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Hochschulpolitik

Universität unter "Innovationszwang"

Abkommen zwischen Regierung und Hochschulen zur Haushaltsabsicherung

Das zwischen Regierung und Hochschulen am 18. September vereinbarte Abkommen wird nach Ansicht von Präsident Prof. Dr. Michael Daxner den Univeristäten nicht nur mehr Planungssicherheit bringen, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit eröffnen, erheblich zu ihrer Erneuerung beizutragen. Voraussetzung sei allerdings die Bereitschaft, die alten Wege zu verlassen und im eigenen Umfeld wie auch in der gesamten Universität die bisherigen Strukturen in Frage zu stellen. Nur dann werde die Universität auch im Konzert der Großen mithalten können. "Wir können froh sein, daß es in Zeiten finanzieller Cholera ein solches Abkommen gibt", sagte er wörtlich.

Das Abkommen, das von Ministerpräsident Gerhard Schröder und dem Vorsitzenden der Landeshochschulkonferenz, Prof. Dr. Rainer Künzel, unterschrieben wurde, sieht vor, daß bis 2001 der Haushalt auf dem Niveau von 1997 festgeschrieben wird. Allerdings sind die Universitäten verpflichtet, insgesamt 27 Millionen Mark in einen zentralen Topf einzubringen, der für innovative Projekte zur Verfügung gestellt wird. Die gleiche Summe bringt auch die Regierung auf.

Über die Vergabe der insgesamt 54 Millionen Mark entscheidet auf Antrag eine wissenschaftliche Kommission, die demnächst berufen wird. "Wir stehen damit unter Innovationszwang. Können wir keine fundierten neuen Projekte vorweisen, werden wir wirklich Geld und Handslungsfreiraum verlieren", meinte Daxner vor dem Senat.

OVG Lüneburg bestätigt Position des Präsidenten

Nachwahlen im November - "Viel unproduktive Kraft"

Die Nachwahlen der Gremien-VertreterInnen bei den wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und dem MTV-Bereich finden endgültig am 18. und 19. November statt, nachdem in letzter Instanz das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die Rechtsauffassung des Präsidenten der Universität Oldenburg bestätigt hat. Das OVG erkannte ihm allein das Recht zu, die Zuordnung von Hochschulmitgliedern zu bestimmten Statusgruppen vorzunehmen (Beschluß 10 M 911/97 + 10 M 3270/97.12 B 5462/96). Der Rechtsstreit zwischen Präsident und dem Wahlausschuß hatte dazu geführt, daß die beiden Gruppen ihre GremienvertreterInnen Anfang dieses Jahres nicht wählen konnten.

Strittig war, ob die Angehörigen des höheren Dienstes in den sogenannten Zentralen Einrichtungen (Bibliothek, Rechenzentrum, Zentrum für Wissenschaftliche Weiterbildung) wahlrechtlich der Gruppe der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen zuzurechnen sind. Seit Bestehen der Universität war das bisher so praktiziert worden. Aufgrund zweier Briefe von wissenschaftlichen Mitarbeitern, die die Praxis beanstandeten, entschied der Wahlausschuß, daß diese Mitarbeiter künftig im MTV-Bereich zu wählen hätten, was zu stürmischen Protesten der Betroffenen führte. "In diesem Fall wäre uns fast aller fachlicher und politischer Einfluß in der universitären Gremienarbeit genommen worden," erklärte dazu der Sprecher der Zentralen Einrichtungen, Christian Leszczynski, der den Präsidenten auf seiner Seite wußte. Der beanstandete den Beschluß des Wahlausschusses wegen Kompetenzüberschreitung.

Das OVG gab ihm recht und entschied, daß allein der Präsident das Recht habe, die Zuordnung zu treffen. In dem Urteil heißt es, der Wahlausschuß sei zu seiner Entscheidung nicht berechtigt gewesen. "Er stellt zwar das Wählerverzeichnis abschließend fest (§ 5 Abs. 7 Satz 1 in NHWVO). Dies gibt ihm aber noch keine eigene Prüfungskompetenz. Insoweit ist er vielmehr auf die Vorgaben der Hochschulleitung angewiesen, die als Dienstherr die konkrete Zuweisung von Dienstaufgaben festlegt und die tatsächlich wahrgenommenen Tätigkeiten der Mitarbeiter feststellt (§§ 93 Abs. 1 Satz 2, 86 Abs. 10 Satz 1 NHG). Diese dienstrechtlichen Entscheidungen können vom Antragsgegner (Wahlausschuß) nicht überprüft werden, sondern sind von ihm zu übernehmen."

