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"Kein x-beliebiger Pluralismus"
Interview mit AStA-Sprecher Michael Schröter über die Wende in der Studierendenpolitik
Am 24. April 1996 wurde ein vom RCDS und der Liste MAO/aM tolerierter Minderheiten-AStA aus einer Koalition der Bündnisliste Simply Red/Juso-Hochschulgruppe, der Grünen Hochschulgruppe (GHG), der Liste Picard und der Liste "und draußen lagen die Igel" gebildet. Welche Konsequenzen sich daraus für die Zukunft der Studierenden-Vertretung ergeben, wollte uni-info vom neuen AStA-Sprecher, Michael Schröter, wissen.uni-info: Erstmals seit Bestehen der Universität ist der RCDS an der Bildung eines AStA beteiligt. Was bedeutet das für einen traditionell linken AStA?
Schröter: Also erst einmal würde ich nicht sagen, daß der RCDS am AStA beteiligt ist. Der RCDS ist in den Ausschüssen des Studierendenparlaments und im Präsidium vertreten. Das war vorher nicht so. Neu ist auch, daß der RCDS einen Kassenprüfer stellt. Das ändert nichts an dem Anspruch, mit dem wir angetreten sind. Wir werden das allgemeine politische Mandat vertreten, so wie es auch in unserer Arbeitsgrundlage festgelegt ist, und wir werden die Struktur der autonomen Referate, wie sie jetzt besteht, erhalten. Auf dieser Grundlage sind wir gewählt worden und so werden wir uns auch verhalten.
uni-info: Die Rolle des RCDS bei der AStA-Wahl war ja so unbedeutend nicht. Immerhin ist der AStA ja nur durch Tolerierung von RCDS und "MAO/aM" zustande gekommen.
Schröter: Ja, der RCDS hat den AStA mitgewählt. Damit ist der RCDS aber nicht im AStA. Das ist eine ähnliche Diskussion wie darüber, ob in Magdeburg die PDS an der Regierung beteiligt ist oder nicht. Es ist ja möglich, sich auf einer Grundlage wählen zu lassen und nachher mit wechselnden Mehrheiten zu arbeiten. Also, wir haben unsere politischen Ziele, das ist ein rot-grüner AStA, der mit zwei kleineren Gruppierungen zusammenarbeitet, und der wird auch rot-grüne oder eher grün-rote Politik machen.
uni-info: Der RCDS hat in einer Presseerklärung verlauten lassen, daß die "AStA-Wahl ein zukunftsweisender Schritt in Richtung Demokratie" ist. Stimmt der neue AStA dem zu?
Schröter: Ich würde schon sagen, daß die Wahl des AStA ein Schritt in Richtung Demokratie ist. Das Problem, weswegen sich die linken Gruppierungen hier an der Universität sehr lange gestritten haben, war, inwieweit sich der AStA überhaupt noch der Diskussion mit politisch Andersdenkenden stellen will und kann. Es gab lange Zensur-Debatten, wenn Studierende in der AStA-Zeitung Artikel eingereicht haben. Das fanden wir immer problematisch. Wir sind hier in einer Situation, in der wir als Studierendenvertretung administrative Funktionen haben und in gewissem Maße auch Macht ausüben. Gleichzeitig müssen wir aber auch die Kritik an uns selber über unsere Presse finanzieren. Wenn wir diese Kritik nicht ermöglichen, dann gibt es überhaupt gar keine politische Kontrolle mehr. Daran hat es vorher gehapert. Es gab hier bislang keine unabhänggige Studierenden-Zeitung und die einzige Möglichkeit, notwendige Kritik, die auch aus der Opposition kommt, aufzunehmen, ist eben, wenn man das in der AStA-Zeitung ermöglicht. Und das wollen wir in Zukunft machen.
uni-info: In Zukunft gibt es also keine Zenur-Debatten mehr in der Redaktion der AStA-Zeitung?
Schröter: Also, es hat die eben skizzierten Streitigkeiten gegeben und diese Zensur-Debatte. Darüber ist der vorletzte AStA zerbrochen. Das ist kein x-beliebiger Pluralismus, wie uns immer wieder vorgeworfen wird, weil wir auch ganz klare Ausschlußkriterien haben. Wir werden auch weiterhin keine sexistischen, faschischtischen, rassistischen, militäristischen und antisemitischen Inhalte veröffentlichen. Die AStA-Zeitung ist für die Menschen gedacht, die für sich akzeptieren, daß andere genauso das Recht auf eine freie Meinungsäußerung haben.
uni-info: Die Wahlbeteiligung zum Stupa staggniert seit einigen Jahren bei 20 %. Was hat sich der AStA vorgenommen, um die Studierenden für mehr hochschulpolitisches Engagement zu gewinnen?
Schröter: Sicherlich ist die Art und Weise, wie wir jetzt hier Öffentlichkeitsarbeit machen wollen, der springende Punkt bei dieser Frage. Wenn Studierende wissen, sie können über die Studierendenvertretung und über die Zeitung, die der AStA herausgibt, sich äußern und werden darin ernst genommen, dann ist das eine Sache, über die man auch Menschen wieder an die Politik heranführen kann. Vorher war es ja so: Wenn Menschen zum AStA gekommen sind, haben sie sich von Anfang an in einer Atmosphäre wiedergefunden, in der erstmal nur abgeklopft wurde, inwieweit sie "political correct" sind. Das führt doch eher zu einer Verdrossenheit. Das werden wir in Zukunft abstellen. Dann wollen wir neben den politischen vor allem auch kulturelle Projekte verstärkt fördern.