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Aus Wissenschaft und Forschung

Schwarze Flecken: Ein Lebensraum setzt Zeichen

Warum sich der Wattboden schwarz verfärbt - Höpner sieht viele Ursachen

Wenn man an einer Wattwanderung teilnimmt, kann man sie sehen, die schwarzen Flecken. Bei frischem Wind ergeben die Stiefeltritte ungewohnt dunkle Abdrücke auf dem beigebraunen Wattboden, an ruhigen Tagen verfärbt sich die Oberfläche fußballfeldgroß unmittelbar schwarz. 1986 sind solche Verfärbungen in das Bewußtsein der Wissenschaftler gelangt, seither sind sie Bestandteil einiger Forschungsvorhaben. Ihre erhebliche Vergößerung auf derzeit 5 bis 10 Prozent des gesamten ostfriesischen Wattgebiets wird als Warnsignal des Wattenmeeres bewertet. "Die schwarzen Flecken sind jetzt eher als schwarze Flächen zu bezeichnen", sagt Prof. Dr. Höpner, Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM). Seine Arbeitsgruppe ist an der Untersuchung dieses neuartigen meeresbiologischen Phänomens maßgeblich beteiligt.

Schwarze Flecken sind Bereiche auf der Wattoberfläche, in denen der Abbau organischer Substanz durch Bakterien ohne Sauerstoff (anaerob) erfolgt. In der Tiefe des Sediments sind solche Stoffwechselvorgänge nichts außergewöhnliches: Der Sauerstoff kann nicht tiefer als wenige Zentimeter in den Boden vordringen. Die Bakterienarten, die unterhalb dieser Grenze leben, sind Spezialisten dafür, ohne diesen für die meisten Tiere und den Menschen unersetzlichen Bestandteil der Luft lebenswichtige Energie zu gewinnen. Am Ende dieser bakteriellen Stoffwechselvorgänge stehen deshalb auch kein Wasser und Kohlendioxid wie bei der tierischen Atmung, sondern andere, zum Teil giftige Substanzen, wie Methan oder Schwefelwasserstoff. Die Verbindung des Schwefelwasserstoffs mit Eisen zu Eisensulfid ist schwarz und kennzeichnet sauerstoffreie Bereiche des Wattbodens.

Die Tiefe, unterhalb derer kein Sauerstoff vorkommt, ist von vielen physikalischen, hydrologischen und metorologischen Faktoren abhängig. Von großer Bedeutung sind aber auch Würmer, Krebse und Muscheln, die den Boden durchwühlen und einen erheblichen Einfluß auf das Vordringen von Sauerstoff in den Boden haben. Der Durchlüftung steht die Sauerstoffzehrung durch aerobe Bakterien gegenüber, die dazu beiträgt, daß die sauerstoffreie Zone mit anaeroben Stoffwechselvorgängen nach oben drängt.

Innerhalb der letzten Jahre jedoch ist dieses biologische Gleichgewicht im Wattboden gestört: Die anoxische Zone hat im Frühjahr 1996 in vielen Bereichen des Wattenmeeres, insbesondere im ostfriesischen Teil, großräumig die Oberfläche erreicht. Biologisch bedeutet dies, daß in solchen schwarzen Flecken die Ansiedlung von Würmern, Krebsen und Muscheln erschwert wird. Die sonst stark vernetzten Nahrungsketten und Stoffkreisläufe zwischen den bodenlebenden Organismen sind stark reduziert und kurzgeschlossen. Die Artenvielfalt in solchen Bereichen ist deutlich verringert.

Die Arbeitsgruppe von Höpner vermutet, daß die wesentliche Ursache für die Entstehung und Ausbreitung von schwarzen Flecken in der Einleitung von Nährstoffen in die Nordsee zu finden ist, die das Wachstum von Organismen fördert. Produzenten biologischer Substanz am Anfang der Nahrungskette wie Algen vermehren sich besonders stark und bilden stellenweise großflächige Matten. Der Abbau ihrer Biomasse braucht den Sauerstoff.

Über die Gründe für die Vergrößerung der schwarzen Flecken im Frühjahr 1996 gibt es verschiedene Vermutungen. Ausschlaggebend waren sicherlich die außergewöhnlich niedrigen winterlichen Temperaturen, die viele Bodentiere sterben ließen. Der plötzliche Temperaturanstieg Anfang Juni beschleunigte anschließend die sauerstoffzehrenden Abbauprozesse der organischen Substanz. Hinzukamen selbstverstärkende Effekte wie die erhöhte Nährstoff- und Schadstoffreisetzung, die ihrerseits zur Bildung lokaler schwarzer Flecken beitrugen.

Nach Angaben von Höpner ist davon auszugehen, daß es sich bei den schwarzen Flecken zwar um ein dynamisches reversibles Phänomen, nicht aber um ein einmaliges Ereignis handelt. Schon jetzt sind (überflüssige) Nährstoffe im Watt reichlich vorhanden. Überdies ist eine entscheidende Verringerung der Einleitung über Flüsse und Atmosphäre nicht absehbar.

