Dr. Heide Ahrens

Kommissarische Präsidentin der Universität von 2008-2010

Dr. Heide Ahrens, 1962 in der Lüneburger Heide geboren und aufgewachsen, studierte in Bonn Politologie, Kommunikationswissenschaften und Germanistik. Nach dem Examen arbeitete sie zunächst für das Bundespresseamt und im Bundestag als Wissenschaftliche Mitarbeiterin. Nach der berufsbegleitenden Promotion im Jahr 1994 wechselte sie als Referatsleiterin an die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, wo sie von 1995 bis 1999 tätig war. Beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft wirkte sie anschließend fünf Jahre als Programmmanagerin im Bereich „Programm und Förderung“, ehe sie 2004 an der Universität Bremen das Dezernat für Akademische Angelegenheiten übernahm. Das Amt der Vizepräsidentin für Verwaltung an der Universität Oldenburg trat sie 2007 an. Als Prof. Dr. Uwe Schneidewind 2008 als Präsident zurücktrat, übertrug das Wissenschaftsministerium Ahrens die kommissarische Leitung der Universität, die sie bis zum Amtsantritt von Präsidentin Prof. Dr. Babette Simon im Februar 2010 wahrnahm. Anfang 2011 wechselte Ahrens als Leiterin der Abteilung „Wissenschaft“ ins schleswig-holsteinische Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr. Sechs Jahre später übernahm sie diese Funktion im Land Bremen. 2020 wurde sie zur Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ernannt.

Persönlicher Rückblick auf die Amtszeit

(aus „Mehr Lust als Last?”[1])

Das zweite Kommissariat

Nach dem Rücktritt von Prof. Dr. Uwe Schneidewind bestand in der Universität der Wunsch, dass ich vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten betraut werden sollte, da ich als Vizepräsidentin für Verwaltung und Finanzen eine neutrale Position habe. Hinzu kam, dass der Vizepräsident für Forschung, Prof. Dr. Reto Weiler, zum Rektor des Hanse-Wissenschaftskollegs gewählt worden war und von daher diese Aufgabe nicht wahrnehmen konnte. Die Vizepräsidentin für Studium und Lehre, Prof. Dr. Sabine Doering, hatte von vornherein erklärt, dass sie über den 31. Dezember 2008 nicht zur Verfügung stehen würde. In der Hoffnung, dass es sich um ein etwa halbjähriges „Interregnum“ handeln würde, erklärte ich mich bereit, diese Verantwortung zu übernehmen. In der gleichen Annahme waren die Professoren Hans-Jürgen Appelrath und Mathias Wickleder gewonnen worden – ebenfalls kommissarisch – als Vizepräsidenten für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer bzw. für Studium und Lehre zu wirken. Wer hätte damals gedacht, dass es 16 Monate und für die beiden Kollegen fast zwei Jahre werden würden? Wir haben alle wichtigen Themen dieser Übergangszeit gemeinsam diskutiert, entschieden und nach außen vertreten – und zwar in einer Form, die hohe Verbindlichkeit hatte und Unkollegialität nicht zuließ. Dafür bin ich heute noch dankbar.

Dichotomie der Wahrnehmungen

Im Sommer 2008 hätten die Wahrnehmungen von außen, d. h. in der Stadt, der Region oder auch auf der Regierungsseite einerseits, und von innen, also innerhalb der hochschulpolitisch interessierten Gruppierungen in der Universität andererseits, nicht unterschiedlicher sein können. Gerade im Jahr 2008 gab es eine besondere Auszeichnung: Die sehr gute Verankerung in der Region hatte zum Sieg in dem prestigeträchtigen Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“ für das Jahr 2009 geführt. Die gemeinsame Antragstellung und das Programm hatten dazu beigetragen, die Region mit der Universität und der ebenfalls beteiligten Fachhochschule zusammenzuschweißen und einen ganz engen Zusammenhalt zu fördern.

Schon seit Herbst 2007 gab es fast monatlich neue Erfolgsmeldungen. Mit einer überaus großen Spende der EWE AG wurde das EWE-Forschungszentrum „NEXT ENERGY“ in beachtlichem Tempo aufgebaut und die Meeresforschung durch die Integration des Terramare in Wilhelmshaven und die Ansiedelung von zwei Max-Planck-Nachwuchsgruppen gestärkt. Im Verlauf des Jahres 2008 erfuhren wir außerdem, dass das Nachfolge-Forschungsschiff der „Sonne“ ebenfalls der Universität Oldenburg am Standort Wilhelmshaven zugeordnet werden würde.