Er sei froh, erklärte Prof. Dr. Michael Daxner nach der Urteilsverkündung, daß ein unnötiger Streit beendet sei, der viel unproduktive Kraft gekostet habe.

von Maydell Grubitzsch-Nachfolger

"Gleichgewicht von Forschung und Lehre" / Ina Grieb weiter Vizepräsidentin

Mit großer Mehrheit hat das Konzil im Juli den Soziologen am Fachbereich Pädagogik Prof. Dr. Jost von Maydell zum ersten Vizepräsidenten und damit zum Nachfolger von Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch gewählt. Ina Grieb, Leiterin des Zentrums für wissenschaftliche Weiterbildung (ZWW), wurde in ihrem Amt bestätigt. Das höchste Gremium der Universität folgte damit dem Vorschlag von Präsident Prof. Dr. Michael Daxner. Für von Maydell stimmten 74 Konzilsmitglieder, 19 gegen ihn. Grieb erhielt die gleiche Anzahl Gegenstimmen, aber 80 stimmten für sie.

Grubitzsch, der bereits im Januar angekündigt hatte, er werde nicht mehr kandidieren, begründete dies vor dem Konzil noch einmal mit außerordentlichen fachlichen Belastungen, die er im Winteresemester zu tragen habe. Außerdem schloß er eine Kandidatur für das Amt des Präsidenten im kommenden Jahr nicht aus. Sollte er sich darum bewerben, sei das aus dem Amt des Vize nicht opportun, erklärte er.

Von Maydell (59) setzte sich bei seiner Rede vor dem Konzil dafür ein, in der Hochschulentwicklungsplanung Forschung und Lehre gleichgewichtig zu behandeln. Zudem müsse die Universität alles tun, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern - schon allein deshalb, weil die Mehrzahl der ProfessorInnen in den nächsten zahn Jahren ausscheide. Der Soziologe gehört zu den ersten Professoren, die an die 1974 gegründete Oldenburger Universität berufen wurden. Nach dem Studium in Frankfurt und München hatte er in Hannover promoviert. In Oldenburg nahm zahlreiche Ämter wahr. U.a. leitete er von 1977 bis 1979 den Fachbereich Pädagogik, gehörte mehrfach dem Senat an und ist seit der Gründung des Instituts für Erziehungswissenschaften I dessen Leiter.

< Grieb (53) war nach ihrem Politikstudium in Berlin und Freiburg zunächst wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag und Referentin bei der Bundeszentrale für Politische Bildung in Bonn. 1975 wechselte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin ins ZWW der Universität, dessen Leitung sie 1986 übernahm.

"Alles Wichtige fehlt!"

Interview mit Michael Daxner zur HRG-Reform

Über die Parteigrenzen hinaus haben sich Bund und Länder im August auf einen gemeinsamen Entwurf zur Reform des Hochschulrahmengesetzes (HRG) geeinigt. Zu den wichtigsten Änderungen zählen die leistungsbezogene Hochschulfinanzierung, die Verpflichtung zur Evaluation in Forschung und Lehre, neue Regelstudienzeiten, ein Leistungspunktssystem, das die Anerkennung von Studienleistungen bei einem Hochschulwechsel im In- und Ausland erleichtern soll, die neuen internationalen Abschlüsse "Bachelor" und "Master" sowie das Recht der Hochschulen, in zulassungsbeschränkten Fächern 20 % der StudienbewerberInnen selbst auswählen zu können. Nach Willen der Reformer soll das neue HRG den Hochschulen mehr Freiräume bieten und das deutsche Studienangebot international wettbewerbsfähiger machen. Doch Präsident Prof. Dr. Michael Daxner ist skeptisch.

UNI-INFO: Von den einen beklatscht, von anderen als "Reförmchen" abgetan ... Was taugt der Entwurf zur HRG-Reform tatsächlich?

DAXNER: Ich glaube, daß dieser Entwurf, so wie er jetzt ausgehandelt ist, nicht für eine zukunftsfähige Hochschulreform taugt, aber er schadet auch nicht. Er bleibt einfach unterhalb der Wirksamkeitsgrenze. Aber es ist doch gut, daß es diesen Entwurf gibt, weil sich vernünftige Forderungen an ihm profilieren können. Gut daran ist auch, daß dadurch die Diskussion dorthin gelangt ist, wo sie eigentlich seit Jahren hingehört, nämlich in die Parlamente von Bund und Ländern und damit in die Öffentlichkeit. Was mich an dem Entwurf stört, ist daß fast alles Wichtige fehlt. Man hat alle wesentlichen, konservativen Strukturmerkmale beibehalten. Warum die SPD an diesem Konzept mitgearbeitet hat, ist bei dem Ergebnis auch nicht mehr ersichtlich.