Höpner sieht die derzeitige Lage als die Katastrophe an, vor der die ersten schwarzen Flecken gewarnt hatten.

Hauke Bietz

Solarzellen ermöglichen Lärmschutz und Stromerzeugung zugleich

Kostensenkung durch Doppelnutzung / Studie zeigt großes Potential auf

Einer Stromerzeugung mit Solarzellen (Photovoltaik) in großem Maßstab stehen in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland immer noch ihre Kosten entgegen, denn diese müssen sich am Preis für den Strom aus der Steckdose messen lassen. Aber nicht überall gibt es Steckdosen. Und hier tut sich bereits heute schon eine Vielzahl von Anwendungsfällen auf, in denen sich die Photovoltaik als eine kostengünstige und attraktive Alternative darstellt - ganz ohne Subvention für die Solarzellen und Schadstoffabgabe für die konventionelle Konkurrenz. Wenn beispielsweise der Treibstoff für Generatoren über weite Strecken herangeschafft werden muß oder zur Beleuchtung eines Buswartehäuschens lange Kabel verlegt werden müssen, können rein wirtschaftliche Überlegungen für die solare Stromerzeugung sprechen.

Die Kosten für den Solarstrom reduzieren sich auch dann, wenn die Solarzellenmodule nicht allein der Stromerzeugung dienen, sondern als ein Bauelement verwendet werden, das in einer Doppelnutzung zugleich auch noch andere Aufgaben erfüllt. So können Photovoltaik-Module in Fassaden eingesetzt werden und dort herkömmliche Fensterflächen ersetzen, für die häufig hochwertiges Glas verwendet wird. Und wenn es sich um Bürofassaden handelt, dienen die blau schimmernden Solarzellen als "Öko-Anstrich" auch zugleich noch dem Image. "Photovoltaik statt Marmor" als High-Tech-Variante von "Jute statt Plastik".

Ein weiteres Anwendungsfeld für die Photovoltaik stellen Lärmschutzwände an Autobahnen, Bundesstraßen und Eisenbahnstrecken dar. Auch hier kommt den Photovoltaik-Modulen ihre Multifunktionalität zugute: Die Solarzellen erzeugen nicht nur elektrischen Strom, sondern die Module dienen zugleich dem Schallschutz und können daher konventionelle Schallschutz-Elemente ersetzen. Auf der anderen Seite wird die Schallschutzwand als Tragekonstruktion für die Solarzellen genutzt. Außerdem entsteht für die Erzeugung des Solarstroms kein zusätzlicher Flächenbedarf.

Ein Beispiel ist die Autobahn bei Saarbrücken. Hier wurde auf einer Strecke von über 290 Metern ein Photovoltaik-Generator mit einer Leistung von 40 Kilowatt in eine Lärmschutzwand integriert. Berechnungen ergaben bei diesem Prototypen eine Kostensenkung von 15 Prozent für die Photovoltaik. Für die nähere Zukunft werden Kostenreduktionen bis zu 30 Prozent erwartet.

In einer Zusammenarbeit zwischen der TNC Energie Consulting GmbH, dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (beide Freiburg) und der Abteilung Energie- und Halbleiterforschung der Universität Oldenburg (Fachbereich Physik) wurde im vergangenen Frühjahr eine Studie erstellt, die das Potential für die Nutzung von Lärmschutzwänden in Deutschland ermitteln sollte. Es handelt sich um ein Vorhaben im Rahmen eines größeren Projektes, zu dem auch ein Ideenwettbewerb gehört, bei dem unterschiedlichste Realisierungen von Lärmschutzwänden mit integrierten Photovoltaik-Generatoren vorgeschlagen wurden. Eine Deutsch-Schweizer Jury, der auch der Akustiker Prof. Dr. Volker Mellert (Universität Oldenburg) angehörte, prämierte 6 von insgesamt 31 eingereichten Vorschlägen. Auswahlkriterien waren die Schallschutzeigenschaften, der photovoltaische Energieertrag, die Integration beider Funktionen, die Architektur und nicht zuletzt die Kosten. In der Schweiz und in Deutschland sollen jetzt Testfelder mit je drei dieser Lösungsvorschläge entstehen. Für einen späteren Zeitpunkt ist die Errichtung mehrerer Anlagen in der Größenordnung von 100 Kilowatt unter Einbeziehung der Erfahrungen mit diesen Prototypen geplant.

Die Studie zeigt ein beachtliches Potential auf: Bei Nutzung der schon bestehenden Lärmschutzwände könnten über 200 Megawatt Photovoltaik-Leistung installiert werden. Und nimmt man die in den nächsten Jahren noch zu bauenden Lärmschutzwände hinzu, ergibt sich ein Gesamtpotential von 330 Megawatt. Die Stromerzeugung dieser Anlagen würde ausreichen, um die privaten Haushalte, die Kleinverbraucher und die Industrie einer Stadt mit über 50.000 Einwohnern zu versorgen.

