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Prof. Dr. Matthias Wollenhaupt

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 
Fakultät V - Institut für Physik
Carl-Von-Ossietzky-Str. 9-11
D-26129 Oldenburg 
Germany

Arbeitsgruppe 
Ultraschnelle Kohärente Dynamik
https://uol.de/ukd 

Tel.: +49-441-798-3482
Raum: W2-1-101
matthias.wollenhaupt@uol.de

Quantenkontrolle ultraschneller Dynamik

Motivation

Die Wechselwirkung von Licht mit Materie ist ein zentrales Forschungsthema der Physik, da sie fundamentale Einblicke in atomare und molekulare Strukturen sowie deren Dynamik ermöglicht. Der Photoeffekt, d.h. die Freisetzung eines Elektrons aus einem Material durch die Absorption von Licht, ist ein wichtiges Experiment zum physikalischen Verständnis der Licht-Materie-Wechselwirkung. Seine theoretische Deutung mit Hilfe der Lichtquanten (Photonen) durch Albert Einstein im Jahr 1905 trug maßgeblich zur Begründung der Quantenphysik bei. Über die fundamentale Bedeutung hinaus ist der Photoeffekt ein essenzielles Werkzeug der modernen Grundlagenforschung mit vielfältigen Anwendungen, etwa in der Photovoltaik zur Stromerzeugung sowie in der Lichtdetektion und Bildgebung durch hochempfindliche Sensoren. Die Photoelektronenspektroskopie, deren Entwicklung 1981 mit dem Nobelpreis für Physik an Kai Siegbahn gewürdigt wurde, erlaubt die hochauflösende Analyse elektronischer Zustände in Atomen, Molekülen und Festkörpern. Die Entwicklung kohärenter Lichtquellen, insbesondere des Lasers, hat die gezielte Kontrolle quantenmechanischer Dynamiken auf ultrakurzen Zeitskalen ermöglicht und neuartige Anwendungen in der Festkörperphysik, der Plasmaphysik, Medizin und der Quanteninformation eröffnet. 

In den letzten Jahrzehnten wurden wegweisende Fortschritte der Ultrakurzzeitspektroskopie durch mehrere Nobelpreise gewürdigt, darunter für die Femtochemie (Zewail, 1999), die Entwicklung des optischen Frequenzkamms (Hänsch, 2005), die Chirped Pulse Amplification (Mourou & Strickland, 2018) sowie die Attosekundenphysik (Krausz, Agostini & L’Huillier, 2023). Die Wechselwirkung intensiver Laserpulse mit Materie führt zu nichtlinear-optischen Multiphotonenprozessen, die in der Ultrakurzzeitspektroskopie eine zentrale Rolle spielen. Ihre theoretische Beschreibung geht auf Maria Göppert Mayer zurück, die bereits 1931 die simultane Absorption mehrerer Photonen zur Anregung atomarer Zustände vorhersagte und damit den Grundstein für die moderne nichtlineare Optik legte. Ein solcher nichtlinear-optischer Prozess ist die Multiphotonenionisation (MPI), bei dem durch Absorption mehrerer Photonen Elektronen aus Atomen oder Molekülen freigesetzt werden. 

In unserer AG ULTRA (Ultraschnelle kohärente Dynamik) untersuchen wir die Laserkontrolle atomarer und molekularer MPI-Dynamiken, die durch zeitlich strukturierte Femto- und Attosekundenlaserpulse hervorgerufen werden. Im Experiment rekonstruieren wir die freigesetzten dreidimensionalen Photoelektronenwellenpakete mit Hilfe tomographischer Methoden.

Quantenkontrolle

Ultrakurze Laserpulse ermöglichen nicht nur die zeitaufgelöste Beobachtung ultraschneller Quantenphänomene, sie sind auch der Schlüssel zur aktiven Kontrolle quantenmechanischer Prozesse. Das Ziel der Quantenkontrolle ist es, ein Quantensystem mit der Hilfe von geformten Femtosekunden-Laserpulsen selektiv und effizient vom Grundzustand in einen gewünschten Zielzustand zu steuern. Quantenteilchen wie das Elektron besitzen nach Louis de Broglie auch Wellencharakter und werden durch Materiewellen beschrieben. Der physikalische Mechanismus der Quantenkontrolle beruht auf der gezielten Manipulation konstruktiver bzw. destruktiver Interferenz dieser Materiewellen durch speziell maßgeschneiderte Laserpulse. 

Eine prominente Realisierung dieses Prinzips ist das Brumer-Shapiro-Schema, bei dem die Anregung des Quantensystems mit zwei Pulsen unterschiedlicher Farbe und speziell abgestimmtem Frequenzverhältnis erfolgt. Dabei wird das Quantensystem gleichzeitig über zwei verschiedene Pfade in den Zielzustand gesteuert, in dem die Materiewellen interferieren. Die Art der Interferenz, d.h. ob sich die Materiewellen verstärken oder auslöschen, wird präzise durch die optische Phase der Pulse kontrolliert.

Besonders faszinierend ist die Kontrolle der MPI mit polarisationsgeformten Femtosekunden-Laserpulsen. Hierbei eröffnen sich i.a. eine Vielzahl von Anregungspfaden. Entsprechend reichhaltig sind die Anregungsdynamiken und Interfernenzerscheinungen, was die MPI für die Erforschung grundlegender Mechanismen der Quantenkontrolle hochinteressant macht.

