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4. Juli 1997 193/97
Großenknetener Verwaltungausschußbeschluß eine "Provinzposse"?
Oldenburg.Per Beschluß des Verwaltungsausschusses der Gemeinde Großenkneten ist vor einiger Zeit an der Huntloser Grundschule ein Schulversuch zur Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen in der Unterrichtspraxis gestoppt worden. Der Versuch mit dem Titel "Soziale Integration in einer jungen- und mädchengerechten Grundschule" sollte sowohl vom Niedersächsischen Kultusministerium als auch vom BMFT gefördert werden; für die Gemeinde wären keine zusätzlichen Kosten entstanden. Die Initiatorin des Versuchs, die Oldenburger Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Astrid Kaiser, bezeichnet den Beschluß in der folgenden Stellungnahme als "Provinzposse":
"Wir befinden uns im Jahre 1997 nach Chr.- Im ganzen Land werden Frauenförderpläne entwickelt und Gleichstellungsrichtlinien verabschiedet. Im ganzen Land? Nein! Ein von unbeugsamen Politikern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Trend der Zeit Widerstand zu leisten. So entwickelte sich in den letzten Wochen in der niedersächsischen Gemeinde Großenkneten eine Provinzposse, die ihresgleichen sucht.
Die Vorgeschichte mutet noch harmlos an: Da entschloß sich das niedersächsische Kultusministerium, das sich keinesfalls eines zu schweren Geldsäckels rühmen kann, einen aktiven Beitrag zur Gleichberechtigung schon in der Grundschule zu leisten. In fast zweijähriger Vorarbeit wurde ein Schulversuch in die Wege geleitet, in dem erprobt werden sollte, wie sich schon ab dem 1. Schuljahr Mädchen und Jungen weniger stereotyp oder nach einseitigen Mustern entwickeln. Bedingung war, daß alles unter "üblichen Bedingungen und den gegenwärtigen Richtlinien und Rahmenbedingungen von Schule" stattfände. Dabei sollte untersucht werden, was im regulären Unterricht für die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen getan werden kann.
Das Projekt wurde mit dem Titel "Soziale Integration in einer jungen- und mädchengerechten Grundschule" auch der Bundesregierung vorgelegt. Das Bundesforschungsministerium (BMFT) fand das Konzept außerordentlich förderungswürdig und hat trotz ebenfalls knapper Kassen zugesagt, die Begleitforschung zu finanzieren. Also ein gelungenes Kooperationsprojekt von Bund und Land schien damit aus der Taufe gehoben zu sein. Viele Lehrkräfte in Niedersachsen haben sich intensiv darum bemüht, an diesem Schulversuch teilnehmen zu dürfen. So auch das Kollegium und Elternschaft der Schule in Huntlosen, die zur Gemeinde Großenkneten gehört. Die Projektleitung hat dem Niedersächsischen Kultusministerium Schulen im Umkreis von Oldenburg vorgeschlagen, um einen intensiven Austausch der Kollegien zu ermöglichen und dabei die Huntloser Schule als Musterschule hervorgehoben, in der Studierende gut modernen Sachunterricht kennenlernen können.
Aber wenn Bund und Land etwas für förderungswürdig halten, ist dies noch lange nicht in der Provinz akzeptiert. Die Gemeindeväter Großenknetens jedenfalls haben es trotz großen Engagements von Eltern und Lehrkräften für richtig befunden, solchem neumodischen Kram den Riegel vorzuschieben. Da nutzten auch die mahnenden Worte des Bürgermeisters (SPD) nichts, der sich hinter das Projekt seiner Landesregierung stellte. Auch der Empfehlung des Schulausschusses, diesem Versuch zuzustimmen, haben die Herren aus der nächsthöheren Instanz keine Beachtung gezeigt. Denn die Mehrheit im Ort wollte den Frauen zeigen, wo es langgeht - jedenfalls nicht in Richtung von Projekten, die das erklärte Ziel haben, zur Gleichberechtigung der Geschlechter beizutragen. Obgleich es juristisch umstritten ist, ob bei einer derartigen Frage die Gemeinde, die finanziell durch den Versuch nicht belastet wird, überhaupt befugt ist, eine politische Großaktion aus einem einfachen Verwaltungsvorgang zu veranstalten, steht jetzt fest: Die Schule in Huntlosen darf nicht an diesem Schulversuch teilnehmen."
Kontakt: Prof. Dr. Astrid Kaiser, Fachbereich 1 Pädagogik, Tel.: 0441/798-2032, kaiser@hrz1.pcnet.uni-oldenbur