Unterwegs in der Antarktis

Oldenburger WissenschaftlerInnen untersuchen, wie sich Kleintiere an polare Existenz anpassen

Noch nie waren so viele Mitglieder der Arbeitsgruppe "Zoomorphologie" (Fachbereich 7 Biologie) zu Forschungszwecken in den Gewässern der Antarktis unterwegs, wie in den Monaten Januar bis Juni. Vier Doktoranden und ein Dozent nahmen an drei verschiedenen Fahrtabschnitten mit dem Forschungsschiff (FS) "Polarstern" teil. Zwei Doktorandinnen verbrachten mehrere Monate im Dallmann-Laboratorium, einer deutschen Anhangsstation der argentinischen Basis Jubany auf der subantarktischen Insel King George. Es ging um Fragen der Biodiversität und der Anpassung an die Bedingungen polarer Existenz, die in der Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Horst Kurt Schminke und Dr. Hans-Uwe Dahms vor allem am Beispiel der Ruderfußkrebse (Copepoda) und anderer mikroskopisch kleiner Tiergruppen, insbesondere der Fadenwürmer (Nematoda), untersucht werden. Gefördert werden die Arbeiten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms "Antarktisforschung mit vergleichenden Untersuchungen in arktischen Eisgebieten".

Auf der Insel King George gingen Gritta Veit-Köhler und Kerstin Elwers der Frage nach, ob sich die am Meeresboden und im freien Wasser lebenden subantarktischen Ruderfußkrebse in ihrer Populationsbiologie von solchen anderer Klimaregionen unterscheiden. Dazu nahmen sie Proben aller Entwicklungsstadien (Larven, Jugendstadien, erwachsene Tiere), um Erkenntnisse z.B. über eventuelle Saisonalität des Fortpflanzungsverhaltens zu gewinnen. Zusätzlich wurde mit Laborzuchten dieser Tiere begonnen, um in sogenannten Kohortenanalysen Aufschluß über populationsbiologische Anpassungen zu erhalten.

Wie eigentlich breiten sich Tiere aus, die im Südpolarmeer im oder auf dem Substrat am Meeresboden leben? In der einschlägigen Literatur heißt es, daß sie im Gegensatz etwa zu Tieren der Nordsee, die freibeweglich im freien Wasser treibende Larven haben, durch eine direkte Entwicklung (ohne Planktonlarven) gekennzeichnet sind. Dotterreiche Eier werden gelegt, und Brutpflege ist weit verbreitet. Daß es hiervon jedoch viele Ausnahmen gibt, konnten Hans-Uwe Dahms und Jan Vanaverbeke in diesem Südherbst durch Schlittennetzfänge von Bord des FS "Polarstern" aus in der hochantarktischen Weddell-See nachweisen. Hier fanden sie in den bodennahen Strömungen z. B. Larven von Würmern, Weichtieren und Stachelhäutern, wie sie auch aus den Meeren der Tropen und gemäßigter Breiten bekannt sind. Dahms: "Wieder hat eine pauschale Aussage, die auf der Verallgemeinerung einiger auffälliger Einzelfälle beruht, ihre Gültigkeit verloren."

Wie unterscheidet sich das Arteninventar der hochantarktischen Weddell-See von dem der Gewässer um die subantarktische Insel King George, von den patagonischen Schelfmeeren und den Gewässern um den Äquator? Biodiversitätsforschung wird erst dann besonders interessant, wenn sie vergleichend ist, weil Unterschiede auf Trends aufmerksam machen, die ihrerseits auf Gesetzmäßigkeiten hinweisen. Aber nicht nur breitengradabhängig, sondern auch mit zunehmender Meerestiefe kann sich die Artenzusammensetzung ändern. Welche Veränderungen gibt es entlang des latitudinalen und des vertikalen Gradienten? Zur Beantwortung dieser Fragen nahmen Kai George (am patagonischen Kontinentalabhang), Pedro Martinez-Arbizu und Gisela Moura (in der Tiefsee des Südatlantiks) Proben mit verschiedenen Bodengreifern von Bord des FS "Polarstern" aus und siebten die darin enthaltenen Kleintiere aus, um sie zu bestimmen und mit statistischen Analysen die Unterschiede in der Artenzusammensetzung und der Artenvielfalt zu ermitteln. Die Artenvielfalt im Meer ist noch ein großes Rätsel. Seit man weiß, daß die Vielfalt der Arten im tropischen Regenwald unendlich viel größer ist als bisher angenommen, tauchte die Vermutung auf, daß es in der Tiefsee ähnlich sein könnte. Die noch ausstehende Auswertung der Proben aus der Antarktis könnte erste Hinweise in dieser Richtung geben.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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