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< Inhalt 11/1995

Leserforum

  • Hansjürgen Otto: Zur öffentlichen "Erklärung"
    von 60 Hochschullehrenden im uni-info 7/95 vom Oktober

  • Prof. Dr. Thomas Höpner: Zur öffentlichen "Erklärung"
    von 60 Hochschullehrenden im uni-info 7/95 vom Oktober

Hansjürgen Otto:

Eine Krähe," sagt das Sprichwort, "hackt der anderen kein Auge aus." Es sei denn, man bezeichnet die Krähen als Krähen, obwohl sie sich doch eher als erhabene Adler, als freie Paradiesvögel oder doch wenigstens als eierlegende Hühner sehen. Denn das ist Netzbeschmutzung, und die darf man sich als Krähe nicht bieten lassen.

Nicht sprichwörtlich, aber weit verbreitet ist die Vermutung, daß Hochschullehrende ihre grundgesetzliche Freiheit nicht nur in engagierte Kreativität bei Lehre und Forschung umsetzen, sondern auch freiheitlichen Umgang mit ihren Dienstaufgaben pflegen. Was unser Ministerpräsident über die LehrerInnen sagte, würde er über die HochschullehrerInnen nicht aussprechen, vermutlich aber in Einklang mit vielen MitbürgerInnen denken: Faule Säcke!

Daß Schröder das vielleicht denkt, sagt noch nichts über den Wahrheitsgehalt aus. Deutsche ProfessorInnen sehen sich als sehr, sehr fleißig, arbeiten über die 38,5-Stundenwoche hinaus, und besonders hart während der Veranstaltungszeit. Das ist löblich; aber sie werden dafür auch gut bezahlt, und sie können weitgehend selbst bestimmen, was, wie und wo sie arbeiten, insofern häufig persönliche Interessen und dienstliche Pflichten widerspruchsfrei verbinden. Nur ein gutes Drittel dieses Zeitaufwands gilt dabei den Studierenden, und wiederum nur der kleinere Teil davon (15 %) ist zeitlich fremddeterminiert, nämlich die Durchführung der Lehrveranstaltungen, der Prüfungen und der Sprechstunden (diese Angaben habe ich der Studie von Enders und Teichler über das "Berufsbild der Lehrenden und Forschenden an Hochschulen", BMBF 1995 entnommen). Man dürfte daher erwarten, daß dieser zeitlich fremddeterminierte Teil der Hochschullehraufgaben, der die Freiheit des Zeitmanagements nur geringfügig einschränkt, um so verantwortlicher wahrgenommen würde - es ist schließlich derjenige, der unmittelbar mit den Studienverpflichtungen der Studierenden harmonieren muß, weil er die entscheidende "Schnittstelle" ist zwischen Lehre und Studium. Und Störungen dieser Verläßlichkeit müssen den Kundendienst alarmieren.

Als zu Beginn des vergangenen Semesters nach dem Ausfall mehrerer Veranstaltungstermine der Kundendienst gleich mehrfach gerufen werden mußte, hätte ich erwartet, daß die Hochschullehrenden alle Mühe darauf verwenden würden, die Verläßlichkeit des Veranstaltungsangebots schleunigst wiederherzustellen. Aber nichts dergleichen geschieht. Der Präsident als oberster Kundendienstleistender verkündet das Problem, der Senat nimmt es geniert zur Kenntnis, die Dekane sollen es im Stillen lösen. Die Fälle wiederholen sich im laufenden Semester, der Senat will nichts mehr davon hören. Das Uni-Info greift das Thema auf, und die Presse stürzt sich drauf - gibt es ein deutlicheres Indiz für die grassierenden (Vor-) Urteile über die Pflichtaufassung der ProfessorInnen in der Öffentlichkeit? Und der Präsident gibt bereitwillig in aller Öffentlichkeit Auskunft, daß er solche Pflichtverletzungen einer Minderheit nicht mehr dulden werde.

Und was tun die Hochschullehrenden? Sie greifen den Präsidenten an, der das Problem benannt hat - als Nestbeschmutzer. Sie greifen nicht ihre KollegInnen an, die die Probleme gemacht haben - eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Wenn Paradiesvögel, Adler und Hühner sich derart wie Krähen verhalten, dann schlage ich mich lieber auf die Seite der Nestbeschmutzer. Denn dann scheint es nötig, solche Hochschullehrende Krähen und ihr Nest dreckig zu nennen: damit alle ans Saubermachen gehen. Und natürlich weiß ich, wissen wir alle, daß das wirklich nicht ein spezifisch Oldenburgisches Problem ist.

Hansjürgen Otto


Prof. Dr. Thomas Höpner:

Als Altgedienter hat man so sein hochschulpolitisches Archiv. Darin gibt es die Unterabteilung "Im Prinzip richtig, aber politisch tölpelhaft". In ihr befinden sich z.B. auch die "Faulen Säcke". Zwei besonders schöne Sammlerstücke stecke ich jetzt dazu: Des Präsidenten "Fünf Punkte zur Einhaltung des Lehrdeputats" (denen ich nicht das Schicksal der Parkraumbewirtschaftung wünsche) und das Aufheulen meiner 60 Kollegen.

Prof. Dr. Thomas Höpner

Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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