Prof. Dr. Hans-Dietrich Raapke
Prof. Dr. Hans-Dietrich Raapke
Kommissarischer Präsident der Universität von 1979-1980
Prof. Dr. Hans-Dietrich Raapke, 1929 in Hannover geboren, absolvierte in den Nachkriegsjahren zunächst eine Landwirtschaftslehre, bevor er sich 1951 an der PH Göttingen einschrieb. Nach dem Lehrerexamen studierte er an der dortigen Universität weiter, promovierte 1957 und wurde Leiter des Weiterbildungsbereichs („Göttinger Seminarkurse“). 1965 wurde der Erziehungswissenschaftler an die Pädagogische Hochschule Oldenburg berufen, die er vor Gründung der Universität von 1970 bis 1972 leitete. Als Verfechter einer wissenschaftlichen Lehrerausbildung machte er sich bundesweit einen Namen. Nach seiner kommissarischen Präsidentschaft (1979-1980) war er als Vizepräsident (1980-1982) in der Hochschulpolitik aktiv und entscheidend an der Weiterentwicklung der Oldenburger Lehrerausbildung beteiligt. Auch nach seiner Emeritierung 1997 war Raapke weiterhin als Erziehungswissenschaftler tätig und beriet u. a. Schulen bei ihren Planungen. 2016 starb er nach langer schwerer Krankheit.
Persönlicher Rückblick auf die Amtszeit
(aus „Mehr Lust als Last?”[1])
Der erste Staatskommissar
Dass ein Staatskommissar zur Leitung einer Universität eingesetzt wird, kommt selten vor. Die Oldenburger Universität hat nunmehr zwei Staatskommissare erlebt, der erste war ich. Dr. Heide Ahrens, Vizepräsidentin für Verwaltung, wurde in jüngster Vergangenheit die zweite Kommissarin. Dies ist der Ausweis von lebendigen und teils lebhaften Auseinandersetzungen mit dem Wissenschaftsministerium, der Landesregierung und in der Universität selbst.
1978 war das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) mit der neuen Präsidialverfassung in Kraft getreten. Im Sommersemester 1979 hätte der erste Präsident der Universität gewählt werden sollen. Aber schon im Juni titelte das UNI-INFO, die Wahl in diesem Semester sei „gefährdet“, denn der Wissenschaftsminister hatte den aussichtsreichen Kandidaten Dr. Jürgen Weißbach von der Wahl ausgeschlossen. Weißbach erfülle als Leiter der Kontaktstelle für wissenschaftliche Weiterbildung (KWW) nicht die formalen Voraussetzungen für das Amt des Präsidenten.
Am Ende des Sommersemesters hatten der Rektor der Universität, Prof. Dr. Rainer Krüger, und sein Stellvertreter, Prof. Dr. Friedrich W. Busch, sich angesichts dieser Lage für außerstande erklärt, ihre Ämter weiterzuführen. Zum 1. August traten sie zurück – ohne Verabschiedung und ohne Dank. Sie sahen keine Möglichkeit, dass in nächster Zeit ein Präsident gewählt werden könne. Jürgen Weißbach war vor das Verwaltungsgericht gegangen, das Ministerium dann vor das Oberverwaltungsgericht. Dadurch entstanden beträchtliche Verzögerungen. Die Einsetzung eines „Beauftragten für die Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Universität Oldenburg“ war damit unvermeidlich geworden.
Für die Auswahl des Beauftragten sollten formale Kriterien gelten, zum Beispiel schon früher in ein Leitungsamt der Hochschule gewählt worden zu sein. Da ich 1970 bis 1972 Dekan der Abteilung Oldenburg der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen gewesen war, sah ich keinen vertretbaren Grund, die Anfrage des Ministers abzulehnen. Dass ich die Amtsgeschäfte ein Jahr lang führen sollte, war nicht vorauszusehen.