Im Frühjahr 2008 wurde darüber hinaus bekannt, dass das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie eine Projektgruppe für Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Zusammenarbeit mit der Oldenburger Hörforschung einrichten würde. Es liefen weitere Gespräche zur Einrichtung von Fraunhofer Forschungsgruppen, zum einen im Bereich der Windenergie-Forschung, zum anderen im Bereich der Komponenten- und Systementwicklung von Energiespeichern für Elektroautos. Mehrere neue Stiftungsprofessuren waren eingeworben worden. Kurz: Die Universität stand glänzend da. Die Oldenburger waren großteils stolz auf „ihre“ Universität, wie ich in zahlreichen Gesprächen erfuhr. Umso weniger konnten sie verstehen, was im Inneren der Universität vor sich ging und zum Rücktritt von Prof. Dr. Uwe Schneidewind geführt hatte.

Innerhalb der Universität stellte sich die Lage deutlich anders dar. Insbesondere drei Themen erhitzten die Gemüter:

1. Als ich im März 2007 das Amt der Vizepräsidentin für Verwaltung antrat, musste ich als erstes ein strukturelles Defizit in Höhe von 2,45 Mio. € verkünden, das auf alle Fakultäten und Organisationseinheiten umgelegt werden musste. Prof. Dr. Uwe Schneidewind hatte noch im Februar 2007 den Fakultäten die Stellen auf Basis der Vorjahre zugewiesen. Verständlicherweise bestand in der Universität der Wunsch zu erfahren, wie dieses Defizit entstanden war und wofür die Gelder verwandt wurden. Abgesehen von den erheblichen Steigerungen der Energiepreise und der Steigerung der Personalkosten hatten die Vorgängerpräsidien im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung freie Mittel genutzt, um Berufungs- und Bleibezusagen zu finanzieren, notwendige Gegenfinanzierungen zu Sonderforschungsbereichen zu leisten oder auch für neue Aufgaben in der Universität zusätzliche Stellen zu schaffen. Trotzdem waren den Fakultäten und allen Organisationseinheiten unbeirrt die Stellen auf der Basis der Vorjahre zugewiesen worden. Auch wenn die Präsidien ihre gesetzlichen Rechte wahrgenommen hatten, wurde dieses Vorgehen als intransparent und illegitim empfunden. Insbesondere an Prof. Dr. Uwe Schneidewind und dem für Berufungen zuständigen Vizepräsidenten für Forschung, Prof. Dr. Reto Weiler, wurde Kritik geübt, weil eine Bevorzugung der Fakultäten II Informatik und Wirtschaftswissenschaften und V Naturwissenschaften und Mathematik unterstellt wurde. Bei den anderen Fakultäten bestand der Eindruck, „die Zeche“ für die anderen zahlen zu müssen. Es handelte sich also um eine knallharte Auseinandersetzung um Ressourcen.

2. Ein weiterer Streitpunkt war insbesondere die Frage der Fakultätsrestrukturierung, die bei der kleinsten Fakultät IV Human- und Gesellschaftswissenschaften immer wieder Ängste auslöste, doch noch – wie 2007 von Prof. Dr. Uwe Schneidewind geplant – mit der Fakultät III Sprach- und Kulturwissenschaften fusioniert zu werden. Außerdem ging es um die in diesem Zusammenhang vorgenommene Neuausrichtung der Sozialwissenschaften.

3. Vor allem aber gab es Diskussionen um die Einrichtung einer European Medical School in Kooperation mit den drei Oldenburger Kliniken und der Rijksuniversiteit Groningen, die den ersten Bachelor-/Master-Studiengang in der Medizin in Deutschland und eine neue Medizinische Fakultät an der Universität Oldenburg zur Folge haben würde. Diese Debatte wurde besonders heftig geführt – zumal die Gremien darüber erst informiert wurden, als das Land den Antrag schon zur Begutachtung beim Wissenschaftsrat eingereicht hatte. Besonders die Pläne zur Medical School verstärkten die Sorge, dass die Gewichte weiter in Richtung Naturwissenschaften zu Lasten der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer verschoben werden sollten.