Hochintensive Laserfelder bieten nicht nur eine deutlich höhere Anregungseffizienz, sondern eröffnen darüber hinaus völlig neue Kontrollmechanismen da sie die Struktur des Quantensystems selbst manipulieren. Es entstehen gekoppelte Licht-Materie-Zustände, die als „vom Lichtfeld bekleidete Zustände“ bezeichnet werden. Ein Forschungsschwerpunkt unserer AG ist die Entwicklung neuartiger Starkfeld-Kontrollmechanismen zur selektiven Anregung dieser bekleideten Zustände, kurz SPODS (von „Selective Population of Dressed States“) genannt.

Experimentelle Techniken

In unseren Laboren kommen hochmoderne Technologien zum Einsatz, um die Welt der Quantenphysik zu erkunden. Drei zentrale Werkzeuge sind dabei die Formung von Femtosekunden-Laserpulsen, die abbildende Photoelektronenspektroskopie und die Photoelektronentomographie. Kombiniert ermöglichen sie uns, ultraschnelle Prozesse auf atomaren Zeitskalen sichtbar zu machen – und sogar gezielt zu steuern. Im Folgenden stellen wir diese beiden Techniken vor. 

(a) Polarisationsgeformte Femtosekunden-Laserpulse

Die Formung von Femtosekunden-Laserpulsen geschieht durch ein Verfahren namens spektrale Phasenmodulation. Dabei wird ein Laserpuls zunächst in seine verschiedenen Farben (bzw. Frequenzen) zerlegt – ähnlich wie bei einem Regenbogen. Dies geschieht mit einem optischen Gitter, das das Licht je nach Farbe unter verschiedenen Winkeln beugt.

Die so getrennten Farbanteile werden in eine sogenannte Fourier-Ebene geleitet. Dort befindet sich ein spezielles Display – ein transparenter Flüssigkristall-Display (LCD) –, dessen einzelne Pixel gezielt angesteuert werden können. Indem wir den Brechungsindex einzelner Pixel verändern, beeinflussen wir die Phase jeder Farbkomponente des Pulses.

Nach dieser Manipulation werden die Frequenzanteile wieder zusammengesetzt – und der Laserpuls hat nun eine neue, maßgeschneiderte Form.

Mit einem solchen „Pulsformer“, der aus zwei Flüssigkristall-Displays besteht, lassen sich nicht nur Phase und Polarisation, sondern über zusätzliche Polarisationsfilter auch die Amplitude modulieren. Damit erhalten wir volle Kontrolle über die Gestalt des Lichtpulses – ein entscheidender Schritt für viele Experimente in der modernen Quantenphysik.

In der nachfolgenden Galerie finden sich einige Beispiele für geformte Laserpulse:

(b) Photoelektronentomographie und Photoelektronenholographie

Was wird gemessen?

Für die Untersuchung von ultraschnellen Quantendynamiken messen wir die Reaktion des Quantensystems auf unsere eingestrahlten geformten Laserfelder. Dazu messen wir die Verteilung der Elektronen, die durch den Laserpuls aus dem Atom oder Molekül durch den Prozess der Multiphotonenionisation herausgelöst wurden: die sogenannten Photoelektronen.

Diese Elektronen tragen Informationen über die Licht-induzierten Prozesse im Quantensystem. Ihre Richtung und Geschwindigkeit nach der Wechselwirkung verraten uns, was im Quantensystem passiert ist. Sie sind also unsere „Beobachtungswerkzeuge“ – unsere Observable.

Die Technik: Velocity Map Imaging (VMI)

Um die Photoelektronen zu detektieren, nutzen wir ein Verfahren namens Velocity Map Imaging (VMI). Dabei werden die Photoelektronen mit Hilfe elektrischer Felder auf einen Detektor gelenkt – so, dass ihre Richtung und Geschwindigkeit (genauer: ihr Impulsvektor) abgebildet werden.

Elektronen, die sich mit gleichem Impuls in gleicher Richtung bewegen, treffen auf denselben Punkt auf dem Detektorschirm. Aus mathematischer Sicht werden die Tangentialkomponenten der Impulsvektorverteilung auf den Detektorschirm projiziert.

Der Detektor macht diese Elektronen sichtbar, indem er sie in kleine Lichtblitze umwandelt, die dann von einer Kamera aufgenommen werden. Anschaulich wird also so etwas wie ein „Röntgenbild“ durch die Impulsverteilung der Photoelektronen aufgenommen.

Von 2D zu 3D: Tomographische Methoden

Diese 2D-Projektion ist bereits sehr aufschlussreich – aber in unserem Labor gehen wir einen Schritt weiter: Wir rekonstruieren die vollständige dreidimensionale Impulsverteilung der Elektronen – ähnlich wie bei der Computertomographie in der Medizin.

Der Clou: Während bei einem CT der Detektor um den Patienten rotiert, rotieren wir stattdessen das Quantensystem selbst. Genauer gesagt: Wir drehen die Polarisation des Laserpulses, der das System anregt. Möglich wird das durch eine sogenannte Halbwellenplatte, mit der wir die Richtung der Polarisation steuern können.

So nehmen wir viele unterschiedliche "Blickwinkel" auf – und errechnen anschließend aus diesen eine vollständige 3D-Impulsverteilung der Photoelektronen.

Noch mehr Tiefe: Holographie

Zusätzlich nutzen wir ein Konzept aus der Optik: die Holographie. Hierbei überlagern wir die Elektronenverteilung, die uns interessiert, mit einer bekannten Referenzverteilung. Die entstehenden Interferenzmuster enthalten nicht nur Informationen über die Position der Elektronen, sondern auch über ihre Phase.

Mit dieser Kombination aus Tomographie und Holographie gewinnen wir ein besonders tiefes Verständnis darüber, wie sich Quantensysteme unter dem Einfluss von Licht verhalten.

(Stand: 09.05.2025)  Kurz-URL:Shortlink: https://uol.de/p112446
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