UNI-INFO: Was fehlt konkret?

DAXNER: Erstens ist die Reform der Personalstruktur noch nicht einmal in Angriff genommen worden. Damit steht und fällt aber die Wirksamkeit wirklicher Leistungsorientierung. Solange bei uns nur das Älterwerden bezahlt wird, nicht aber die individuelle Leistung, sehe ich da wenig Hoffnung. Die Tariffähigkeit der Hochschulen muß endlich aus der Umklammerung dieses grauenvollen Öffentlichen Dienstes herausgenommen werden, wo wirklich alle Register der Leistungsverweigerung gesetzlich vorgeschrieben sind. Zweitens fehlt ein vernünftiges Finanzierungskonzept für die Hochschulen. Drittens fehlt eine eindeutige Prioritätensetzung für die Studienfinanzierung. Ich würde sogar sagen, daß die BAFöG-Reform, und zwar eine eltern- und leistungsunabhängige, die wirklich auf die reine Studierfähigkeit ausgerichtet ist, das vordringlichste Problem ist. Erst wenn die soziale Frage für die Mehrzahl der Studierenden gelöst ist, kann man überhaupt an eine wirksame Studienreform denken. Die wiederum funktioniert nur, wenn das Personal auch bereit ist, mitzumachen, und zwar nicht nur das wissenschaftliche Personal, sondern auch Struktur und Verwaltung der Hochschule.

UNI-INFO: Sie sagten, der Reformentwurf vernachlässigt elementare Finanzierungsfragen. Man könnte das auch als Ausweichmanöver interpretieren, weil niemand weiß, wie das alles in Zukunft bezahlt werden soll.

DAXNER: Wenn wir einen vernünftigen Plan haben, dann müssen wir selbstverständlich auch fragen, was das alles kostet. Meine Überzeugung ist, daß ein wirksam reformiertes Hochschulwesen nicht mehr kostet als jetzt. Sicher, wir sind verschuldet und müssen entschuldet werden. Aber das hat man ja mit der Bundesbahn auch hinbekommen und zwar in viel größerem Umfang. Aber! Wir müssen die vorhandenen Mittel anders verwenden. Die leistungsabhängige Hochschulförderung ist ein erster Schritt. Dann muß billiger gebaut werden. Und schließlich müssen die Hochschulen sehr viel mehr eigene Einnahmen machen können und vor allem behalten dürfen. Das geht von der Vermögensbildung über Eigentumsbildung bis hin zu einer ganz anderen Vertragsgestaltung bei wissenschaftlichen Dienstleistungen.

UNI-INFO: Die SPD verbucht die Herausnahme von Studien-gebühren aus dem HRG-Entwurf als ihren Erfolg. Ist das auch ein Erfolg für die Hochschulreform?

DAXNER: Ich bin der Meinung, daß alle Argumente für Studiengebühren ins Leere gehen, wenn nicht das gesamte Steuersystem, das gesamte System des Familienlastenausgleichs, das gesamte System des Existenzminimums in eine neue Solidarhaftung genommen wird. Die Befürworter von Studiengebühren mögen marktwirtschaftliche Gründe haben, aber das einzige, was sie bewirken, ist eine Umverteilung der Steuerlast auf die Ärmeren. Und diese Art, Studiengebühren zu rechtfertigen, ist pervers. Wenn wir ein Mischmodell hätten, in dem Studienfinanzierung, Studiengebühren und Einkommensautonomie für die Studierenden verknüpft wären und gleichzeitig Familienbelastungen abgekoppelt wären, dann wäre auch die Ideologie aus der Diskussion. Aber einfach zu glauben, die Hochschulen didaktisch sanieren zu können, indem man das Geld aus den Studenten herauspreßt, ist nichts anderes als die Enteignung derer, die ohnehin nicht viel haben.

UNI-INFO: Neue Regelstudienzeiten und verbindliche Zwischenprüfungen sollen die Studienzeiten auf der einen Seite verkürzen. Auf der anderen Seite fehlen plausible Konzepte einer Studienfinanzierung, die ein effektives Studium auch tatsächlich möglich machen. Hier scheint doch der Konflikt vorprogrammiert.

DAXNER: Ich denke, wenn das Gesetz so Wirklichkeit wird, dann birgt es soviel sozialen und politischen Sprengstoff, daß es vielleicht doch noch eine neue Welle von Unruhe und damit möglicherweise auch Reformen gibt. Allerdings denke ich, es ist noch nicht aller Tage Abend. Bei den Beratungen wird es wahrschein-lich noch einmal hoch hergehen.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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