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Leserforum

Konsequente Männerförderung

Antwort an Prof. Kattmann (UNI-INFO 9/96)

Wie man zur Ansicht kommen kann, die ministeriellen "Empfehlungen zur Gewährleistung von Chancengleichheit bei Stellenbesetzungsverfahren" würden Männer diskriminieren, ist für viele Frauen unbegreiflich. Im gesamten Wissenschaftsbereich an unserer Hochschule werden Männer zu 75% mit Stellen "priviligiert", bei den C 4-Professuren sogar zu 96,1%. Dieser Zustand ist der Erfolg der bisherigen "Politik der guten Absichten", die den Kern der Frauenförderpolitik an den Universtäten in den letzten zehn Jahren ausgemacht hat. Nur wer die Statistik ignoriert, kann aus eindeutig Priviligierten Opfer machen.

Da die überwältigende Mehrheit der Professoren während dieser Zeit eher ein gähnendes Desinteresse an konkreten Frauenfördermaßnahmen demonstriert haben, wird man den Verdacht nicht los, daß ihr plötzliches Engagement daher stammt, daß sie in einer effektiven Frauenförderpolitik den Verlust ihrer Machtposition befürchten.

Tatsache ist: Die Empfehlungen des MWK sind, Prof. Kattmanns und Prof. Ebenhöhs Ausführungen zum Trotz, nicht erarbeitet worden, um junge, begabte, hochqualifizierte Wissenschaftler abzusägen, damit man unqualifizierte, an der Wissenschaft desinteressierte, Frauen "fördern" kann. Das Ziel der Empfehlungen ist es, Veränderungen auf struktureller Ebene durchzuführen, damit Frauen die gleichen Chancen in Besetzungsverfahren haben wie Männer. Sie sollen der konsequenten "Männerförderung" der Universität entgegenwirken.

Am deutlichsten wird die Diskriminierung von Wissenschaftlerinnen, wenn es um Berufungen geht. Die Vorstellung, an Universitäten würden Professoren ausschließlich aufgrund hervorragender Leistungen in Forschung und Lehre berufen, hört sich durchaus erstrebenswert an, geht aber an der tatsächlichen Praxis in Berufungsverfahren vorbei, in denen politische Streitereien und Machtkämpfe innerhalb der Hochschule sowie eines Fachbereiches oft ihren Ausdruck finden. Die Bevorzugung von Männern in Berufungsverfahren fängt schon bei der Entwicklungsplanung der Hochschule an: Gremien, die bis zu 95% von Männern besetzt sind, entscheiden, welche Schwerpunkte in welchen Fachbereichen an der Universität ausgebaut werden und welche nicht.

Auch die Zusammensetzung einer Berufungskommission kann die Chancen von Berwerberinnen erheblich verringern. Über zwei Jahre lang setzten sich die meisten Berufungskommissionen über die Forderung des NHG hinweg: "mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder müssen Frauen sein, eine davon soll der Professorengruppe angehören", was selbstverständlich einen Einfluß auf das Abstimmungsergebnis der Kommission hat. Ein Professsor begründete neulich seine Weigerung, seinen Platz in einer Kommission zugunsten einer Professorin aufzugeben: "Niemand kann meine Interessen so gut vertreten wie ich."

Die Beurteilung von Forschung und Lehre, die angeblich im Vordergrund der Vorauswahl steht, ist in allen Berufungskommission einer der strittigsten Punkte,. da sie wenigstens z.T. doch "Auslegungssache" ist. Auswahlkriterien, die zugunsten eines Bewerbers wirken, werden nicht selten gegen eine Bewerberin ausgelegt.: "Seine Veröffentlichungen belegen seine Qualifikation in der gesamten Breite der Disziplin", aber "sie hat sich nicht genug auf einen Schwerpunkt konzentriert". Wenn noch Kandidatinnen und Kandidaten nach traditionellen Kriterien beurteilt, z.B. nach der Anzahl der Veröffentlichungen oder ob sie einen geraden wissenschaftlichen Karriereweg vorweisen können, schneiden Frauen öfters schlechter ab. Vor allem werden Unterbrechungen aufgrund von Erziehungsarbeit nicht gern gesehen.