Vor der neuen Aufgabe stand ich – zusammen mit dem Kanzler Jürgen Lüthje, dem späteren Präsidenten der Universität Hamburg – allein, da Vizepräsidenten nicht gewählt werden sollten. Eine zusätzliche Stelle für einen Assistenten wurde nicht bewilligt, obwohl sich auch die Oldenburger Landtagsabgeordneten Josef Dierkes und Dr. Heinrich Niewerth (beide CDU) darum bemüht hatten. Vielfältige und verlässliche Hilfe bekam ich von Pressesprecher Gerhard Harms. Geholfen und mir Mut gemacht hat am Anfang der Ministerialrat a. D. und ehemalige Präsident der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer und Vorsitzender der Universitätsgesellschaft (UGO), Gerhard Wachsmann. Er war in jeder Hinsicht ein wichtiger Förderer der Universität, dem die UGO zu Recht nach seinem Tod 1980 ihren Wissenschaftspreis für Nachwuchskräfte widmete. Unterstützung bekam ich auch von gewerkschaftlicher Seite in Oldenburg und natürlich auch von meinen Kollegen Hermann Helmers, Jost von Maydell und Wolfgang Schulenberg.
Der Ausbau – das dominierende Thema
Das zunächst dominierende Thema war die schwierige Planung und Realisierung des Ausbaus der Universität. Für das auf Lehrerausbildung und Diplom-Pädagogen konzentrierte Fächerspektrum in der aus der Pädagogischen Hochschule hervorgegangenen Universität mussten Ergänzungen und Alternativen entwickelt werden, um das Angebot für Studienanfänger zu erweitern. Andererseits befürchtete Wissenschaftsminister Prof. Pestel einen Rückgang der Zahl der Studierenden, was nachgewiesenermaßen für den Nordwest-Raum nicht galt. Der Wissenschaftsrat hatte mit skeptischer Tendenz – insbesondere gegenüber dem Ausbau der Naturwissenschaften – etliche Fragen an die Universität gerichtet. Die Antwort von Rektor Rainer Krüger mit gut fundierten Materialien, die inzwischen revidierte Position des Wissenschaftsministers in Hannover sowie die energische Intervention von Gerhard Wachsmann scheint den Wissenschaftsrat überzeugt zu haben, denn mit Datum vom 16. November 1979 gab der die Empfehlung zum weiteren Ausbau der Naturwissenschaften einschließlich Mathematik und der Sporteinrichtungen. In der Universität wurde das mit Erleichterung aufgenommen, nicht zuletzt von den neuberufenen Professoren. Für die nächsten Schritte arbeiteten Kanzler Jürgen Lüthje und ich um die Jahreswende einen weitreichenden Plan zur Erweiterung des Fächerspektrums aus.
Die Empfehlung des Wissenschaftsrates schien für den Ausbau zur „Volluniversität“ – wie es damals häufig
hieß – ein günstiges Signal zu sein. Aber wenig später, schon im Januar 1980, alarmierte der inzwischen vierte Kürzungsplan des Wissenschaftsministerums die Universität erneut. Unter anderem sollte der Diplomstudiengang Physik aufgelöst und der vom Minister mehrfach zugesagte Studiengang Rechtswissenschaft doch nicht eingerichtet werden. Alle Organisationen, Verbände und Gruppen in Oldenburg, die gerade noch die positiven Signale begrüßt hatten, zeigten sich empört oder fassungslos: „Für die Region eine schallende Ohrfeige“ war eine der Äußerungen (UNI-INFO 1/80). Dabei hatte noch am 28. Dezember 1979 Staatssekretär Möller öffentlich in Oldenburg erklärt, die Landesregierung wolle die Naturwissenschaften gemäß den Empfehlungen des Wissenschaftsrates ausbauen. Aber schon im Februar wieder ein anderes Signal: Laut Minister Pestel stand der Studiengang Physik doch nicht mehr in Frage, von Streichung sei „keine Rede“. Aus der Region waren gebündelt Proteste gekommen und eine Demonstration (mit Schneeballwerfen) hatte offenbar auch gewirkt. Verpackungskünstler Christo diente den Studierenden als Vorbild dafür, das AVZ (heute A1–A4) mit Plastikfolie in ein Riesenpaket zu verschnüren mit der Adressierung: „An das MWK, z. Hd. Minister Pestel: Wegen unvollständiger Lieferung zurück!“
Im Hinblick auf die Rechtswissenschaften beschloss die Landesregierung, eine Kommission zu bilden. Sie sollte die Errichtung eines Jura-Fachbereichs prüfen. Im Juli 1980 trat sie unter dem Vorsitz des renommierten Juristen Prof. Friedrich Merzbacher von der Universität Würzburg zusammen und ihre Empfehlung fiel im März 1981 positiv aus – allerdings gegen die Stimmen der Vertreter der Ministerien. Diese Empfehlung wurde von allen wichtigen Institutionen der Region fast ausnahmslos begrüßt, auch von den Parteien im Landtag. Allerdings wurde schließlich im Februar 1984 ein Fachbereich Rechtswissenschaften für Oldenburg mit einer Mehrheit von nur zwei Stimmen im Landesparlament abgelehnt (siehe dazu auch den Beitrag von Horst Zillessen).
