• In der Notaufnahme: Ein Mann mit Nasenbluten liegt auf einer Trage und ist umringt von zwei Notfallpflegerinnen, einem Arzt und einer Notärztin.

    In der Notaufnahme angekommen, übergibt Medizinstudentin Kore (r.), die in die Rolle der Notärztin geschlüpft ist, den Patiententen Herrn Müller an der Krankenhausteam um ihren Kommilitonen Kai(l.) Foto: Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

  • Notfallsanitäter schieben einen Mann auf einer Trage durch einen Krankenhausflur.

    Die angehenden Notfallsanitäter schieben Herrn Müller schnellen Schrittes in einen zum Schockraum umfunktionierten Raum im Pius-Hospital Oldenburg. Foto: Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

  • Eine angehende Notfallpflegerin und ein angehender Notfallsanitäter versuchen die aufgeregte Frau von Herrn Müller zu beruhigen.

    Realitätsnahe Simulation: In der Notaufnahme erwartet die Ehefrau des Patienten das Notfallteam und droht mit ihren Fragen, Anschuldigungen und Vermutungen die Versorgung ihres Mannes zu gefährden. Foto: Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

Notfall: Nasenbluten und Brustschmerzen

Praktische Erfahrungen stehen beim Medizinstudium in Oldenburg im Mittelpunkt. Besonders realistisch lernen Studierende in einem Wahlpflichtmodul, in dem sie als Notärztinnen und -ärzte einen nachgestellten Notfall begleiten.

Praktische Erfahrungen stehen beim Medizinstudium in Oldenburg im Mittelpunkt. Besonders realistisch lernen Studierende in einem Wahlpflichtmodul, in dem sie als Notärztinnen und -ärzte einen nachgestellten Notfall begleiten.

Als Herr Müller, etwa 70 Jahre alt, gerade bei der Physiotherapie ist, schießt ihm plötzlich schwallartig Blut aus der Nase. Zum Glück zögert seine Physiotherapeutin nicht lange und ruft sofort einen Rettungswagen. Nur wenig später schieben zwei junge Männer in Dienstkleidung eine fahrbare Trage in den Raum. Dort liegt Herr Müller, umgeben von blutigen Taschentüchern, und macht einen ermatteten Eindruck. Während einer der beiden angehenden Notfallsanitäter sich schildern lässt, was passiert ist, misst sein Kollege die Vitalzeichen. Die beiden Männer machen eine besorgniserregende Entdeckung: Der Blutdruck des Rentners ist viel zu hoch, und er berichtet von Schmerzen in der Brust.

In diesem Moment kommt Kore Brand durch die Tür. Auf der roten Weste der jungen Frau steht „Notarzt“. Die Medizinstudentin ist heute in diese Rolle geschlüpft, um zu erleben, worauf es ankommt, wenn Menschen mit verschiedenen medizinischen Berufen in einer Notfallsituation eng zusammenarbeiten und dabei vielleicht sogar um das Leben einer Patientin oder eines Patienten kämpfen müssen. „Gemeinsam muss das Team ad-hoc-Entscheidungen treffen, die überlebensrelevant sind. Die Klarheit über die Rollen ist in diesen Situationen viel wichtiger als in nicht-kritischen Momenten“, erklärt Dr. Katrin Wüstenbecker, Leiterin des Klinischen Trainingszentrums der Universität und selbst Notärztin. Sie gehört zum Organisationsteam der Lehrveranstaltung „Interprofessionelle Notfallsimulation“, die Medizinstudierende im vierten bis sechsten Studienjahr als Wahlpflichtmodul belegen können.

Gemeinsam mit Pflegekräften, die gerade am Hanse Institut Oldenburg eine zweijährige Weiterbildung in der Notfallpflege machen, und Feuerwehrleuten, die an der Rettungsdienstschule Oldenburg die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter absolvieren, können Medizinstudierende den Ernstfall realitätsnah proben. Das Nasenbluten von Herrn Müller ist dabei genauso wenig echt wie sein Bluthochdruck. Selbst „Herrn Müller“ gibt es eigentlich gar nicht. Diese Rolle bekleidet ein Schauspieler.

Trotzdem nimmt das Rettungsteam die Situation ernst und schiebt den Patienten aus dem zur Physiotherapiepraxis umfunktionierten Behandlungsraum des Pius-Hospitals Oldenburg, verlädt ihn in den Rettungswagen, um ihn dann in einen anderen Raum des Krankenhauses zu schieben, der dem Schockraum einer Notaufnahme nachempfunden ist. Dort warten die angehenden Notfallpflegekräfte und Medizinstudent Kai Fischer, um Herrn Müller zu übernehmen. Erschwert wird die Übergabe von „Frau Müller“, einer weiteren Schauspielerin. Sie hat in der Notaufnahme schon auf ihren „Mann“ gewartet hat, schimpft, diskutiert und macht so ein konzentriertes Arbeiten phasenweise unmöglich.

„Ich war ganz froh, dass ihr alle schon so erfahren seid“, gibt Medizinstudent Kai bei der anschließenden Manöverkritik zu und meint damit die Teammitglieder aus Pflege und Rettungsdienst. Anders als der Student bringen gerade die Pflegekräfte teils schon jahrelange Berufserfahrung mit, auch wenn sie erst seit Beginn ihrer Weiterbildung in der Notaufnahme arbeiten. Im Laufe der rund 45-minütigen Simulation habe sich die Situation für ihn immer realistischer angefühlt. Besonders angespannt sei er gewesen, als bei Herrn Müller zwischenzeitlich sogar der Verdacht eines Hinterwandinfarkts im Raum gestanden hat. „Es hätte passieren können, dass wir noch hätten reanimieren müssen“, sagt Kai.

Im Lehrmodul „Interprofessionelle Notfallsimulation“ sollen die Teilnehmenden vor allen Dingen erfahren, wie wichtig die gute Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen sind. „Unsere Medizinstudierenden sehen zum Beispiel, wie kompetent und zuverlässig die anderen Berufsgruppen Aufgaben übernehmen können. Außerdem sollen sie die Erfahrung machen, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Eindrücke, die die einzelnen Berufsgruppen vom gleichen Patienten haben, miteinander auszutauschen“, erklärt Wüstenbecker.

Dafür machen die Teilnehmenden von der sogenannten „10-for-10-Methode“ Gebrauch, bei der gemeinsam innerhalb von zehn Sekunden geplant werden soll, wie die nächsten zehn Minuten verlaufen. Sobald eine kritische Situation eintritt, wird das Team zu einer kurzen Unterbrechung fast aller Tätigkeiten aufgerufen. Alle hören zehn Sekunden zu, tragen ihre Informationen zusammen, äußern Ideen und Bedenken und stellen dann einen Plan auf, wie die nächsten 10 Minuten koordiniert verlaufen können. „Obwohl Methoden wie diese wichtig sind, um die Zusammenarbeit im Team zu verbessern, finden sie in der Praxis bisher noch zu selten Anwendung“, erklärt Heiko Klaaßen, kommissarischer Leiter der Rettungsdienstschule. Er hofft, dass die angehenden Kolleginnen und Kollegen auch diese Methode mit in ihren Berufsalltag nehmen. Die Veranstaltung dient deshalb auch dazu, die Zusammenarbeit in Notfallteams zu weiterzuentwickeln – im Sinne der Patientinnen und Patienten.

Bei den Teilnehmenden der diesjährigen Notfallsimulation hat das gut funktioniert, findet Kai Fischer: „Ich fand es total angenehm, dass so schnell ein Teamgedanke da war, obwohl wir uns kaum kannten.“

(Stand: 19.01.2024)  | 
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