Wie alles begann: Im Gespräch mit den Mitbegründern Prof. Georg Klump und Prof. Reto Weiler, der Geschäftsführerin Dr. Nina Gaßmann und dem geschäftsführenden Direktor Prof. Michael Winklhofer.
Im Jahr 2003 war die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg bei der Gründung des Forschungszentrum Neurosensorik (FZN) eine andere Universität als heute: Der Fokus lag vor 20 Jahren verstärkt auf der Lehrerausbildung und die Uni machte sich gerade auf den Weg, allgemein mehr Forschungsstärke zu zeigen und sich hier neu aufzustellen. Es gab Anfang der 2000er-Jahre zwar auch An-Institute und wissenschaftliche Zentren – aber es gab keine Forschungszentren, die eine größere integrative Kraft besaßen. Deshalb kamen Wissenschaftler*innen der Fakultäten II und V sowie Ärzte vom Evangelischen Krankenhaus Oldenburg auf die Idee, eine Forschungseinrichtung zu gründen, welche verschiedene Disziplinen unter einem Dach vereint, koordinierte Forschungsprogramme entwickelt und eine überregionale Strahlkraft erzeugt.
Ein besonderes Maß an Entschlossenheit
Eine der Personen der ersten Stunde war der Neurobiologe Prof. Georg Klump. Er beschreibt die damalige Motivation für die Gründung folgendermaßen: „Das Hauptziel war, eine übergeordnete Struktur zu schaffen, die über die Fakultäten hinweg Forschungsinteressen im Bereich der Neurosensorik bündelt - von der Informationstechnologie und Psychologie über die Lebenswissenschaften bis zur Medizinischen Physik.“ Für ihn war charakteristisch für die Gründung des Forschungszentrums, dass man sich dabei durchaus des Werts der eigenen Forschung bzw. der eigenen Leistung bewusst war. „Wir waren sehr entschlossen: Was wir brauchen, existiert nicht, also machten wir es“, erinnert sich Klump. Neurobiologe Prof. Reto Weiler, einer der Hauptinitiatoren, der erste geschäftsführende Direktor des FZN und damaliger Vizepräsident für Forschung der Universität, ergänzt: „Wir haben gesehen, dass wir über ein großes Potenzial in der Hör- und Retinaforschung verfügen, und wir wollten dies auch mit Blick auf die gesamte Universität mit einem Forschungszentrum deutlich machen.“
Wichtige Weichenstellungen
Zuvor mussten noch einige strategische Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel wurde verstärkt auf Neuberufungen in den Neurowissenschaften gesetzt, der Studiengang Psychologie neu ausgerichtet und in die Fakultät V integriert. „Das waren große Brocken, die wir aus dem Weg räumen mussten“, meint Weiler. So wurde das seit 2000 bestehende Zentrum für Neurosensorik nach positiven Voten der beteiligten Fakultäten im Sommer 2003 in das „Forschungszentrum Neurosensorik“ umgewandelt und nach vorheriger Antragstellung vom Präsidium genehmigt. Die Satzung des FZN wurde am 10. Dezember 2003 im Senat verabschiedet – dies war die Geburtsstunde des FZN. „Für die Einrichtung eines Forschungszentrums gibt es viele Kriterien. Wir mussten zum Beispiel einen Sonderforschungsbereich, weitere DFG-Mittel und internationale Anerkennung mitbringen“, führt Reto Weiler aus. So waren von Anfang an die DFG-geförderte Forschergruppe „Hörobjekte“, der Sonderforschungsbereich „Neurokognition“ und das Internationale Graduiertenkolleg „Neurosensorik“ dabei. Zudem entwickelte sich aus dem FZN heraus der Exzellenzcluster „Hearing4all“ – zusammen mit dem weiteren starken Ausbau der Hörforschung an der Universität.