Am Ende der Amtszeit von Prof. Dr. Uwe Schneidewind stand ein Richtungsstreit, der vielfach auf die Formel „Forschung versus Lehre“ reduziert wurde – eine verhängnisvolle Formel, da die Universitäten gerade Stätten von Forschung und Lehre sein sollten. Nur aus beidem können sie ihren universitären Anspruch ableiten.

Der lange steinige Weg zur Präsidenten-Wahl

Der Richtungsstreit überschattete den gesamten Findungsprozess zur Präsidentenwahl und war die Ursache, dass sich dieses Verfahren über ein Jahr hinzog. Je näher die Präsidentenwahl rückte, desto angespannter und schärfer verliefen die Debatten im Senat. Die Uneinigkeit im Senat spiegelte sich naturgemäß durch deren Repräsentanten auch in der Findungskommission. Umso bedeutender war die Rolle der Hochschulratsmitglieder in der Findungskommission unter der Leitung des Hochschulratsvorsitzenden Dr. Werner Brinker.

Generell beobachten wir in jüngster Zeit an deutschen Universitäten vermehrt langwierige und schwierige Verfahren der Präsidentenwahl. Mit dem qua Gesetz gegebenem Zuwachs von Kompetenzen sind auch die Anforderungen an dieses Amt gestiegen. Durch die höhere Autonomie der Universität müssen heute viele Konflikte, die früher zwischen Hochschulleitung und Ministerium ausgetragen wurden, inneruniversitär gelöst werden. Das Procedere der Auswahl (insbesondere die hochschulöffentliche Anhörung) wirkt gerade für die gesuchten hochrangigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler abschreckend, weil bei so vielen Akteuren die Vertraulichkeit nicht gewahrt werden kann. Und natürlich hatte die spezielle Vorgeschichte an der Universität Oldenburg das Amt nicht attraktiver gemacht – im Gegenteil!

Die undankbare Rolle des kommissarischen Präsidiums

Die kommissarische Wahrnehmung der Ämter im Präsidium führte zu einer undankbaren Rolle: Sie war aus der Sicht vieler Universitätsmitglieder nicht demokratisch legitimiert. Vor diesem Hintergrund hatten wir drei von Anfang an betont, uns auf die notwendigen Aufgaben beschränken zu wollen und keine strategischen Weichenstellungen, zum Beispiel im Hinblick auf Fragen der Fakultätsrestrukturierungen oder die Einrichtung der Medizin, vorzunehmen. Dabei ging es uns vor allem darum, für die künftige Präsidentin oder den Präsidenten Gestaltungsspielräume offen zu halten.

Diese Haltung ließ sich natürlich immer schwieriger durchhalten und gegenüber dem Ministerium und dem Hochschulrat vertreten, je länger die Vakanz an der Spitze dauerte. Es standen Entscheidungen zum weiteren Umgang mit Studienbeiträgen und zur künftigen, stärker strategischen Nutzung des Programmhaushaltes des Präsidiums an. Die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie erwies sich in vielen Kontexten als dringlich. Auch Fragen, wie künftig die Stabsstellen des Präsidiums organisiert werden sollten, mussten angegangen werden. Wir entschieden uns daher, Vorschläge zu erarbeiten, die mit dem neuen Präsidium diskutiert und abschließend in der Universität weiterentwickelt werden sollten.

Der Laden läuft

Immerhin lässt sich sagen, dass das Kerngeschäft in den Fakultäten und im Dienstleistungsbereich unbelastet weiterlief ist, wie ein Rückblick auf das Jahr 2009 zeigt:

