren nicht und in keinem Fall an Sie gerichtet. Es handelte sich darum, dass ich als Dekan vorbauen musste, dass die Informatiker, Physiker und Chemiker die Großgeräteanmeldungen für 2002, die am Tag darauf behandelt wurden […] beibehalten und dem zustimmen sollten […] Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie und den Senat für psychologische Rankünen zu benutzen suchte“, schrieb mir in einer Mail ein Dekan.

Auch vor meiner Amtszeit flogen schon mal Papierstapel in Richtung Redegegner oder man drohte sich auf die eine oder andere Weise symbolisch oder konkret. Um so etwas zu vermeiden, habe ich gemeinsam mit den Senatoren immer wieder Versuche unternommen, die Sitzungen stärker zu strukturieren. Mal haben wir den vertraulichen Teil auf den Sitzungsbeginn verlegt, dann uns miteinander in die Pflicht genommen, kürzer und ergebnisorientierter zu reden.

Die universitäre Öffentlichkeit (wer eigentlich erledigt am verlassenen Arbeitsplatz die anstehenden Aufgaben?) sollte weniger Redebeiträge einbringen dürfen und die im Abstimmungsprozess unterlegene Statusgruppe nicht durch die Geschäftsordnung legitimiert sein, ein Antragsrecht auf Neuaufnahme des abgeschlossenen bzw. abgestimmten Tagesordnungspunktes zu haben. Eine beabsichtigte Änderung der Geschäftsordnung mit dem Ziel, die vielen Unsitten im Senat einzudämmen, konnte bis heute nicht herbeigeführt werden – mit dem Ergebnis, dass mein Amtsnachfolger wie zuvor mein Vorgänger mehrfach die Senatssitzungen wutentbrannt verließ, um den Vorsitz an einen Vizepräsidenten abzugeben. Ich habe mir das ersparen können, auch wenn ich in der Sitzung zur Einsetzung des Hochschulrats drauf und dran war, mir dieses Gerede nicht länger anhören zu wollen, denn es war stellenweise peinlich, herabwürdigend und geradezu beleidigend, wie hier über Personalvorschläge des Präsidiums gesprochen wurde. Mein Adrenalinspiegel hatte seinen Höhepunkt erreicht und ich war mehr als froh, dass diese Debatte hinter verschlossenen Türen ablief und nicht mit Wortprotokollen in die Annalen der Universität einging. Schließlich haben wir einen gut funktionierenden Hochschulrat installieren können, der allein durch seine Existenz viele Türen öffnete und neue Entwicklungen ermöglichte.

Die Rolle des Senats in den Hochschulen war landesweit immer wieder Gegenstand von Diskussionen, weil man auch nach rechtlichen Lösungen suchte, die Zuständigkeiten über die Geschicke der Universität in verantwortungsvollen Händen zu wissen, möglichst frei von Zufälligkeiten. Das spiegelte sich schließlich im NHG des Jahres 2002 wider. Seit seiner Verabschiedung 2002 haben Senatsbeschlüsse nur noch Empfehlungscharakter. Bis heute schöpft das Präsidium in Oldenburg aber seine erweiterten Rechte noch nicht konsequent genug aus – ein Zeichen dafür, wie schwierig und komplex die Binnenstrukturen der Universitäten sind.

Viel unmittelbarer dagegen konnte in der regionalen Öffentlichkeit – in Wirtschaft, Politik, der Universitätsgesellschaft, in und mit der Stadt und ihren Bürgern, Behörden, Organisationen und Institutionen in und um Oldenburg – agiert und entschieden werden, ohne dass es inneruniversitär zu Beanstandungen oder Rechtfertigungsdruck für den Präsidenten gekommen wäre nach dem Motto …

