Forschung
Kontakt
Forschung
Forschung in der Oldenburger Niederlandistik
Forschungsprofil der Literaturwissenschaft
Eine Professur in der literaturwissenschaftlichen Auslandsniederlandistik bringt es in der Regel mit sich, dass sowohl die Lehre als auch die Forschung generalistischer und breiter angelegt sind als bei vergleichbaren Lehrstühlen der Inlandsniederlandistik. Das Forschungsspektrum der Oldenburger Niederlandistik deckt so einen Beobachtungszeitraum ab, der vom 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht, der Fokus liegt jedoch auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Bordewijk, Nieuwe Zakelijkheid/ Neue Sachlichkeit, Avantgarde, Modernismus). Dies kommt auch in der von Prof. Dr. Grüttemeier gemeinsam mit Prof. Dr. Maria Leuker-Pelties herausgegebenen Niederländischen Literaturgeschichte (Metzler 2006) zum Ausdruck.
Seit der Berufung von Ralf Grüttemeier auf die Professur für Niederländische Literaturwissenschaft im Jahr 1997 haben sich die Analyse kleiner Literaturen, die Konzeptualisierungen von Intentionalität sowie die Bezüge zwischen Literatur und Recht als literaturwissenschaftliche Forschungsschwerpunkte des Instituts herausgebildet.
Die zentrale Frage, auf die die meisten Forschungsarbeiten Grüttemeiers zurückgeführt werden können, zielt auf die Klärung, warum literarische Texte zu bestimmten Zeitpunkten von bestimmten Lesern so und nicht anders interpretiert wurden. Im Vordergrund stehen damit die soziale Dimension literarischer Phänomene beziehungsweise die Regularitäten im Umgang verschiedener Akteure mit ihnen, zum Beispiel in der Literaturkritik oder in juristischen Verfahren.
In Verbindung mit dem Forschungsschwerpunkt kleine Literaturen stehen drei durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Projekte des Instituts. Das erste Projekt, dessen vorläufiger Abschluss durch die von Grüttemeier herausgegebene Publikation Literary Trials. Exceptio artis and Theories of Literature in Court (Bloomsbury 2016) markiert wird, hat den Umgang der Jurisprudenz in Belgien und Südafrika mit literarischen Texten zum Gegenstand. In diesen Rahmen gehören das abgeschlossene Promotionsprojekt von Ted Laros zu Literarischen Prozessen in Südafrika 1910-2010 und das von Katharina Hupe zu literarischen Prozessen in Belgien.
Das zweite mit DFG-Mitteln finanzierte Projekt untersucht die Nieuwe Zakelijkheid als Positionsstrategie im niederländischen Kunstfeld der Zwischenkriegszeit. Janka Wagner analysiert in ihrem Promotionsprojekt, welche Funktion der Begriff der Nieuwe Zakelijkheid in den 1920er und 1930er Jahren im Hinblick auf die Machtkämpfe in den verschiedenen künstlerischen Disziplinen, also in der Literatur, der Musik oder der Architektur, hatte.
Das aktuell laufende DFG-Projekt (2021-2025) untersucht die Literaturkonzepte der juristischen und politischen Eliten in den Niederlanden im 20. Jahrhundert, unter anderem anhand von Verweisen auf Literaten in den komplett digitalisierten Reden von Politikern im Parlament und mit Hilfe von Interviews mit exemplarisch ausgewählten Richtern der höchsten niederländischen Gerichte zu ihren Literaturpräferenzen. Dabei geht es aus literaturtheoretischer Sicht darum, die Relationen zwischen dem literarischen Feld einerseits und dem von Bourdieu so genannten „Feld der Macht“ genauer zu beschreiben und zu konzeptualisieren. Hiermit wird sich auch eine internationale Expertentagung Ende August 2024 in Oldenburg befassen.