Die oben erwähnte Empfehlung des Wissenschaftsrats für den Ausbau vor allem der Naturwissenschaften betraf neben der Personalausstattung auch die dafür notwendigen Bauten. Doch das war noch nicht die letzte Hürde. Der Bund als Geldgeber für den Hochschulbau verfügte gegen Jahresende 1979 einen Finanzierungsstopp für alle Bauten, die nach 1980 begonnen werden sollten. Der Bau des großen naturwissenschaftlichen Komplexes konnte jedoch unmöglich so schnell realisiert werden. Deshalb haben wir – insbesondere Kanzler Jürgen Lüthje und die Bauabteilung der Universität – binnen zwei Wochen durchgesetzt, dass bereits im Dezember der Bau des Energielabors vorgezogen werden konnte. Damit war der Bau begonnen und das gesamte Bauprojekt Naturwissenschaften gerettet. Das Energielabor war unter der Leitung des Physikers Prof. Luther konzipiert worden und sollte sich selbst mit Sonnen- und Windenergie sowie Wärmepumpen mit Energie versorgen – ein bis dahin in der Bundesrepublik einmaliger Bau.
Inzwischen war im Mai 1980, also noch während meines Amtsjahres, der Bau des Zentralbereichs mit Bibliothek, Mensa und Sportanlagen mit einem Spatenstich von Minister Pestel begonnen worden. Er wurde 1982 fertiggestellt.
Diskussion um Medizin
Zeitweilig stand auch die Einrichtung des Fachs Medizin zur Diskussion. Außer der Universität hatten daran auch Oldenburger Ärzte ein verständliches Interesse. Daraus wurde nichts, weil das Land Niedersachsen bereits genügend Ausbildungskapazität habe – so eine der Begründungen. Aber in längeren Verhandlungen – vor allem mit der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen – wurde erreicht, dass die großen Oldenburger Kliniken zu Lehrkrankenhäusern der Universität Göttingen erklärt wurden. Für die habilitierten Ärzte und für die Kliniken insgesamt hatte das Vorteile. Als Kompensation für den Verlust der Medizin war noch eine Weile die weniger aufwändige Zahnmedizin im Gespräch, der Wissenschaftsrat hatte Pharmazie vorgeschlagen, und auch ein agrarwissenschaftlicher Fachbereich mit dem Schwerpunkt „Tierische Veredelungswirtschaft“ stand kurze Zeit zur Diskussion. Aber das hat alles keine hohen Wellen mehr geschlagen.
Die Entwicklung der Universität verlief insgesamt diskontinuierlich, denn die Hochschulpolitik der
Landesregierung hatte keine Kontinuität. „Einen eigenartigen Regierungsstil“ hatten das einige Landtagsabgeordnete, so der stets hilfsbereite Horst Milde sowie Johann Bruns und Inge Wettig-Danielmeyer (alle SPD), kritisiert. Auch die Oldenburger CDU-Abgeordneten Josef Dierkes und Dr. Heinrich Niewerth standen fast immer auf der Seite der Universität, ebenso der FDP-Abgeordnete Erich Küpker und in Hannover sein Parteifreund Walter Hirche, der eine deutliche Verschlechterung im Verhältnis des Wissenschaftsministeriums und der Hochschule konstatierte. Vermerken möchte ich aber auch, dass im Ministerium Staatssekretär Rolf Möller ein immer verbindlicher und im Rahmen der ihm gezogenen Grenzen entgegenkommender Gesprächspartner war.
