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Globalhaushalt: Keine Alternative mehr zur neuen Rechnungsart

Trotz aller Kinderkrankheiten: Grundsätzlich positive Einschätzung ein Jahr nach Einführung des Globalhaushaltes / Nur Personalrat fürchtet Schlimmes

Große Hoffnungen, aber auch Befürchtungen begleiteten die Einführung des Globalhaushaltes im vergangenen Jahr. Die Ablösung der kameralistischen durch die kaufmännische Buchführung gilt in Niedersachsen als ein Modellversuch, von dem aber kaum noch jemand glaubt, daß am Ende eine Rücknahme stehen könnte. Sinn der Maßnahme:

die Hochschulen versprechen sich dadurch ein höheres Maß an Autonomie und Flexibilität. Kanzler und Haushaltsbeauftragter Wolf-Dietrich v. Fircks spricht schon jetzt von einem großen Erfolg, der auch von den technischen Schwierigkeiten im EDV-Bereich nicht überschattet werden könne. Es sei erstaunlich, wie gut trotz ernst zu nehmender Kinderkrankheiten die Umstellung geklappt habe. "Wir sind auf dem richtigen Weg. Das zeigt uns auch das bundesweite Interesse sehr vieler anderer Hochschulen, die sich auf den Globalhaushalt vorbereiten und von uns wissen wollen, wie wir das machen", sagte v. Fircks. Tatsächlich rechnen nicht wenige Hochschulexperten damit, daß schon in wenigen Jahren im gesamten Hochschulbereich die neue Rechnungsart gelten wird. Nachfolgend einige Stimmen zu den Erfahrungen: "Ein Jahr Globalhaushalt"

Prof. Dr. Rüdiger Meyenberg, Dekan des Fachbereichs 3 und Sprecher der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Planungskommission: "Daß der Globalhaushalt mit den massiven Einsparungen zusammenfällt, macht seine Durchsetzung nicht einfacher. Aber auch die technischen Probleme täuschen mich nicht. Mein Resümee nach einem Jahr: die neue Haushaltsführung nützt uns bereits heute, d.h. sie ist gut für die Wissenschaft. Wir haben zweifellos viel flexiblere Lösungsmöglichkeiten , was dazu führt, daß die Bereitschaft steigt, Probleme selbst anzugehen und nicht ins Ministerium oder andere Stellen der Administration abzuschieben. Es war bisher bequem, der Bildungsbürokratie unangenehme Entscheidungen zu überlassen, sachgerecht war es bestimmt nicht. Jetzt ist die Entwicklung neuer Konzepte leichter, weil die Verantwortlichkeit der Fachbereiche gestärkt wurde."

Prof. Dr. Heinz-Werner Damm, Dekan des FB 10 Informatik und Sprecher der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Planungskommission: "Der Globalhaushalt ist ein ganz großer Schritt nach vorn, der nicht mehr in Frage gestellt werden darf. Größere Flexibilität in den Entscheidungsprozessen und Rücklagenbildung sind für die Entwicklung von entscheidenender Bedeutung. Die Praxis nach einem Jahr zeigt aber auch deutlich, daß die bisherigen Entscheidungsstrukturen nicht optimal sind. Kaufmännische Strategiediskussionen sind nur schwer mit der jetzigen Gremienstruktur vereinbar. Für die allgemeine Akzeptanz der Einführung des Globalhaushaltes ist außerdem nicht günstig, daß die Heftigkeit der Geburtswehen unterschätzt wurde. Da muß viel gearbeitet werden, um den Fachbereichen wirklich den Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen, der ihnen versprochen wurde. D.h. es wird langsam Zeit, daß die Software SAP funktioniert."

Christian Leszczynski, Sprecher der Zentralen Einrichtungen: "Die pragmatisch-rationalen Vorteile sind unverkennbar. Die Umsetzung des Modells in das Alltagshandeln ist aber für alle schwieriger als gedacht. Im Hinblick auf die technischen und institutionellen Aspekte und auch, was unsere Kenntnisse und Mentalität angeht, brauchen wir noch Lernzeit. Dennoch ist das Ganze bestimmt eine Investition in die Zukunft. Aber: das Modell verlangt auch ein höheres Maß an Respekt vor dezentraler Autonomie. Und es verlangt in den Gremien Common sense, gerechte und vorurteilsfreie Urteilsbildung, Kompromißfähigkeit und Gemeinsinn. Insofern steht unsere Universität vor einer enormen politisch-kulturellen Bewährungsprobe."

Hermann Havekost, Direktor der Bibliothek: "Meine positiven Erwartungen an den Globalhaushalt sind teilweise enttäuscht worden. Leider wird die neue Haushaltsführung noch von viel zu viel Bürokratie überfrachtet - besonders bei den Personalmitteln, die nicht so flexibel eingesetzt werden können, wie es erforderlich wäre. Es wollen immer noch zu viele mitsprechen, die von unserer Arbeit zu wenig wissen. Daß die Software in vielen Bereichen noch nicht so funktioniert, wie angekündigt, wird langsam zum Ärgernis. Trotzdem bin ich natürlich für den Globalhaushalt. Wir haben schon vor seiner Einführung versucht, nach ähnlichen Kriterien zu handeln."

Günther Rother, Leiter des Haushaltsdezernates: "Das Haus-haltsdezernat hat ein sehr arbeitsreiches Jahr hinter sich. Die MitarbeiterInnen sind bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gefordert worden. Aber ihr Einsatz hat sich gelohnt. Trotz vieler Schwierigkeiten bei der Umstellung, die bis heute andauern und uns auch noch begleiten werden, ist der Globalhaushalt installiert, wir sind das Korsett der kameralistischen Haushaltsführung los. Wir haben die Möglichkeit, eine Kosten- und Leistungsrechnung aufzustellen. Die größere Deckungsfähigkeit der Ausgabenposten macht es uns zudem leichter, von Etatplanungen abzuweichen. Daß die Kassengeschäfte jetzt in der Bank im eigenen Haus und die Vergütungsangelegenheiten ebenfalls hier und nicht in Aurich abgewickelt werden, ist natürlich auch ein großer Vorteil."

Bernd Wichmann, Vorsitzender des Personalrates: "Unsere Skepsis gegenüber dem Globalhaushalt bleibt. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß die Universität jetzt in ihrem Handlungsspielraum beweglicher ist und unbürokratischere Entscheidungen treffen kann. Doch das letzte Jahr hat uns nicht die Sorge genommen, daß es wahrscheinlich zu Stellenabbau und Mehrbelastung des Personals insbesondere im Bereich der Mitarbeiter des technischen und Verwaltungsdienstes kommen wird. Im Gegenteil: Wir sehen dafür deutliche Anzeichen, denen wir aber massiv entgegenwirken werden. Das gilt auch, wenn Dienstleistungen privatisiert werden sollten."


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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