„Was hat denn ein Universitätspräsident auf einer Waschzuber-Regatta verloren?“

Das gute Ergebnis, das ich mit meinem persönlichen Referenten Thorsten Schulz am Ende auch vor dem OFFIS-Team mit Vorstand Hans-Jürgen Appelrath und gegen viele andere Mannschaften im Waschzuber-Paddeln erreicht hatte, ohne in der Haaren (städtischer Flusslauf) baden gegangen zu sein, war selbstverständlich nicht das Entscheidende. Vielmehr hatten wir es erzielt vor den Augen vieler schaulustiger Oldenburger und nicht in den hehren Hallen der Wissenschaft und in deren Diktion, sondern außerhalb des „Elfenbeinturms“ und im direkten Kampf gegen die „Naturgesetze“. Ging es doch bei meiner Teilnahme hier – wie auch bei anderen Gelegenheiten (Ball der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Grünkohlessen in Berlin, Kramermarkt Eröffnung, Gesellschaft Union, Landfrauenversammlung, Oldenburger Filmfestspiele, Herbstlauf der Stadt Oldenburg oder Sandkruger Schleife und vieles andere mehr) – in erster Linie darum, die Universität näher an die Öffentlichkeit heranzuführen und in den Köpfen der Bürger und ihrer Repräsentanten präsent zu machen.

Die Universität war vielen Oldenburgern immer noch fremd, obwohl es viele gute Gründe gab, auf diese stolz zu sein. Ortsschilder aufzustellen, auf denen Oldenburg als Universitätsstadt ausgewiesen wurde, reichte freilich nicht aus. Es musste inhaltliche Aufklärung über Wissenschaft und Forschung an unserer Universität auf allen Ebenen und in all ihren Facetten stattfinden und es mussten Menschen und Institutionen gefunden werden, diese Aufklärung nachhaltig weiterzutragen. So wurde mit extern eingeworbenen Geldern (u. a. LzO, Nordmetall, Der Kleine Kreis) und einem kaum mehr zu überbietenden Engagement unserer leitenden Kolleg*innen im Bereich Presse- und Kommunikation eine Kinderuniversität ins Leben gerufen, die sich seither gleichbleibend allergrößter Beliebtheit erfreut und viele tausend Kinder und deren Eltern in die „heiligen Hallen“ der Wissenschaft locken und mit Begeisterung überzeugen konnte „von dem, was Wissenschaft tut und was sie weiß“.

Immer wieder versuchte ich mir selbst die Frage zu beantworten, wann eigentlich eine Universität vor Ort von ihren Bürgern als angenommen und akzeptiert gelten kann. Wann man sich mit ihr identifiziert und sie als „seine/ihre Universität“ betrachtet, von der man Schaden abhalten will oder der man Gutes tun will. Sind es die zuvor erwähnten Zusatzortsschilder? Ist es die Durchsage am Bahnhof, mit der die ankommenden Fahrgäste nunmehr in der „Universitätsstadt Oldenburg“ begrüßt werden? Ist es die Tatsache, dass Studierende in Oldenburg und „umzu“ ihr Geld ausgeben und damit Handel und Gewerbe unterstützen? Ist es die in der Universität organisierte Blutspende, zu der Ex-Oberbürgermeister Holzapfel und der Präsident sich unter den Augen der Presse anzapfen lassen? Die Antwort erhielt ich schließlich aus der Öffentlichkeit selbst, als in schwierigen Zeiten der Haushaltskürzung durch das Land – wie im Jahre 2003 – ausgewiesene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Wirtschaftsverbände, städtische Gremien, politische Parteien, Gewerkschaften, Handwerker- und Geschäftsleute, nicht minder viele weniger bekannte Bürgerinnen und Bürger ihren Protest gegen die Landespolitik zum Ausdruck brachten und sich öffentlich zur Universität und ihrer Leistungsbilanz bekannten. Nachdem der Rat der Stadt Oldenburg ein einstimmiges Votum gegen die Sparpläne für die Universität verabschiedet hatte, schrieb Michael Exner in der NWZ am 24. September 2003: „Das Entscheidende an der Ratsresolution gegen die Kürzungen an den Hochschulen ist nicht die Einstimmigkeit des Beschlusses, sondern der Geist der Debatte. Da war nichts, aber auch wirklich nichts mehr zu spüren von jenen jahrelang gepflegten Beziehungskrisen zwischen der Stadt und „ihrer“ Hochschule ... Den Resolutionssatz ‚Ohne die Impulse der Universität […] wäre das heutige Oldenburg kaum vorstellbar‘ kann man sich ruhig mal auf der Zunge zergehen lassen.“