Die Diskontinuität zeigte sich in der Mittelvergabe und auch im immer neuen Jonglieren mit der Zahl der Studienplätze. 1974 wurde vom Land noch eine Gesamthochschule (Universität mit Fachhochschule) mit 14.300 Studienplätzen geplant, 1976 waren für die Universität zunächst 8.600, dann 5.800 Studienplätze vorgesehen, für meine Amtszeit galt 1979 die Zahl 6.800. Diese Politik fand in der Öffentlichkeit so gut wie kein Verständnis, und in der Universität gab es Irritationen in schneller Folge.
Ein Reformmodell stirbt
Ein weiteres schwieriges Thema war der Umgang des Kultusministeriums und des Wissenschaftsministeriums mit der Einphasigen Lehrerausbildung. Schon 1972 hatte der niedersächsische Kultusminister beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft den Modellversuch der einphasigen integrierten Lehrerausbildung beantragt. Die Integration der Lehrer aller Schularten – und stattdessen – eine Ausbildung nach Schulstufen fiel schon bald aus politischen Gründen weg. Aber die Einphasige Lehrerausbildung (ELAB) lief nach zwangsläufigen Anfangsschwierigkeiten allmählich immer besser. Nur in der berufspraktischen Ausbildung der Lehrkräfte für die Sekundarstufe II gab es permanent Widerstände. Bewährt hat sich neben der täglichen Praxis auch der schon früh gebildete „Gesprächskreis Schule – Universität“ für die Zusammenarbeit zwischen Universität und Schulen bzw. Schulverwaltungen mit einer eigenen Verfahrensregelung. Aber ähnlich wie bei anderen Bereichen gab es im Verhältnis zum Kultusministerium ständige Unklarheit durch hin und her gehende Vorschläge vonseiten der Universität und des Ministeriums sowie durch mehrfache Änderungen in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für die Einphasige Lehrerausbildung. Die Verzögerungen im Schaffen von Rechtsgrundlagen belasteten den Modellversuch. Zudem wurde an den meisten Gymnasien im Einzugsbereich der Universität die Mitwirkung von Kontaktlehrern an der schulpraktischen Ausbildung verweigert. Der Widerstand gegen die ELAB kam im Wesentlichen vom Philologenverband – und meistens im Bündnis mit der CDU. Es ging im Kern genau wie heute – 2010 – darum, den Status des Gymnasiums unverändert zu erhalten. In einer langen öffentlichen Kampagne wurde die Beendigung des Modellversuchs und schließlich in einer Pressekonferenz der „Gnadenschuss für die Einphasige Lehrerausbildung“ (NWZ 6.2.1979) gefordert (immerhin mit Gnade). Zum 15.9.1980 beendete das Kultusministerium den Modellversuch für die Sekundarstufe II, 1981 lief er endgültig aus.
Kultusminister Werner Remmers gab dann Gutachten in Auftrag: an den renommierten Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Carl-Ludwig Furck, den Ltd. Regierungsschuldirektor Kurt Ewert und Oberstudiendirektor a. D. Dr. Werner Ohaus. Schon vorher hatte das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt (Peter Döbrich, Christoph Kodron, Prof. Wolfgang Mitter) ein Gutachten erstellt. Beide Gutachten unterscheiden sich in Einzelheiten, nicht jedoch in ihrer Gesamtwertung, und die fiel weit positiver aus als das selbst von vielen in der Universität vermutet worden war. In allen Gutachten wird – wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten – betont, dass es sich bei dem Modellversuch ELAB um den am weitesten ausgreifenden Reformversuch in der Lehrerausbildung der letzten Jahrzehnte gehandelt habe. Aber dieses Modell habe offenbar die Toleranzbereitschaft einiger
politisch einflussreichen Gruppen überbeansprucht.
Selbst Minister Remmers konzedierte, der Modellversuch habe sich gelohnt, aber dem auf ihn ausgeübten Druck hat er nicht widerstanden. Unbeeindruckt blieben die Kritiker auch von der durchweg positiven Resonanz auf die Einphasige Lehrerausbildung aus dem Ausland. Sie wurde ihnen gleichsam ins Haus getragen von der 5. Jahreskonferenz der „Association for Teacher Education in Europe“ (ATEE), die im September 1980 in der Universität stattfand. Einer der energischsten Verfechter der ELAB, Prof. Dr. Friedrich W. Busch, wurde nicht ohne symbolische Bedeutung in Oldenburg zum Präsidenten der ATEE gewählt.