Hinzu kommen leicht dehnbare Kriterien, z.B. ob die/der Bewerber/in " eine Vorstellung vom Fach hat, die in das Gesamtbild des Fachs paßt". Da Frauen- und Geschlechterforschung bei vielen Professoren immer noch als etwas Marginales gilt, werden Professorinnen mit diesem Schwerpunkt oft wegen angeblicher "fehlender Breite in der Disziplin" frühzeitig aus Berufungsverfahren "ausgemustert". Ein Bewerber hingegen kann die Ergebnisse der Frauen- und Geschlechtsforschung in seiner Disziplin völlig ignorieren, ohne mit Widerstand seitens der Kollegen oder Studenten rechnen zu müssen. Ein solches Defizit ist noch nie ein Hinderungsgrund für die Erteilung einer Professur gewesen. Und so bleibt der Status Quo erhalten.

Die Bevorzugung von Männern besteht nicht nur darin, daß zum Schluß in einem Verfahren ein Bewerber einer Bewerberin vorgezogen wird, sondern daß die Entscheidungen auf allen Ebenen fest in den Händen von Männern liegen, die einen blinden Fleck bzgl. struktureller Diskriminierung sowie ihrer eigenen Vorurteile gegen Frauen haben. Diese Männer beteueren: "ich sehe keine Diskriminierung von Frauen" während sie die Augen fest zuhalten. Dieser blinde Fleck führt dazu, daß sie sich weigern, ihre eigene Beteiligung an der strukturellen sowie individuellen Diskriminierung von Frauen einzugestehen, geschweige denn etwas dagegen zu unternehmen.

Bezogen auf Berufungsverfahren heißt dies, daß mit jeder weiteren Stufe des Verfahrens die Chancen für Bewerberinnen geringer werden, bis bei der Erstellung der Berufungsliste der Mehrheit der Kommission es als unstrittig erscheint, der Mann sei der bestqualifizierte Kandidat. Es wundert dann keinen mehr, daß Männer immer wieder die ersten Plätze auf Berufungslisten bekommen.

Nun, was meinen Sie, werden Männer aufgrund ihres Geschlechtes nicht doch bevorzugt?

Deidre Graydon, Frauenbeauftragte

"Männliches Sprechen"

Antwort an Prof. Kattmann (UNI-INFO 9/96)

Der Beitrag mit dem Titel "Endlich: Erlaß zur Bevorzugung von Frauen", (UNI-INFO 23, 9/96) in dem Herr Prof. Kattmann einer namenlosen Ministerin für Wissenschaft und Kultur die einsame Handlung eines männerfeindlichen Erlasses zuschreibt, folgt in Inhalt und Rhetorik dem öffentlichen Diskurs zu legislativen Demokratisierungsprozessen. Er verdient daher, als ein Beispiel unter vielen unsere weibliche Aufmerksamkeit.

Sie richtet sich zuallererst darauf, wie die Texte gegebene Zuteilungsstrukturen naturalisieren. Dies wird im wesentlichen durch zwei Prozesse hergestellt: Zum einen wird die bisherige (Un)Ordnung gesellschaftlicher Teilhabe nicht erwähnt und bleibt damit einer öffentlichen Verhandlung enthoben. Zum anderen wird eine drohende Diskriminierung gegenüber Männern beschworen, die mit der neuen legislativen Intervention eintreten wird. Diese erst, so der Tenor, macht die bisherige Gleichbehandlung von Frauen und Männern zunichte, die anhand "objektiver" Kriterien (wie z.B. Beurteilungen, Dienstjahre, Noten) bisher erfolgreich realisiert ist. Prof. Kattmann folgt in seinem Text diesem Muster.

Er folgt nicht nur einem inhaltlichen Muster, sondern benutzt auch die Formen der Ironie und Übertreibung, wie sie in Neuverhandlungen der Geschlechterkonstruktion häufig zu finden sind. Das klingt dann ungefähr so: Ein Professor der Didaktik der Biologie veröffentlichte einen Diskussionsbeitrag, mit dem Männerförderung wirksam erhalten bleiben soll. Dabei ist ihm wichtig, das Ausmaß möglicher männlicher Diskriminierung zu erwähnen. Seiner Meinung nach, sind davon (fast) alle wissenschaftlichen Bereiche der Universität betroffen, da Frauen dort unterrepräsentiert sind. Wie Frauen es geschafft haben, sich diesen vorteilhaften Platz der Unterrepräsentation zu sichern, wird leider nicht erwähnt. Genau hier könnte nämlich der Schlüssel zum Erfolg für die Männer liegen. Sie müssen einfach die Unterrepräsentanz unterbieten. Damit können sie den Erlaß effektiv aushebeln. Statt sich mit der wichtigen Frage zu beschäftigen, wie die Männer das große Problem der 90-prozentigen Überrepräsentanz anpacken können, verliert sich Prof. Kattmann in hilflose Vorschläge, die der Sache der Männer, und darum geht es ihm schließlich, überhaupt nicht dienlich sind. Wie sonst könnte er fordern, daß die Universität beschließt, künftig Professuren und Qualifikationsstellen nur noch für Frauen auszuschreiben? Oder schlägt er am Ende dies als Strategie vor, die leidige Überrepräsentanz so schnell wie möglich abzubauen, um doch noch in die Anwendung des Erlasses zu kommen?