Große Vertrauensbasis
In dieser Startphase gab es große Unterstützung aus den eigenen Reihen und von der Universitätsleitung. Zu den wichtigsten Förderern zählen der damalige Uni-Präsident und Wirtschaftswissenschaftler Prof. Uwe Schneidewind. Er hat sich ab 2004 wie sein Vorgänger Prof. Siegfried Grubitzsch (Amtszeit von 1998 bis 2004) sehr für das Forschungszentrum engagiert. Unterstützung gab es auch von den Gründungsmitgliedern, wie der Neurobiologin Prof. Christiane Richter-Landsberg, Prof. Birger Kollmeier und Prof. Volker Mellert aus der Medizinischen Physik und Akustik, dem Festkörperphysiker Prof. Jürgen Parisi, dem Informatiker Prof. Wolfgang Nebel, Prof. Hans Colonius und Prof. Mark Greenlee aus der Psychologie sowie dem Radiologen Dr. Georg Fahrendorf und dem HNO-Arzt Dr. Rüdiger Schönfeld vom Evangelischen Krankenhaus. Der kollegiale Austausch war von Anfang an von zentraler Bedeutung. „Unter den Kolleg*innen gab es eine große Vertrauensbasis, damit konnten wir auch stürmische Zeiten überstehen“, fasst Weiler zusammen. Seit der Gründung des FZN haben die Verantwortlichen deshalb stets darauf geachtet, dass sie passendes und gutes Personal finden. „Für unsere Vorhaben brauchen wir Zugpferde, die eine Vision haben und diese hier vorantreiben“, erklärt der geschäftsführende Direktor Michael Winklhofer.
Baustein für weitere Entwicklungen
Wichtig war bei allen Vorhaben die langfristige Planung und ein gewisser Weitblick. Dabei wurde kein Schritt oder Arbeitsprozess als vergebens eingestuft, sondern alles hat das Projekt „Forschungszentrum Neurosensorik“ vorangebracht. „Zusammen mit einer gesunden Feedback-Kultur für die Qualitätssicherung war das unser Erfolgsrezept“, resümiert Georg Klump. Michael Winklhofer ergänzt: „Hier wurde nie nur in fachlichen Kategorien gedacht, eine enge Vernetzung der verschiedenen Disziplinen und Denkweisen haben unser Konzept stets ausgemacht.“ Deshalb hätte sich hier – neben anderen Instituten wie zum Beispiel dem OFFIS oder dem ICBM – eine starke Forschungskultur gebildet. Das FZN sei ebenfalls ein wichtiger Baustein für die Entstehung der heutigen Universitätsmedizin Oldenburg, und es biete der Medizin bis heute ein starkes Fundament an der Universität. Auch die Idee zur Gründung der Graduiertenschule OLTECH sei ebenfalls hier entstanden, und Georg Klump übernahm über zehn Jahre lang die Leitung der Graduiertenschule. Das Forschungszentrum selbst erfuhr zudem einige interne Änderungen: Es wurde neu strukturiert und in fünf Sektionen aufgeteilt, die sich thematischen Schwerpunktgebieten innerhalb der Neurosensorik an der Universität Oldenburg widmeten. 2015 öffnete das dazugehörige Forschungsgebäude – das „NeSSy“ („Neurosensorik und Sicherheitskritische Systeme“) – seine Türen.
Blick nach vorn
Dank aller bisherigen Errungenschaften blickt das FZN auf weitere spannende Projekte in der Zukunft. „Das größte Ziel ist die Einrichtung eines Fraunhofer-Instituts für Hör-, Sprach- und Neurotechnologie“, freut sich Michael Winklhofer, und Dr. Nina Gaßmann erklärt: „Die Entwicklung des FZN ist eng an die universitäre Entwicklung und an die Universitätsmedizin Oldenburg geknüpft. Wir wollen so auch weiterhin die Strukturen bereitstellen, damit Wissenschaftler*innen zusammenarbeiten und sich vernetzen.“ Zudem sei aktuell ein Vorantrag für ein weiteres Exzellenzcluster im Bereich der Neurosensorik eingereicht, bei dem es unter anderem darum geht, Navigationsmechanismen von Tieren auf neuronaler Ebene zu verstehen, um so auch bioinspirierte Strategien für neuartige technische Navigationssysteme ohne Satellitenunterstützung zu konzipieren. Des Weiteren wird auch ein Fortsetzungsantrag für das Exzellenzcluster „Hearing4all“ gestellt, eine Entscheidung wird im Jahr 2025 erwartet.
(Petra Wilts)
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