Zu einem heftigen Streit führte in der Universität die nach dem NHG vorgesehene Einrichtung von Instituten und Seminaren. Bis dahin gab es in Oldenburg unterhalb des Präsidenten nur die eine Ebene der Fachbereiche mit den Fachbereichsräten, in der die Mitbestimmung von wissenschaftlichen Mitarbeitern, „Dienstleistern“ und Studierenden geregelt war. Diese Mitbestimmung sollte in der neuen Ebene darunter in den Instituten und Seminaren wegfallen. Der Protest der Betroffenen war verständlich. Die Fachbereichsräte waren dagegen, und auch der Senat votierte mit knapper Mehrheit gegen Institute. Vier Professoren der Liste „Demokratische Hochschule“ legten dagegen mit einem Minderheitsvotum einen Plan für die Einführung der Institute und Seminare vor. Nach langen Diskussionen hat die Universität dann einen eigenen Organisationsplan vorgelegt, für den der Minister im Oktober 1980 eine Teilgenehmigung erteilte, in der aber zugleich für die Einrichtungen von Instituten und Seminaren ein Oktroi angekündigt wurde (siehe auch den Beitrag von Horst Zillessen).
Das Stichwort „Oktroi“ wirft im Übrigen ein Schlaglicht auf den politischen Umgangsstil jener Zeit. So etwa wurde der Universität der Gebrauch des Wortes „Berufsverbot“ untersagt, der Studentenschaft wieder und wieder das politische Mandat entzogen. Es blieb auch nicht aus, dass ich als beauftragter Präsident einige Male gegen politisch relevante Ministererlasse „remonstrieren“ musste. Weil ich mich geweigert hatte, auf Wunsch eines Studenten aus dem rechten Lager den Schriftzug „Carl von Ossietzky“ vom Turm entfernen zu lassen, wurde ich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde überzogen und ins Ministerium zitiert, wo das allerdings als erledigt erklärt wurde.
Nach außen hin scheint manchen die Universität unheimlich gewesen zu sein. Auf einem der vielen Empfänge, die das Amt mit sich bringt, bedauerte mich – wie öfter auch andere – ein Zeitschriftenverleger, die Arbeit in der Universität sei wohl schwierig und unangenehm, sicher auch manchmal gefährlich. Ich habe ihn in eins meiner Seminare eingeladen, aber er kam nicht. Als der neue Kommandierende General der damals in Oldenburg stationierten Division seinen Antrittsbesuch in der Universität machen wollte, rief vor dem verabredeten Termin die Sekretärin etwa halbstündlich an, ob die Sicherheit des Generals wirklich gewährleistet werden könne. Er kam unbehelligt und erleichtert zu mir, und wir haben uns gut unterhalten.
Eine lange Geschichte war – auch für meinen Vorgänger und meine Nachfolger – der Streit um den Namen „Carl von Ossietzky“ für die Universität. Die Auseinandersetzungen hatten 1972 im Gründungsausschuss begonnen – während meiner Amtszeit vom Herbst 1979 an fanden sie zunächst im Landtag statt. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Carl Ewen, Walter Polkehn u. a. forderten die Landtagsfraktion ihrer Partei auf, die Universität in der Frage der Namensgebung zu unterstützen. Ein entsprechender SPD-Entschließungsantrag wurde jedoch abgelehnt. Anfang 1980 wurde die Namensgebung auf Antrag der Universität vor dem Oldenburger Verwaltungsgericht mit der Frage verhandelt, ob sich die Universität selbst einen Namen geben dürfe. Die Universität hat den Prozess verloren, aber keineswegs aufgegeben, an ihrer Entscheidung festzuhalten, dass die Universität den Namen des nach der Inhaftierung im Konzentrationslager Esterwegen verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky führen sollte. Gerhard Harms hat sich dabei besonders engagiert, und der Name Carl von Ossietzky Universität wurde so auch ohne offizielle Bestätigung zu einem Teil der Identität unserer Hochschule.