  • Die Zahl der Studierenden stieg zum WS 2009/10 wieder über 10.000, die Zahl der Absolventen noch einmal auf 2.245 (gegenüber 2.181 in 2008).
  • Der neu aufgebaute Career Service wurde eröffnet.
  • Die „Reform der Reform“, also die Nachjustierung der Bachelor-/Master-Studiengänge, war eines der Hauptthemen im Bereich von Studium und Lehre. Obwohl unsere Universität das Thema damit früher als andere Hochschulen angegangen war, wurde auch in Oldenburg gestreikt. Die durchaus berechtigten Forderungen von Studierenden wurden in einer Senatssitzung aufgenommen und vom Präsidium aufgegriffen.
  • Bis Ende des Jahres waren unter der Federführung des Vizepräsidenten für Forschung, Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jürgen Appelrath, die Strukturpläne mit fast allen Fakultäten abgeschlossen bzw. standen kurz vor Abschluss.
  • Es wurden 23 Berufungs- und Bleibeverhandlungen abgeschlossen (bei insgesamt 169 Professuren!) – ein Rekord im Berufungsgeschäft.
  • Der Sonderforschungsbereich „Das aktive Gehör“ mit den Sprechern Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier und Prof. Dr. Georg Klump wurde um weitere vier Jahre verlängert.
  • Ein weiterer SFB (der dritte für die Universität) „Ökologie, Physiologie und Molekularbiologie der Roseobacter-Gruppe“ – in Zusammenarbeit mit der TU Braunschweig – konnte unter Federführung von Prof. Dr. Meinhard Simon erfolgreich eingeworben werden.
  • Insgesamt wurden so die Drittmittel von 18 Mio. € in 2008 auf über 21 Mio. € gesteigert.
  • Seit dem Frühjahr fanden auch die Vorgespräche für die zweite Runde der Exzellenzinitiative statt, zum einen im Bereich der Hörforschung, zum anderen in den Sozialwissenschaften mit der Universität Bremen.
  • Das Jaspers-Jubiläumsjahr 2008 hatte den Durchbruch beim Erwerb der Bibliothek des gebürtigen Oldenburgers Karl Jaspers gebracht. Mit Unterstützung der Stiftung Niedersachsen und der EWE Stiftung konnte die vollständig erhaltene Arbeitsbibliothek von Jaspers nach Oldenburg geholt werden.
  • Das neue Rücklagenmanagement wurde eingeführt und mit sehr guter Resonanz von allen Fakultäten und Organisationseinheiten angenommen.
  • Parallel lief die Pilotphase zur Einführung der Personalmittelbudgetierung mit den Fakultäten I Bildungs- und Sozialwissenschaften und V Mathematik und Naturwissenschaften sowie selbstverständlich mit der Verwaltung. Diese „Währungsumstellung“ von Stellen auf Budgets ist die logische Folge des in Oldenburg 1995 eingeführten Globalhaushalts.
  • Das neue Fitness- und Gesundheitszentrum „studiO“ des Hochschulsports am Uhlhornsweg wurde eröffnet, das in kürzester Zeit die angestrebten Nutzerzahlen erreichte.

Soviel zum Kerngeschäft.

Zwei Arten der Kooperation

In der Amtszeit von Prof. Dr. Uwe Schneidewind hatte die Kooperation mit der Universität Bremen deutlich an Bedeutung gewonnen. Nach seinem Ausscheiden galt es, seine erfolgreiche Initiative zur Kooperation im Nordwesten fortzuführen, die der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in seinem Programm „Profil und Kooperation“ ausgezeichnet hatte. Dadurch, dass das Land Niedersachsen die Förderung des Stifterverbandes verdoppelte, standen 800.000 € für die Förderung von Kooperationsprojekten Oldenburger Wissenschaftler*innen mit Kolleg*innen von der Universität Bremen und der privaten Jacobs University Bremen zur Verfügung. Durch zusätzliche Förderungen der LzO und der Bremer Landesbank wurde im Juni 2009 die NOWETAS-Stiftung gegründet, deren Vorstand – bestehend aus den drei Hochschulleitungen – nicht nur über die Vergabe dieser Fördermittel entscheidet, sondern sich darüber hinaus auch über die Hochschulentwicklungsplanung abstimmen soll. Parallel zu diesen Aktivitäten war auf Initiative der beiden Universitäten die Vereinbarung eines Länderabkommens zwischen Niedersachsen und Bremen vorbereitet worden, das schon im Mai 2009 in Bremen unterzeichnet wurde.

Im Herbst 2008 beobachteten wir mit Interesse, dass das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) eine Strukturkommission eingesetzt hatte, die Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven (FH OOW) geben sollte. Überrascht waren wir, als wir Anfang Februar 2009 von Staatssekretär Dr. Josef Lange erfuhren, dass nicht nur die FH OOW aufgeteilt, sondern die neu entstehende FH Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth mit der Universität durch ein „Steering Board“ verbunden werden sollte, das die Verwaltung mit einschloss, um die Entwicklungsplanung abzustimmen. Die nur aus Fachhochschulvertretern bestehende Kommission hatte sehr weitreichende „Empfehlungen für die Entwicklung der Hochschulen im Nord-
westen“ verabschiedet, die die Universität Oldenburg massiv berührten. Immerhin wurden seitens des Ministeriums erhebliche Fördermittel für die Kooperation in Aussicht gestellt (von bis zu 5 Mio. € p. a. für 5 Jahre – wie bei der Niedersächsischen Technischen Hochschule – war die Rede), insbesondere natürlich für den akademischen Bereich; Verwaltung sollte – wie fast immer – möglichst nichts kosten. Hier war also ein strategisches Thema von eminenter Bedeutung, mit dem das kommissarische Präsidium umgehen musste. Trotz Bedenken nahmen wir durchaus kooperationsbereit mit dem Präsidium der FH OOW unter der Leitung der kommissarisch amtierenden Präsidentin Christiane Claus die Gespräche auf. Zwei Übergangspräsidien, beste Voraussetzungen also für die Verhandlungen mit dem MWK …

