Porträts
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Mediziner made in Oldenburg

Sechs Jahre nach seiner Gründung hat der humanmedizinische Studiengang der Universität Oldenburg seine ersten Absolventen. Zu den vier jungen Ärztinnen und Ärzten gehört auch Johannes Grone, der seine Facharztausbildung in Oldenburg macht.
Er kommt auf dem Krankenhausflur auf uns zu: groß, offener Blick, sympathisches Lächeln. Johannes Grone fühlt sich in seinem neuen Arbeitsumfeld am Klinikum Oldenburg sichtlich wohl. Noch vor wenigen Monaten war er Medizinstudent „der ersten Stunde“ der European Medical School Oldenburg-Groningen (EMS), er ist einer der ersten vier Absolventen. „Ich bin erleichtert und froh, dass ich das Studium so gut geschafft habe – und jetzt bin ich noch etwas aufgeregt, was der ärztliche Alltag wirklich mit sich bringt“, beschreibt der 29-jährige gebürtige Göttinger seine derzeitige Gefühlslage.
Dass Grone sich entschieden hat, seine Facharztausbildung in der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (AINS) des Klinikums zu machen und damit Oldenburg erhalten bleibt, freut Klinikdirektor Prof. Dr. Andreas Weyland: „Er wird bei uns in den nächsten fünf Jahren mit vielen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten und dabei alle Facetten unseres Fachgebiets kennenlernen.“ Weyland ist sich sicher, dass der junge Arzt durch sein Studium bestens vorbereitet ist. „Johannes Grone hat bereits bewiesen, dass er belastbar, lernbereit und ein Teamplayer ist. Außerdem hat er an der EMS eine patientenorientierte Sichtweise verinnerlicht. Das alles sind wesentliche Voraussetzungen für die Arbeit bei uns in der Klinik.“
Grone kam 2012 an die Uni Oldenburg und bekam – ohne Einser-Abitur – den letzten zu vergebenen Medizin-Studienplatz an der Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften. Im Gepäck hatte er jede Menge Erfahrungen – gesammelt als Zivildienstleistender im Rettungsdienst und während seiner Tätigkeit als Rettungsassistent. Aufgrund seiner hervorragenden Studienleistungen erhielt er fünf Mal ein Deutschlandstipendium, zählte immer zu den Besten. Dabei sah sich Grone gemeinsam mit seinen 39 Kommilitoninnen und Kommilitonen immer als Teil des großen Ganzen: „Wir hatten die Chance, den Studiengang mitzuprägen. Das ist schon einmalig“, erzählt er, und seien Begeisterung ist spürbar. „In den nächsten Jahren können wir zeigen, dass aus uns gute Ärzte geworden sind.“ Besonders geschätzt an seinem Studium hat der Jungmediziner die persönliche Betreuung und Anleitung durch die Ärzte und Chefärzte in den Kliniken. Auch das für die Oldenburger Unimedizin typische praxisorientierte Lehrkonzept war für ihn wichtig. „Schon in den ersten Jahren des Studiums wurden wir manchmal wie Ärzte im Praktischen Jahr behandelt. Das war sehr wertschätzend. Außerdem hatten wir sehr früh die Gelegenheit, aktiv mitzuarbeiten, hatten direkten Kontakt zu Patienten.“
Für Andreas Weyland fußen diese besonderen „Oldenburg-Vorteile“ auf der guten Verbindung von theoretischen Grundlagen und praktischen sowie kommunikativen Fähigkeiten in dem Modellstudiengang. Das zu entwickeln, brauchte allerdings Zeit. So verwundert es nicht, dass Grone und seine Kommilitonen der ersten Kohorte das Studium und das obligatorische Jahr am Universitätsklinikum Groningen (UMCG) in mehrfacher Hinsicht als echte Herausforderung empfanden. „Viele Strukturen mussten sich erst noch herausbilden, Abläufe waren anfangs noch nicht eingespielt.“ Heute kann er auch dieser Pionierrolle etwas abgewinnen: „Ich gehörte zu den ersten, die auch in Groningen praktische Erfahrungen sammeln konnten. Das hat mich auf meinem Weg definitiv gestärkt.“ Hier wie dort habe er sich schrittweise an das Arzt-Sein herantasten können, was er als großen Vorteil erlebt habe.
Mit dem Herantasten ist es für den frisch gebackenen Arzt nun vorbei, das Pensum bleibt hoch. Neben der Ausbildung zum Facharzt sitzt Grone derzeit an seiner Doktorarbeit, die er an der Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Pius-Hospital Oldenburg schreibt. Außerdem engagiert er sich nach wie vor ehrenamtlich: etwa beim Roten Kreuz als Arzt in Bereitschaft oder bei der Freiwilligen Feuerwehr. Oldenburg nennt er nun seine Heimat, auch der Fakultät fühlt er sich weiter sehr verbunden. „Ich kann mir vorstellen, irgendwann in der Lehre mitzuwirken. Außerdem würde ich eines Tages gerne zu anästhesiologischen oder notfallmedizinischen Themen forschen“, so Grone. Das Studium, das viele forschungsbasierte Lerninhalte aufweist, wird ihn auch darauf gut vorbereitet haben.
Wo der Ausnahmezustand Routine ist

Zwölf Jahre nach Start des Medizinstudiums gehört Johannes Grone zu den ersten Oldenburger Alumni, die ihre Facharztausbildung abgeschlossen haben. Der gebürtige Göttinger ist der Universitätsmedizin Oldenburg treu geblieben und arbeitet seit seinem Abschluss in der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (AINS) am Klinikum Oldenburg – seit Kurzem als Facharzt für Anästhesiologie. An seinem Job liebt er vor allen Dingen eines: die Abwechslung.