Diese Art von Ironie gehört zu dem Skript, das Prof. Kattmann befolgt. Er erschafft keine diskurserweiternde Analyse über die sich ändernden sozialen Kategorien von "Mann" und "Frau" und neue Formen der Teilhabe an gesellschaftlicher Arbeit. In seinem Diskurs konstruiert er Männlichkeit in traditioneller Weise durch Abwertung und Vernichtung der Kategorie "Frau". In seinem Falle sollen sie "die Ministerin" und "ihr" individualisieren und ausgrenzen. So ganz ernst ist dieser Erlaß schließlich nicht zu nehmen, wenn Prof. Kattmann uns vor die Frage stellt: "Man darf gespannt sein, wie die Ministerin ihn auf der Ebene der Rektoren und Präsidenten ... umsetzen wird". Welcher man(?) muß sich bei soviel männlicher Unterstützung noch fürchten. Hier sehen wir ihm bei der Konstruktion männlicher Netzwerke über die Schulter.

Noch mehr Spaß macht unsere Betrachtung allerdings, wenn wir feststellen, daß Prof. Kattmann eine Massierung der Kategorie "Frau" vornimmt. Er gibt damit den Anschein, daß nur die Kategorie "Frau" Geschlecht ist. Die nicht erwähnte Kategorie "Mann" wird zum neutralen Hintergrund, gegen die sich "Frau" abhebt. Damit verbunden ist die weitverbreitete Rhetorik einer abstrakten Gleichbehandlung gleicher Individuen. Prof. Kattmann fordert sie ein und verschweigt, daß bei den sozialen Konventionen dieser "Gleichheit" die Kategorie "Mann" der Referenzpunkt ist. Die Kategorie "Mann" wird nicht weniger kulturell erschaffen als die Kategorie "Frau" und das (Macht-)Verhältnis dieser beiden. Genau deshalb begrüßen wir Gesetze, die Unterschiede konzeptualisieren und behandeln.

Die Sorgen der Männer, über "Mann" und "Frau" neu zu denken und zu handeln, zeigen sich, wie hier, im Festhalten und Zementieren bestehender (Sprach-)Wirklichkeiten. Der Prozeß gesellschaftlichen Wandels findet in Sprache statt. So muß sich unsere Aufmerksamkeit nicht nur darauf richten was gesagt wird, sondern ebenso intensiv darauf, was nie gesagt wird und was wir durch Sprache nicht erschaffen (dürfen).

Im Diskurs von Gleichstellungspolitik verhandeln wir bisherige "Mann"-orientierte Konventionen von Qualifikation, Einstellungsverfahren und Arbeitsorganisation neu. So wie es vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Zusammenarbeit mit der Landeshochschulkonferenz praktiziert wird.

Wenn immer weniger Männer so sprechen wie Prof. Kattmann, dann, ja dann haben wir "Frau" und "Mann" neu erschaffen.

Dipl. Psych. Margit K. Epstein, Arbeitskreis Nachwuchswissenschaftlerinnen

Gerechtigkeit für die "Überfrau" - oder für Menschen?

Ulrich Kattmann antwortet Helga Wilhelmer (UNI-INFO 1/97)

Erfreut stelle ich fest, daß Frau Wilhelmer mir in (wenigstens) zwei Grundsätzen zustimmt:

1. Die Gleichbehandlung der Geschlechter darf nicht suspendiert werden.

2. Für eine Stellenbesetzung müssen Eignung und fachliche Qualifikation ausschlaggebend sein.

Leider sind diese beiden Grundsätze heute nicht mehr so selbstverständlich, wie Frau Wilhelmer offensichtlich meint. Vielmehr können die "Empfehlungen" der Ministerin mit dem irreführenden Titel "Zur Gewährleistung von Chancengleichheit bei Stellenbesetzungen" dazu beitragen, daß die Gefahr, von ihnen abzuweichen, noch größer wird, als es schon bisher der Fall ist. Wer aber den genannten Grundsätzen zustimmt, kann die "Empfehlungen" der Ministerin auch dann nicht gutheißen, wenn er die Ziele der Frauenförderung unterstützt.