Eine gänzlich neue Erfahrung, die ich in dieser Intensität nur noch bei meinem Rücktritt von der Kandidatur zur Präsidentenwahl 2003 erlebt habe und mir zugleich bedeutete, dass das Barometer für die Universität in Oldenburg und für ihr Verhältnis zur Region gänzlich umgeschlagen war. Aber diese Art von aktiver Zustimmung und Akzeptanz hat sich nicht von selbst hergestellt. Sie bedurfte intensiver Überzeugungsarbeit in öffentlichen und förmlichen Unterstützerkreisen wie auch in privaten Netzwerken. Aus förmlichen Beziehungen wurden Bekanntschaften, entstand Nähe, entsprang Sympathie und wurden Freundschaften in dem gemeinsamen Bemühen, die Universität stärker in der Öffentlichkeit zu verankern. Ausgedehnte Vortragstätigkeit, Medienpräsenz, Bereitschaft an öffentlichen Veranstaltungen für die Schulen oder Kultureinrichtungen teilzunehmen, auch dort Grußworte zu sprechen, wo sich der materielle Nutzen für die Universität nicht unmittelbar erkennen ließ, und nicht zuletzt eben an einer Waschzuber-Regatta teilzunehmen, gehörten dazu.

Die Universitätsgesellschaft …

hält als offizieller Freundes- und Unterstützerkreis der Hochschule einen Beiratssitz für den Präsidenten frei, um ihre Arbeit mit Informationen aus erster Hand unterlegen zu können. Ihre Mitglieder sind Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, aus Wirtschaft und Politik, aus Verwaltung und Wissenschaft, aus Behörden und Banken, engagierte Bürger der Stadt und der Region. Eine der Schlüsselfiguren in diesem Zusammenhang war und ist der Unternehmer Peter Waskönig, der zu Beginn meiner Amtszeit bereits Vorsitzender der Universitätsgesellschaft war. Manche Mitstreiter spaßten über ihn, wer ihm die Hand gebe, würde unwiederbringlich Mitglied der UGO. Die Gelegenheiten dafür waren aber ungleich größer. Beispielsweise organisierten wir einmal monatlich einen „Mittagstisch des Präsidenten“, zu dem Peter Waskönig anerkannte und engagierte Multiplikatoren aus Stadt und Region zu einem Mittagessen in kleinem Kreise und zu einer Kurzvorlesung eines Professors bzw. einer Professorin einlud. Jeder allerdings musste sein Essen selbst bezahlen – und muss es auch heute noch.

Tiefer in die Region hinein sorgte ein anderes Modell für eine breitere zur Kenntnisnahme der Universität und ihrer Leistungsvielfalt. In der gesamten Nordwestregion konnten öffentlich bekannte Personen als „Botschafter der UGO“ gewonnen werden, die vor Ort halfen und auch heute noch helfen, die Bedeutung der Hochschule für die Region zu kommunizieren und die Beziehungen zur Wirtschaft zu fördern. Die bereits traditionellen Neujahrsempfänge im Oldenburgischen Staatstheater als Begegnung der Universitätsmitglieder und jener der Universitätsgesellschaft gehörten ebenso zu unseren vielen Aktivitäten wie die anfänglich von mir organisierten Kamingespräche im Gästehaus der Universität und gut besuchte Veranstaltungen zur „Eröffnung des akademischen Jahres“ mit Björn Engholm, Konrad Schily, Klaus Landfried, Henning Scherf, Lutz Stratmann.