Der Gesetzentwurf kam im Mai 2009 und wies zu unserem Entsetzen dem geplanten „Lenkungsausschuss“ weitreichende Kompetenzen zu: Die Hochschulentwicklungsplanung in Schnittstellenbereichen, die Stellenfreigabe von Professuren und die Entscheidung über die Berufungslisten! Sowohl das Präsidium als auch der Senat der Universität sahen hierin eine Aushöhlung der Kompetenzen des Präsidiums und forderten in der Anhörung des Wissenschaftsausschusses, die extrem kurzfristig anberaumt stattfand, die Streichung der weitreichenden Kompetenzzuweisungen. Bei der Entscheidung über die Berufungslisten gelang das. Außerdem wurde nach massiver Intervention erreicht, dass der/die Vorsitzende des Lenkungsausschusses, der/die im Falle einer Uneinigkeit zwischen den Hochschulleitungen die entscheidende Stimme hat, vom Ministerium nicht nur im Einvernehmen mit den Hochschulräten ernannt werden kann, sondern dazu auch die Zustimmung der Senate beider Hochschulen gehört. Einmal jährlich sollen die Hochschulräte – gemeinsam mit dem Hochschulrat der Hochschule Emden/Leer – tagen und sich über die Hochschulentwicklungsplanung im Nordwesten verständigen. Im akademischen Bereich, in dem es schon länger – auch ohne staatliche Vorgaben – erfolgreiche Kooperationen gibt (Hörtechnik, Informatik, Engineering Physics), wurden sieben Arbeitsgruppen eingesetzt; für die Dienstleistungsthemen fanden in den einzelnen Bereichen – Personal, Finanzen, Gebäudemanagement, Bibliothek, Hochschulrechenzentrum – zahlreiche Gespräche statt, und die verliefen größtenteils zäh, zäh, zäh. So ist der Rahmenkooperationsvertrag, der qua Gesetz geschlossen werden musste, in jeder Hinsicht ein Oktroi, dessen Umsetzung zudem kostenneutral laufen soll – was letztlich bedeutet, dass die Kooperation zu Lasten der Universität geht: Keine vielversprechende Aussicht für eine gelungene Zusammenarbeit, deren Aufwand im Ministerium offenkundig niemand im Blick hat. Nachdem ich mich seit eindreiviertel Jahren mit diesem Thema beschäftige, komme ich in Abwandlung des geflügelten Wortes von Karl Valentin zu dem Schluss: „Kooperation ist schön, macht aber viel Arbeit.“

Das „Schlaue Haus“

Um den Gedanken der „Stadt der Wissenschaft 2009“ aufzugreifen und in die „Übermorgenstadt Oldenburg“ weiterzutragen, hatte OB Schwandner die Initiative ergriffen, in bester Lage der Stadt ein Haus der Wissenschaft, das „Schlaue Haus“, zu errichten. Das historische Wohnhaus am Schlossplatz 16, das renoviert und mit einem sehr modernen Anbau versehen wird, soll einen Bogen spannen von der Architektur des 16. zum 21. Jahrhundert. In dem Niedrig-Energie-Haus werden Veranstaltungen und Tagungen stattfinden und zugleich mit den Bereichen „Energie & Klimaschutz“ sowie „Wohnen & Leben in der Zukunft“ wissenschaftliche Kernkompetenzen der Oldenburger Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen vorgestellt werden. Als jedoch der Rat der Stadt das Projekt ablehnte, fanden sich binnen weniger Wochen die Universität und die neue Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth zusammen, um das Vorhaben zu retten, indem sie gemeinsam die Gründung einer Non-Profit GmbH vorantrieben. Für die Universität war es schon lange ein Desiderat, in zentraler Innenstadtlage vertreten zu sein. Mit privaten Fördermitteln aus der regionalen Wirtschaft und Mitteln aus dem Konjunkturpaket II gelang es, das notwendige (Eigen-)Kapital dafür aufzubringen – zumal mit der Oldenburger Tourismus und Marketing GmbH eine Mieterin für einen Teil des Gebäudes gefunden wurde, die sehr gut passt. Dies ist auch ein sehr schöner Beweis für eine freiwillige Kooperation der beiden Hochschulen.