Heute als Notarzt auf dem Notarztwagen, nächste Woche als Anästhesiologe bei einer Operation, dann als behandelnder Arzt auf der Intensivstation – Johannes Grones Job abwechslungsreich zu nennen, wäre eine Untertreibung. Manchmal flackert sein Gesicht auch auf dem Bildschirm auf, wenn zum Beispiel die Gemeindenotfallsanitäterinnen und -sanitäter Unterstützung über die Telemedizinzentrale einholen, die ebenfalls an der Universitätsklinik betrieben wird. Wer als Intensivpatientin oder -patient im Nordwesten Niedersachsens in ein anderes Krankenhaus verlegt werden muss, könnte Johannes Grone ebenfalls treffen. Regelmäßig begleitet er die vom Intensivverlegungsdienst Niedersachsen zentral koordinierten Fahrten und überwacht unterwegs zum Beispiel die Beatmung. „Bei uns passiert einfach mehr und das macht es aus“, sagt Grone.
Wie viele Oldenburger Medizinstudierenden gerade der ersten Jahrgänge startete Grone damals mit Vorerfahrung ins Studium: Nach dem Zivildienst beim Rettungsdienst hatte er die Ausbildung zum Rettungsassistenten absolviert. „In der Notfallmedizin bei Wind und Wetter mit den Rettungsdienstkollegen zu arbeiten – das liegt mir bis heute schon sehr“, sagt Grone. Eine entsprechende Facharztrichtung gibt es in Deutschland ebenso wenig wie für die Intensivmedizin. Die nötigen Kenntnisse dafür erlangen Ärztinnen und Ärzte über sogenannte Zusatz-Weiterbildungen und auch Grone führt schon seit einiger Zeit die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin.
Die Prüfung zum Facharzt für Anästhesiologie im Frühjahr 2024 war aber ein besonderer Meilenstein: Mit ihr endete seine fünfjährige Weiterbildungszeit. Lediglich die Begleitung von Eingriffen am Kopf hat er im Evangelischen Krankenhaus erlernt, die Besonderheiten der Narkose bei Eingriffen an der Lunge in einem Krankenhaus in Kassel. Alle anderen Stationen absolvierte er am Klinikum Oldenburg. „Vom Umgang miteinander habe ich mich hier schon im Praktischen Jahr gut aufgehoben gefühlt“, erklärt Grone.
Prof. Dr. Simon Schäfer, Direktor der Universitätsklinik für AINS, freut sich, dass der 35-Jährige heute zu seinem Team gehört. „Für universitäre Spitzenmedizin sind die eigenen Studierenden der ideale Nachwuchs, um diese zu Fachärztinnen und Fachärzten auszubilden sowie klinisch und wissenschaftlich weiter zu qualifizieren“, sagt er. Sie seien hoch engagiert, sich auch in der Lehre einzubringen und ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Das gelte besonders auch für Grone. „Er engagiert sich nicht nur in der Klinik, sondern auch in der Ausbildung von Studierenden sowie Assistenzärztinnen und -ärzten. Außerdem ist er integraler Bestandteil unseres 2024 neu aufgebauten anästhesiologischen Simulationszentrums“, sagt Schäfer.
Für die anstehende Simulationswoche hat Grone gerade mit Kolleginnen und Kollegen auf der Intensivstation 113 des Klinikums einen Simulationsraum ausgestattet. In dem auf den ersten Blick gewöhnlichen Intensivstationszimmer liegt statt eines echten Patienten eine lebensgroße Puppe im Bett. Umgeben ist sie von allerhand Überwachungsgeräten. Über eine Software können verschiedene Szenarien ausgelöst werden, mit denen Ärztinnen und Ärzte der Station sowie Medizinstudierende intensivmedizinische Szenarien oder lebensbedrohliche Situationen trainieren können. „Wenn jemand zum Beispiel einen Luftröhrenschnitt durchführen muss, was äußerst selten vorkommt, hat er es im Simulationszentrum schon mal gemacht.“
Dass praktische Erfahrungen den größten Lerneffekt haben, hat Johannes Grone in seinen sechs Berufsjahren seit Studienabschluss selbst häufig erlebt. „Am Anfang merkt man deutlich, wie anders der klinische Alltag im Vergleich zum Studium doch ist“, sagt Grone. „Aber man kommt schnell rein und ich hatte früh einen ersten Höhenflug und das Gefühl, jede kritische Situation meistern können.“ Tatsächlich werde man auf der Intensivstation aber so schnell wieder mit der nächsten schwierigen Situation konfrontiert, dass es einen sofort auf den Boden der Tatsachen zurückholt. In Grones Anfangsjahren gehörte dazu nicht zuletzt die COVID-Pandemie, die mit zahlreichen beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten weltweit Intensivstationen an ihre Grenzen gebracht hat. „Der beste Moment meines Berufslebens bisher war, als wir bemerkt haben, dass die Corona-Welle deutlich abflacht und wir nicht mehr die Station voll hatten mit Schwerkranken an der künstlichen Lunge“, sagt er.
Trotz ständig neuer Herausforderungen hat sich Grone über die Jahre eine gewisse Routine erarbeitet. Aus der Ruhe bringe ihn heute so schnell nichts mehr, sagt er selbst. Atemnot, Kreislaufversagen, Herzstillstand – auf der Intensivstation gehören kritische Situationen zum Alltag und der Umgang mit zumindest einigen von ihnen zur Normalität. „Trotzdem gibt es auch heute noch manchmal Momente, in denen ich mich wie an meinem ersten Tag fühle und glaube, noch viel zu wenig zu wissen“, sagt Grone. Deshalb arbeitet er jetzt schon an der nächsten Zusatz-Weiterbildung: „Spezielle Intensivmedizin“.