Für manche war Peter Waskönig, dem die Fakultät II für sein großes Engagement und seine tiefen Einsichten über die große Bedeutung der Universität für die Region zu Recht die Ehrenpromotion verlieh, „Türöffner“ in Ministerien, in anderen Fällen Konfliktschlichter und Moderator. Als wir gemeinsam einen Pressetermin zur Anbringung neuer Autobahnschilder mit den Ortshinweisen für die Universität anberaumt hatten – Peter Waskönig konnte die neue Wirtschaftsministerin Susanne Knorre gegen die Verkehrsbürokratie zur Genehmigung bewegen – und unser beider Bilder in der Nordwest-Zeitung erschienen waren, erhielten wir einen handgeschriebenen Brief der mehr als 100-jährigen Frau Elfriede Hartung: „Sehr geehrter lieber Herr Grubitzsch! Ihr beider strahlendes Bild in der heutigen NWZ (07.12.01) erfreute mich sehr, aber natürlich noch viel mehr, worüber Sie sich so freuen konnten. Ganz herrlich, wie Sie letztendlich Ihr Ziel trotz aller Widerstände doch erreichen. Mein Mann hätte sich gefreut, zu schade, daß er dieses und vieles andere mehr, nicht mehr erlebt. Denn bei Htgs. [Abkürzung für Hartung‘s] im Weidendamm Nr. 4 war die eigentliche Geburtsstunde der Universität: Nach einem Schloßvortrag der sogenannten Universitätswoche, die der OLV 1 x jährlich veranstaltete, waren dort versammelt (alphabetisch): Dipl. Ing. Dr. Bronner, Ob. Stadtdir. Eilers, Prof. Dr. Hartung, Dr. Möller, Priv. Doz. Dr. med. Simon, Ob.Kirchrat Dr. theol. Tilemann und beschlossen die Gründung einer Universität mit Nachdruck voranzutreiben …“

Beim Abschied von Peter Waskönig aus dem Vorsitz zählte die Oldenburger Universitätsgesellschaft mit 1011 Mitgliedern zu einer den größten in der Republik. Er war und ist ein wirklich großer Freund der Universität und hat sehr viel dazu beigetragen, dass sie in der Region angenommen wurde und ihre Bedeutung für Wirtschaft und Kultur unumstritten ist. Letzteres auch deshalb, weil Peter Waskönig und ich ein altes Projekt zwischen Stadt und Universität mit dem damaligen Oberbürgermeister Poeschel wiederbeleben konnten, das vor meiner Amtszeit im zwischenmenschlichen Sumpf bereits versunken schien: das spätere Erfolgsmodell „Technologie- und Gründerzentrum Oldenburg“ (TGO). Es war zugleich ein Neustart für eine engere, qualitativ neue Zusammenarbeit zwischen Universität und …

Stadt Oldenburg …

mit ihren politischen Mandatsträgern sowie ihrer Verwaltung. Für verbesserungsbedürftig hatte ich in meiner Antrittsrede das Zueinander von Stadt und Universität charakterisiert und Oberbürgermeister Poeschel zum gemeinsamen Überlegen eingeladen. Ob zum Beispiel Studierende nach Oldenburg kommen, ist nicht eine Sache der Universität allein.

Ein Empfang für Vertreter der Universität im April 1999 im Rathaus der Stadt anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Hochschule folgte und kennzeichnete den qualitativen Neubeginn unseres Miteinanders. Im Februar 2000 kam der Rat der Stadt einer Einladung des Präsidiums folgend zu seiner regulären Ratssitzung in die Hochschule, um seine Verbundenheit mit der Universität über alle Parteien hinweg ausdrücklich zu dokumentieren. Und es kam wie angestrebt: Die gute Zusammenarbeit mündete in einen Kooperationsvertrag. „Die Stadt Oldenburg ist ohne Universität kaum noch denkbar“, überschreibt das UNI-INFO 9/2002 seinen Bericht und OB Schütz bekannte öffentlich, die Universität sei der entscheidende Wirtschaftsförderungsfaktor für die Stadt geworden. Bei meinem Abschied sagte er: „Ohne einen Universitätspräsidenten, der im bildlichen Sinne viele Mauern eingerissen hat, die eine Zusammenarbeit vorher behindert haben, wäre dieser Prozess nicht vorstellbar.“

Nicht nur durch den inzwischen angelaufenen Bau des TGO, bei dem die Universität und die Fachhochschule Oldenburg durch Einwirken von Peter Waskönig zu Mitgesellschafter wurden, sondern auch in anderen regionalen Zusammenhängen und Gremien wurde die Zusammenarbeit intensiviert. Die Stadt Oldenburg lud den Präsidenten der Universität als kooptiertes Mitglied zu den Sitzungen ihres Wirtschaftsförderungsausschusses.

