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Selbstsein als Sich-Wissen?

Selbstsein als Sich-Wissen? Zur Bedeutung der Wissensgeschichte für die Historisierbarkeit des Subjekts Internationale Tagung am DFG-Graduiertenkolleg „Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive“, Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, 26.-28.1.2017 Dass das Subjekt nicht als Universalie, sondern als lokalisierbares und historisierbares Phänomen zu konzeptualisieren sei, hat sich als Forschungsprämisse in der jüngeren Zeit etabliert. Die Kontextabhängigkeit von Selbstbildungen lässt sich mittels des Begriffs der Subjektivierung denken: Das Subjekt ist nicht gegeben, sondern wird erzeugt, und erzeugt sich selbst, in einem komplexen Wechselspiel zwischen Individuum und den realen Zusammenhängen und Gegenständen seines Tuns und Denkens. Den methodologischen Zugriff auf diese Problematik haben zuletzt vor allem gouvernementalistische und (im deutschen Sprachraum) praxeologische Perspektiven bestimmt: Zum einen legt schon die Etymologie des sub-iectum den Zusammenhang von Unterwerfung und Selbstwerdung nahe, zum anderen erlaubt die Beschreibung des Subjekts als Tun (nicht: Sein), die sozialen Verflechtungen zu erfassen, innerhalb derer es sich zugleich selbst engagiert und geformt wird. Beide Ansätze setzen dabei auch eine Implikation von Wissen voraus: der gouvernementalistische, indem er mit Dispositiven als Macht/Wissen-Komplexen argumentiert (vgl. etwa Nikolas Rose), der praxeologische, indem er den Praktiken in Form von „Codes“ eingeschriebene Sinnstrukturen voraussetzt (Andreas Reckwitz).
Die geplante Tagung wirft die Frage auf, wie sich ein solches Wissen konzeptualisieren lässt und welche methodologische Relevanz es für die Arbeit mit dem Begriff der Subjektivierung besitzt. Die Problemstellung geht dabei über die Verortung von Wissen in den genannten Ansätzen hinaus: Zu klären ist, inwieweit die Wissensgeschichte des Subjekts selbst – und zwar als Geschichte seiner theoretischen Konzeptionen – für die Problematik der Subjektivierung relevant ist. Inwiefern werden wir Subjekte durch das, was wir über das Subjektsein wissen? Und inwiefern aktualisieren und transformieren wir dieses Wissen dabei? Damit ist auch die Frage danach gestellt, inwiefern sich Subjektivierung als ein nicht nur durch Praktiken oder Machtverhältnisse, sondern vor allem durch Wissen hervorgebrachter Vorgang konzeptualisieren lässt, und auf welche Weise (humanwissenschaftliche) Diskurse, die die historische Existenz eines Subjektwissens verbürgen, dabei zusammenwirken.
Dieses Anliegen impliziert nicht zuletzt eine Rückbesinnung auf die philosophische Tradition der Bestimmung des Subjekts als Form des reflexiven Selbstbezugs: Während Subjektvierung in aktuellen Forschungskontexten zumeist im Sinne einer Selbst-Bildung in konkret lebensweltlichen Zusammenhängen verstanden wird, ließe sich im Sinne einer strukturellen Beschreibbarkeit von Selbstverhältnissen auch fragen, inwieweit sich die Historisierbarkeit des Subjekts an den Formen des Wissens festmachen lässt, die seinen reflexiven Selbstbezug konkretisieren und vermitteln (Marcel Gauchet). Thema der Tagung sind folglich zum einen die verschiedenen „Subjektgeschichten“, die der historischen Entwicklung von Theologie, Philosophie, Psychologie, politischer Theorie und Sozialwissenschaften zu entnehmen sind und sich aus dem Zusammenhang dieser Entwicklungen ergeben; zum anderen das Verhältnis der unterschiedlichen – impliziten oder expliziten – Formen subjektivierungsrelevanten Wissens, wie sie einerseits praxeologische, andererseits theoriegeschichtliche Ansätze fokussieren.