Die Forschungsprojekte zu den kleinen Literaturen in der Niederlandistik entstehen dabei in enger Kooperation mit Prof. Dr. Gun-Britt Kohler (Institut für Slavistik), insbesondere vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der von Bourdieu am Beispiel Frankreichs entwickelten Feldtheorie. Auch das Promotionsprojekt von Kerstin Bohne, das aus vergleichender Perspektive die Vergabe des Literaturnobelpreises im Hinblick auf die niederländischsprachige Literatur untersucht hat, reiht sich in diesen Zusammenhang ein (erfolgreich abgeschlossen Ende 2023). Das gleiche gilt für die Promotion von Haimo Stiemer (Das Habitat der mondblauen Maus. Eine feldtheoretische Untersuchung der pragerdeutschen Literatur (1890-1938), Königshausen & Neumann 2020) der mittels einer systematischen Analyse der Prager Literaturkritik die Entwicklung der pragerdeutschen Literatur in den ersten drei Dekaden des 20. Jahrhunderts untersucht. Seine Forschung erfasst damit den Zeitraum, in welchem die aufgerufene Literaturproduktion einen eklatanten Bedeutungsaufwuchs in der deutschsprachigen Literatur vollzog.
Die zunehmende Bedeutung des Faches Niederländisch an den niedersächsischen Schulen hat darüber hinaus zu einer stärkeren Berücksichtigung didaktischer Fragestellungen auch im Bereich Literaturwissenschaft geführt. Auf der Grundlage der Bourdieuschen Feldtheorie steht das fachdidaktische Promotionsprojekt von Fabian Nattkämper, in welchem anhand einer kleinen Geschichte des Schulsfachs Niederländisch die Spielregeln und Dominanzverhältnisse im schulischen Feld bezüglich der Konflikte um das kulturbezogene Lernen im Niederländischunterricht rekonstruiert worden sind (erfolgreich abgeschlossen April 2021).
Die Konzeptualisierung von Intentionalität zu verschiedenen historischen Zeitpunkten stellt einen weiteren Forschungsschwerpunkt Grüttemeiers dar. Bei einem Aufenthalt als Fellow am Netherlands Institute for Advanced Study in den Jahren 2008/9 wurde diese Problematik um die Frage nach der literaturwissenschaftlichen Funktion von Intentionalitätskonzepten aus feldtheoretischer Perspektive ergänzt und in eine niederländischsprachige kleine Geschichte der Intentionalität (Auteursintentie. Een beknopte geschiedenis. Garant, 2011) überführt. Die Monographie Intention and Interpretation: A short history (De Gruyter, 2022) versucht die Vorarbeiten in einen systematischen Zusammenhang zu bringen: Sie spannt einen historischen Bogen von der griechischen Antike bis hin zu neueren Konzepten wie actual intentionalism, ergänzt um interdisziplinäre Vergleichsperspektiven bezüglich der Rolle von Intentionalität in der Jurisprudenz sowie um Betrachtungen zur Funktion der Intentionalitätsdebatte in der Literaturwissenschaft aus historischer Perspektive.
Weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe Literaturwissenschaft:
- Lina Blank
- Lotte van den Bosch
- Beatrix van Dam
- Sofie Dobbener
Forschungsprofil der Sprachwissenschaft
Prof. Dr. Esther Ruigendijks Forschung konzentriert sich auf die Frage "wie erwerben, verarbeiten und produzieren wir Menschen Sprache?". Es geht dabei vor allem um sprachvergleichende und experimentelle Forschung, wobei der Vergleich von Niederländisch und Deutsch im Vordergrund steht, aber regelmäßig andere Sprachen hinzugezogen werden (z. B. Hebräisch, Englisch, Russisch). Methodisch wird sowohl mit pencil- und paper Aufgaben gearbeitet, als auch mit Spontansprachanalysen, aber auch mit Reaktionszeitstudien unterschiedlicher Art (Cross-Modal-Lexical-Priming, Cross-Modal Lexical Interference, Word Monitoring). Außerdem verfügt die Oldenburger Sprachwissenschaft über ein modern ausgestattetes Labor für experimentelle Sprachwissenschaft, in dem unter anderem EKP (Ereignis Korreliert Potentiale) Studien und Eyetracking Studien (Augenbewegungsmessungen) durchgeführt werden können.
In einigen Projekten untersucht Ruigendijk schwerpunktmäßig die Produktion, die Verarbeitung und das Verständnis von Pronomen (er, ihn, sich) und Artikeln (die, der, das) von Kindern und Aphasikern oder auch im Zweitspracherwerb (u. a. in Kooperation mit Prof. Dr. Friedmann, Tel Aviv; Dr. Schumacher, Mainz/Köln; Prof. Dr. Hamann, Anglistik Oldenburg; Prof. Dr. Hendriks, Groningen). Mit der Verarbeitung von Pronomen im Niederländischen durch deutsche Zweitspracherwerber befasst sich Hendrikje Ziemann in ihrem Promotionsprojekt und untersucht dieses mit psycholinguistischen Methoden wie Reaktionszeitstudien und Eyetrackerstudien.