Außerhalb und innerhalb der Universität flochten immer mehr Köpfe und Meinungsträger ein immer enger werdendes Netz von Aktivitäten, um in der Verfolgung ihrer partikularen oder gemeinsamen Interessen in Kunst und Kultur, Wirtschaft und Recht, Erziehung und Bildung, Wissenschaft und Technik die Universität zum gegenseitigen Vorteil mit einzubinden. Die Terminkalender quollen aus allen Nähten und manchmal hatte ich den Eindruck, die …

Region …

erfinde sich neu und sei total im Aufbruch. Diese Stimmung hatte ich selbst mit erzeugt und ließ mich gerne von ihr mitreißen – wie zum Beispiel auf dem Adventsempfang der Stadt Wildeshausen in einer Rede über „Wissenschaft und Wirtschaft – Zur Zukunft der Region“, wo ich für eine Bündelung aller innovativen Kräfte im Nordwesten jenseits aller politischen Ränkespielchen, Proporz und Gefälligkeiten warb. Kein Jahr später konnte das Präsidium den Erhalt einer Stiftungsprofessur „Entrepreneurship“ verkünden – finanziert vom Arbeitsgeberverband, dem Nord-West-Metall Verband, der Wirtschaftlichen Vereinigung Oldenburg (Der Kleine Kreis), nachdem die Universität schon 2000 im Landeswettbewerb um die gründerfreundlichste Hochschule prämiert (Power-Nordwest) worden war.

Auch die bereits erwähnte Initiativgruppe „Spitzen aus Nordwest“ (darin vertreten der OLB-Vorstandssprecher Dr. Bleckmann, OFFIS, die IHK, die Fachhochschule und Landtagspräsident a. D. Horst Milde sowie die Universität) mit ihrem Weißbuch (Februar 2001) über die Stärken und Schwächen und die Chancen künftiger wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Entwicklungen im Nordwesten ist aus dem vorgenannten regionalen Netzwerk hervorgegangen. Mit ihrem Fingerzeig auf die Leistungsstärken einerseits, die Schieflage in der Mittelverteilung des Landes in Richtung Nordwesten andererseits wollten die Herausgeber der Landesregierung zahlenbelegt aufzeigen, „wo aus unserer Sicht die regionalen Gegebenheiten eine hohe Dynamik hinsichtlich Wert schöpfender Entwicklungsmöglichkeiten versprechen“, wie es in den Vorbemerkungen des Weißbuchs heißt.

Diese Publikation sorgte für mehr politisches Furore in Hannover, als wir ursprünglich vermutet hatten (auch wenn sie nicht gleich den Geldsegen in die Region brachte), und sie war Argumentationshilfe für die Landtagsabgeordneten aus der Region – gleich welcher Partei. Mehr noch: Die Ergebnisse nahm ein themenspezifisch erweiterter Initiativkreis mit der Bezeichnung „Oldenburg – die 3-I-Region – Ideen, Initiativen, Innovation“ als Grundlage für die Formulierung von Kernstrategien und Aktionsmöglichkeiten zur nachhaltigen Entwicklung im nördlichen Weser-Ems-Raum auf und gab Empfehlungen für die Umsetzung der innovativen Stärken im Nordwesten in Bezug auf sechs verschiedene Handlungsfelder: Informations- und Kommunikationstechnologien, Intelligente Automobiltechnik, Individueller Tourismus, Gesunde Ernährung, Effiziente Energiewirtschaft und Leistungsfähiges Gesundheitswesen. Der Rat der Stadt machte sich im März 2001 diese Handlungsfelder mit großer Mehrheit zu eigen und verpflichtete sich damit, in seiner Rolle als Oberzentrum „aktiver als in der Vergangenheit […] die nördliche Weser-Ems-Region konstitutiv in ihre Strategien einzubeziehen“ (UNI-INFO 4/01). Insbesondere aus Sicht der Universität wurden in Anknüpfung an das Weißbuch und eingedenk der bereits bestehenden „Leuchttürme“ Neurokognitionsforschung und Kompetenzzentrum für Hörgeräte-Systemtechnik unter dem Kürzel „Formel 2010“ für kurz- und mittelfristige Zielvorstellungen vier Innovations- und Handlungsfelder für eine Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik im Nordwesten skizziert: der Energiebereich, das eLearning, die Meeres- und Küstenforschung sowie die Sicherheitskritischen Systeme im Bereich Informatik. Unter diesen Vorzeichen versammelten wir kompetente Vertreter, um ein Marketing zu schaffen, „das ansässige Firmen zur Zusammenarbeit mit der Universität bewegt und neue Unternehmen in die Region holt“ (UNI-INFO 7/02). Das im März 2004 feierlich eröffnete Zentrum für Windenergieforschung ist dafür ein besonders gutes Beispiel.