 

Programm

DO., 26. JANUAR

13.45-14.25    

Sandra Janßen, Thomas Alkemeyer: Begrüßung und Einführung

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

14.30-15.45

Keynote-Vortrag   

Hans-Jörg Rheinberger (Wissenschaftsgeschichte, MPIWG Berlin): Vom Subjekt des Wissens aus der Perspektive der historischen Epistemologie

Moderation: Thomas Alkemeyer

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

16.15-17.45

Kantianische und nachkantianische Subjekte

Christiane Frey (Germanistik, NYU):  Modellierungen des Selbst: Kant, Goethe und die Laune

Adelheid Voskuhl (Wissenschaftsgeschichte, University of Pennsylvania): Subjekt und Technik: Ingenieurswissen und Selbst-Wissen in der „Zweiten“ Industriellen Revolution

Moderation: Johann Kreuzer

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

18.15-19.30

Keynote-Vortrag

Alain Ehrenberg (Soziologie, CNRS Paris): The practical subject of cognitive neuroscience

Moderation: Sandra Janßen

BIBLIOTHEKSSAAL

FR., 27. JANUAR

9.15-10.45      

Epistemologische Perspektiven

Kornelia Engert (Soziologie, Mainz): Potenziale des Wissens und reflexiver Selbstbezug

Frieder Vogelmann (Politische Theorie, Bremen): Subjektivierung durch Wissen? Das philosophische Problem mit der Wirksamkeit von Wissen

Moderation: Maxi Berger

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

11.15-12.45

Psychologische Subjektivierung um 1900

Katja Rothe (Theaterwissenschaft, UdK Berlin): Rhythmus und Neurasthenie: Sich-Selbst-Wissen um 1900

Armin Schäfer (Germanistik, Bochum): Die Idee, die vorausgeht, und der Verstand, der nachfolgt: Psychiatrische und literarische Modelle der Subjektivierung im frühen 20. Jahrhundert

Moderation: Christiane Frey

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

14.15-15.30

Keynote-Vortrag

Jakob Tanner (Geschichte, Universität Zürich): Anthropos revisited: Wissensgeschichte des Subjekts als historische Anthropologie?

Moderation: Thomas Etzemüller

HÖRSAAL 3 (A14)

15.45-16.30

Ökonomie des Subjekts in historisch-anthropologischer Perspektive

Brigitta Bernet (Wissenschaftsgeschichte, Basel / ETH Zürich): Talente, Anlagen, Vermögen. Der moderne Mensch als Kapitalträger

Moderation: Thomas Etzemüller

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

17.00-18.30   

Sich-Wissen zwischen Literatur, Psychologie und Politik

Karin Harrasser (Kulturwissenschaft, Linz): Ginster. Empfinden, Wissen und Politik bei Siegfried Kracauer

Sandra Janßen (Literaturwissenschaft, Oldenburg): Vom Bewegtwerden durch Musik. Stationen einer Denkfigur als Leitbild „totalitärer“ Subjektivierung

Moderation: Martin Butler

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

 SA., 28. JANUAR

9.15-10.45      

Praktiken/Technologien psychologischer Subjektivierung

Nora Binder (Wissenschaftsgeschichte, Konstanz): Von der Introspektion zum Feedback: Eine Genealogie des Sich-Wissens im psychologischen Experiment (1880–1940)

Jens Elberfeld (Geschichte, Bochum): Subjekt/Wissen. Therapeutisierung und Technologien des Selbst im 20. JahrhundertModeration: Laurens Schlicht

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

11.15-12.45

Historisch-politische Subjektivierung nach der Aufklärung

Malte Griesse (Geschichte, Konstanz): Lebensbeschreibung und Aufklärung: Grammatiken von Freiheit und Knechtschaft im vorabolitionistischen Russland

Dustin Breitenwischer (Nordamerikastudien, Freiburg): Kreativität und Subjektbildung: Emersons Hermeneutik des Selbst

Moderation: Reinhard Schulz

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

14.00-15.30

Historisch-politische Subjektivierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Phillip Wagner (Geschichte, Bielefeld): Politische Bildung, demokratische Subjektivität und die Herausforderung des Antisemitismus um 1960

Wiebke Wiede (Geschichte, Trier): Die sozialwissenschaftliche Entdeckung des Subjekts: die Münchener subjektorientierte Soziologie (1972-1996)

Moderation: Malte Griesse

SENATSSITZUNGSSAAL (A14 1-111)

 Kontakt: Sandra Janßen ()

26.01.2017 Ganztags

BIS-Saal & Senatssitzunssaal (Universität Oldenburg)

DFG-Graduiertenkolleg "Selbst-Bildungen"

(Stand: 19.01.2024)  | 
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