European Medical School

Unterdessen wurde in dem Kreis um die Universitätsmitglieder Prof. Dr. Reto Weiler und Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier sowie Prof. Dr. Hans-Rudolf Raab vom Klinikum der Stadt Oldenburg kräftig an der European Medical School weitergearbeitet. Im Sommer 2009 reichte das Wissenschaftsministerium das verbesserte Konzept erneut beim Wissenschaftsrat ein, und es gründete sich die Vereinigung „Freunde und Förderer der Universitätsmedizin Nordwest“ zur Unterstützung dieses Vorhabens. Universitätsintern ging die Debatte weiter – aber inzwischen deutlich versachlicht. Ende Oktober 2009 machte sich schließlich der Medizinausschuss des Wissenschaftsrats an zwei Tagen vor Ort ein Bild, indem er Gespräche mit Beteiligten aus der Universität und den drei Krankenhäusern führte, die Krankenhäuser besichtigte und sich auch in der Rijksuniversiteit Groningen über das Projekt informierte, das bei der Begehung die ausdrückliche Unterstützung des damaligen niedersächsischen Wissenschaftsministers Lutz Stratmann fand. Mit Freude hörten wir (vollkommen vertraulich, versteht sich), dass die Begutachtung erfolgreich war und insbesondere das innovative Lehrkonzept in Zusammenarbeit mit Groningen sehr gelobt wurde. Trotzdem gingen daraufhin weitere Fragen ein, was nicht nur ein Beleg für die Gründlichkeit des Wissenschaftsrates war, sondern insbesondere von der politischen Brisanz dieses Unterfangens zeugte, das deutschlandweit die Gemüter im Bereich der Hochschulmedizin aufs Äußerste erhitzte.

Fazit

Trotz des exorbitant hohen zeitlichen Aufwands durch die Doppelbelastung – meine Aufgaben der hauptberuflichen Vizepräsidentin mussten ja weiterhin wahrgenommen werden – habe ich es als inhaltliche Bereicherung empfunden, Verantwortung nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für den akademischen Bereich zu tragen. Durch die Vielzahl von Repräsentationspflichten und die Teilnahme als Universitätsvertreterin in Gremien von An-Instituten und Kooperationseinrichtungen habe ich neue und tiefere Einblicke in das vielfältige akademische Leben der Universität erhalten, die auch für meine genuinen Aufgaben als Vizepräsidentin für Verwaltung und Finanzen einen guten Hintergrund bilden. Als besonders belastend hingegen habe ich die internen Auseinandersetzungen um die Präsidentenwahl empfunden, die streckenweise mit harten Bandagen geführt wurden.

Für mich persönlich nehme ich die Erfahrung mit, dass immer noch ein bisschen mehr geht – im Sinne Peter Sloterdijks sozusagen „die erfolgreiche Ausweitung der Übungszone“. Dazu kommt die in dieser langen Übergangszeit weiter gewachsene Überzeugung, dass es sich lohnt, für unsere Carl von Ossietzky Universität, für exzellente Forschung und Lehre, zu arbeiten – auch wenn manchmal die Widersprüche besonders hervortreten. So zum Beispiel, wenn gerade basisdemokratische Wissenschaftler*innen, Studierende oder auch Mitarbeiter*innen meinen, das Präsidium könne auf dem Verordnungswege Fakultäten als Träger der Lehre zu einer Vielzahl von Reformen des Studiums zwingen, wie es bei den Streiks der Studierenden im Dezember 2009 gefordert wurde. Damals habe ich zu den Präsidiumskollegen gesagt: „Endlich mal jemand, der an die Allmacht des Präsidiums glaubt.“

[1] Gerhard Harms und Peter Waskönig (Hrsg.), „Mehr Lust als Last?“ Der Gründungsrektor sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der Carl von Ossietzky Universität über ihre Herausforderungen und Erfolge 1974-2015, Oldenburg 2017, BIS-Verlag.

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