Dass einmal der Präsident der Universität gemeinsam mit der IHK Oldenburg die gleichlautenden beiderseitigen Vorstellungen zur Forschungs- und Wirtschaftsentwicklung einem Niedersächsischen Ministerpräsidenten unterbreiten würden – verbunden mit der Aufforderung, das Land möge seine eigenen Entwicklungspotenziale im Nordwesten politisch zur Kenntnis nehmen – war im Gesamtzusammenhang all dieser Aktivitäten zweifellos ein Novum. Auch im Bereich Medizin gab es erste konkrete Initiativen in meiner Amtszeit. Wir arbeiteten bereits unter Einbeziehung des HWK und der Fachhochschule an einem Konzept für einen Forschungsverbund, mit dem auch die Einrichtung eines Kompetenzzentrums Nordwest: „Altern – Gesundheit – Technik. Technische und soziale Re-Habilitation von Sinnes- und Mobilitätseinschränkungen im Altern“ verknüpft und an dem das Sozialministerium interessiert war. Im September 2003 erfolgte für mich dann eine neue private und nachhaltige Begegnung mit Prof. Dr. Rudolf Raab von den Städtischen Kliniken, zu der ich aus der Universität Prof. Dr. Weiler hinzuzog und damit am Ende meiner Amtszeit einen intensiven Planungsprozess für die Gründung einer medizinischen Fakultät in Gang setzte.

Abschied

Loszulassen von der Arbeit ist nicht leicht, wenn selbstgesetzte Ziele noch nicht erreicht und Aufgaben noch nicht abgearbeitet sind. Zumal ich von vielen Menschen innerhalb und außerhalb der Universität gedrängt wurde, mich einer Wiederwahl zu stellen. Aber es kam anders als selbst gewollt und von anderen gewünscht. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die öffentliche Reaktion. Hunderte Briefe, Mails, Anrufe und gar Bitten, nicht zu früh aus der noch längst nicht abschließend getroffenen Wahl auszusteigen, erreichten mich und vermittelten mir eine nie dagewesene öffentliche Stimmung, die zwar dem „Dirigenten“ applaudierte, aber in meinen Augen vor allem die Universität und deren Entwicklung in den zurückliegenden sechs Jahren einschließlich ihres Hineinwachsens in den Nordwesten meinte.

Plötzlich und erneut, als ich einige Monate später vor und mit vielen hundert Menschen meinen „be-Flügel-ten Abschied“ zelebrierte, wurde mir deutlich, dass ich offensichtlich „die endgültige Versöhnung zwischen der Universität und der Region zustande gebracht“ hatte, wie es Hans-Jürgen Appelrath und Rainer Rheude im UNI-INFO formulierten (6/2004). Was mich ärgerte war, meine Pläne nicht zu Ende führen zu können und endlich eine Universität Oldenburg zu realisieren, die in Wissenschaft und Verwaltung in der Hochschullandschaft und in der Region Vorbildcharakter besitzt und sich darin stets als „offen für neue Wege“ zeigt.

[1] Gerhard Harms und Peter Waskönig (Hrsg.), „Mehr Lust als Last?“ Der Gründungsrektor sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der Carl von Ossietzky Universität über ihre Herausforderungen und Erfolge 1974-2015, Oldenburg 2017, BIS-Verlag.

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