Meiner Überzeugung nach widersprechen die "Empfehlungen" ganz klar den beiden Grundsätzen. Nicht meine Glosse, sondern die Empfehlungen selbst sollten daher als Provokation empfunden werden. In der mir angekreideten Ungenauigkeit hat Frau Wilhelmer recht, allerdings ist sie bei ihrer Korrektur selbst ungenau: Das Einladungsgebot an alle Frauen, die die Grundvoraussetzungen für eine Stelle erfüllen, wird zwar nicht für Professuren (und Dozenturen), wohl aber für alle übrigen Stellen des Wissenschaftsbereichs (und nicht nur für Nachwuchsstellen) empfohlen. Für meine Kritik ist das Ausklammern der Professuren unerheblich. Mir geht es um den Rechtsgrundsatz der Gleichbehandlung im Verfahren. Und der darf an keiner Stelle und zu keiner Zeit ausgesetzt werden. Wer bereit ist, dessen Suspendierung auch nur ausnahmsweise zuzustimmen, kann kaum mehr protestieren, wenn die Ausnahme flugs zum Regelfall gemacht wird, wie es die zentrale Frauenbeauftragte der Universität in eiliger Umsetzung der "Empfehlungen" in einem neuen Entwurf für die Richtlinien bei Stellenbesetzungen bereits getan hat.

Ganz verfehlt finde ich den Versuch, die Auseinandersetzung um die "Empfehlungen" zu einem Kampf der Geschlechter zu stilisieren, wie es in der Presse geschehen ist. Der Vergleich "Frau fordert die halbe Torte für sich" hinkt leider in dieselbe Richtung. Es kann doch nicht wirklich um "die" Frau als kollektive "Überperson" gehen, die ihren gerechten Anteil einfordern könnte. Vielmehr geht es darum, jeweils den einzelnen Menschen - Frauen und Männern - in der Gegenwart gerecht zu werden. Der Hinweis auf die Anteile der Geschlechter ist für mich ein Hinweis auf fortdauernde Ungerechtigkeit, die für die Individuen zu beseitigen ist.

Das Urteil, daß Frauen in meinem Beitrag lächerlich gemacht worden seien, vermag ich nicht nachzuvollziehen. Daß Frau Wilhelmer dies so empfunden hat, tut mir leid. Ich weiß aber, daß ich vielen Frauen aus dem Herzen gesprochen habe, und zwar deshalb, weil diese sich durch Forderungen nach unangemessener Berücksichtigung des Geschlechts in ihrer Qualifikation unterbewertet und damit diskriminiert fühlen. Der Hinweis in den "Empfehlungen", daß es bei Stellenbesetzungen nicht allein auf fachliche Qualifikation ankomme, ist in diesem Zusammenhang besonders peinlich.

Ich habe einen großen Teil meiner pädagogischen und wissenschaftlichen Arbeit der Frage gewidmet, wie Diskriminierungen von Menschen beseitigt oder verhindert werden können. Daher wende ich mich gegen Empfehlungen und Verfahrensregeln, die geeignet sind, Diskriminierungen zu befördern. In meinen Augen sind solche Vorschläge schlicht rechtswidrig.

Die "Empfehlungen" sind auch deshalb abzulehnen, weil sie der Frauenförderung schaden. Da sie gegen das Rechtsempfinden vieler Menschen verstoßen, können sie bestehende Widerstände gegen Frauenförderung egünstigen und neue hervorrufen.

Der Fachbereich Biologie hat auf meinen Vorschlag eigene Richtlinien für die Verfahren bei Stellenbesetzung beschlossen, durch die die Chancengleichheit von Frauen und Männern bei Stellenbesetzungen gesichert werden soll (s. S.). Ich hoffe, daß diese Richtlinien von anderen Fachbereichen übernommen werden und so insgesamt ein Konsens in der Universität erreicht werden kann.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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