Prof. Dr. Friedmann, Tel Aviv;
Dr. Schumacher, Mainz/Köln;
Prof. Dr. Hamann, Anglistik Oldenburg;
Prof. Dr. Hendriks, Groningen, (officiele site rug-medewerkers);
Prof. Dr. Schulz, Frankfurt;
Prof. Dr. Hentschel;(voor publikaties)
Patrick Zeller;
In Projekten zum Erstspracherwerb werden nach unterschiedlichen Domänen der Sprache geforscht. Sara Jonkers hat sich in ihrer Promotionsarbeit mit dem Erwerb niederländischer Modalverben befasst; eine Domäne, wo sowohl linguistische als auch kognitive Aspekte der Entwicklung zusammenkommen. Atty Schouwenaars forscht über die Frage, wie morphosyntaktische Information (z. B. Kasusmarkierung, Satzpositionen) von Kindern in Sprachverstehen und in Sprachproduktion eingesetzt wird
In anderen Projekten geht es eher um das Verständnis und die Produktion von Sätzen mit nicht-kanonischer Wortfolge, sogenannte Objekt-Erstsätze, wie Objektrelativsätze oder Objektfragen. Diese Fragen werden gemeinsam bearbeitet mit Prof. Dr. Friedmann und Prof. Dr. Schulz, Frankfurt, und konzentrieren sich zunächst auf Erstspracherwerb und Spracherwerb bei Kindern mit Hörschädigung.
Weiterhin arbeitet Ruigenidjk in Kooperation mit Kollegen aus der Medizinischen Physik (z. B. Prof. Dr. Kollmeier, Dr. T. Brand) an einem größeren DfG-Projekt mit dem Titel ‚Speech perception and speech processing in acoustically adverse conditions from an AUdiolical and psychoLINguistic viewpoint ‘ (mehr dazu: www.aulin.uni-oldenburg.de/). Unter anderem wird im AULIN Projekt der Einfluss von Sprechgeschwindigkeit auf Verständnis und Verständlichkeit untersucht. Zusammen mit der Doktorandin Angela Jochmann erforscht sie die Effekte von verschnellten und verlangsamten Sätzen mit unterschiedlicher syntaktischer Komplexität bei Normalhörenden, Schwerhörenden und Menschen mit Aphasie.
Seit 2011 ist sie Principal Investigator im Exzellenzcluster Hearing4all. Zusammen mit der Postdoktorandin Dr. Rebecca Carroll geht sie in verschiedenen Projekten der Frage nach, welche Typen von linguistischen Cues (z. B. prosodische oder morphosyntaktische Informationen) bei verschiedenen Typen von Störschall oder bei verschiedenen Arten von Hörverlustversorgung dem Hörer noch für die Sprachverarbeitung und für das Verständnis zur Verfügung stehen. Im Promotionsprogram ‚Signals and Cognition‘ geht es um ähnliche Fragen. Die Doktorandin Mari Chanturidze wird untersuchen, inwiefern Kinder mit einer Hörschädigung (Kinder mit einem Cochlearimplantat (CI) oder mit einem Hörgerät) in der Lage sind, Präpositionen zu erwerben. Die Frage dabei ist, wie eine Beschädigung in der auditiven sensorischen Verarbeitung bei kleinen Kindern (von Geburt an) den Erwerb von Präpositionen beeinflusst. Diese Frage wird mit einem interdisziplinären Ansatz (Linguistik, Entwicklung, Neuronale Verarbeitung) angegangen.
Gemeinsam mit Kollegen aus der slawischen Sprachwissenschaft (u.a. Prof. Dr. Hentschel, Patrick Zeller) wurde ein Forschungsprojekt gestartet, welches die Prozesse der Kodewechsel und Entlehnungen in Kontaktsprachen mit unterschiedlich enger Verwandtschaft und unterschiedlichem Grad an struktureller Affinität im Bereich des Slawischen und Germanischen untersuchen will.
Mitarbeiter der Sprachwissenschaft:
- Dr. Ankelien Schippers
- Dr. Bénédicte Grandon
- Andreas Hiemstra
- Matthias Reiner