Erster Kooperationspartner – die Universität Groningen
Ein erfreulicher Höhepunkt für die Universität und somit auch für mich selbst war der Abschluss des Kooperationsvertrags mit der Rijksuniversiteit Groningen am 17. April 1980 in Groningen.
1975 hatte eine kleine Gruppe von Oldenburger Wissenschaftlern in Groningen eine Art „Antrittsbesuch“ des neuen Nachbarn jenseits der Grenze gemacht. Es entstand ein zunehmend intensiver Informationsaustausch. 1979 überraschte dann das Groninger Institut für wissenschaftliche Weiterbildung mit der Initiative für ein groß angelegtes Symposium der beiden Universitäten zur Regionalentwicklung. Die Kontakte begannen offizieller zu werden. Nach der feierlichen Vertragsunterzeichnung am Vormittag, fand das geplante Symposium statt und war Auftakt für zahlreiche weitere Kontakte. Etwa achtzig Wissenschaftler und Studierende aus Oldenburg nahmen an dem Symposium teil, ebenso Vertreter der Regionalverwaltungen. Die Schwerpunktthemen hießen „Innovation“, „Zukunft“, „Ökologie“ und „Planologie/Regionalplanung“.
Für Oldenburg war es – und ist es auch heute – von erheblicher Bedeutung, dass eine so große und traditionsreiche Universität in den Niederlanden mit der Oldenburger Neugründung kooperieren wollte. Neben den wissenschaftlichen Aspekten bekundeten die Groninger besonderes Interesse an den Erfahrungen der Oldenburger bei der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und hofften auf Anregungen für die eigene gesellschaftspolitische Öffnung der Hochschule. Ausbildung und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern war ein wichtiger Aspekt, darüber hinaus die Regionalplanung beiderseits der Grenze und nicht zuletzt das breite Gebiet der Küstenforschung. Beide Universitäten hatten sich schon damals mit der Vertragsunterzeichnung verpflichtet, jährlich mindestens 50.000 Gulden bzw. D-Mark für die Kooperation bereitzustellen.
Mir war es wichtig, anlässlich der Vertragsunterzeichnung auch dies zu sagen: „Wir sind der Universität Groningen dankbar, dass sie während der Nazizeit deutsche Emigranten aufgenommen und ihnen die Weiterführung ihrer wissenschaftlichen Arbeit ermöglicht hat. Ich nenne nur den Namen des Philosophen und Soziologen Helmuth Plessner, der uns nach seiner Rückkehr immer wieder daran erinnert hat, die Verbindung nach Groningen zu suchen.“
Die erste Wahl eines Präsidenten
Am 4. Juni 1980 war Dr. Horst Zillessen mit knappem Vorsprung vor Jürgen Lüthje zum Präsidenten gewählt worden. Vizepräsidenten wurden Prof. Dr. Peter Köll und ich.
Am 6. Oktober 1980 wurde dann der erste gewählte Präsident der Oldenburger Universität von Staatssekretär Möller – nicht wie sonst vom Minister – feierlich in sein Amt eingeführt. So wie ich während meines Amtsjahres bemüht war, viele und gute Kontakte zur Öffentlichkeit zu pflegen, hatte ich dazu viele Gäste eingeladen, darunter auch, was ungewohnt war in der Universität, Vertreter der Bundeswehr. Das trug mir Kollegenkritik ein. Nach dem Bericht, den ich zu erstatten hatte, führte der Staatssekretär in einer abgewogenen Mischung von Ermahnung und Wünschen für Glück und Erfolg den Präsidenten ins Amt ein. In kluger Rede sagte die AStA-Sprecherin Edith Goldmann alles, worüber die Studierenden – und mit ihnen viele in der Universität – zu klagen hatten und wandte sich an den neuen Präsidenten mit dem Satz: „Wir befürchten, Glück allein genügt nicht.“
[1] Gerhard Harms und Peter Waskönig (Hrsg.), „Mehr Lust als Last?“ Der Gründungsrektor sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der Carl von Ossietzky Universität über ihre Herausforderungen und Erfolge 1974-2015, Oldenburg 2017, BIS-Verlag.