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Brief an die Redaktion
Anmerkung einer Schmarotzerin
zu: Schöne neue Welt ... UNI-INFO 7/97Wolfgang Ebenhöhs Wortwahl ist nahezu ungenießbar, speist sich vorrangig aus dem Vokabular der Biologie und bleibt damit wunderbar innerhalb traditionaler Argumentationslinien: "Schmarotzer, Krake...", das "Frauennetz", das nur von der den "Standardstrukturen [...] ausgezogenen Energie" leben kann - das alles erinnert auffallend an den Sprachgebrauch während zwölf Jahren faschistischer HERRschaft, die damit ihre biologistische Ideologie artikulierte. Als würden wir unsere Forderungen durchsetzen, indem wir an uns rissen, was uns nicht zusteht, gar noch mehr und damit anderes zerstörten. Der Vergleich der Dezentralisierung von Frauenbeauftragten mit "mafiösen ... Strukturen" birgt in sich den Vorwurf unrechtmäßiger, krimineller Handlungen. Der Denk-Weg vom konstatierten "funktionierenden Netz" zum Netz der männermordenden Schwarzen Witwe ist dann nicht mehr weit. Maßnahmen, die das Treiben der "Schmarotzer" und "Monster" rigoros einschränken, können vor diesem Hintergrund nahezu mühelos gerechtfertigt werden.
Daß selbst in akademischen Kreisen keine Einsicht herrscht, Mitverantwortung für eine "vernünftige Frauenförderung" nicht selbständig übernommen wird, wie es Ebenhöh beobachtet wissen will, belegt der Autor in seinem Kommentar selbst: Durch das parallele "Netz" schwindet der wissenschaftliche Standard, das akademische Leben würde zerstört - was nur heißen kann, daß Wolfgang Ebenhöh den über die Frauenförderpläne eingesetzten Frauen und -beauftragten eine entsprechende Qualifikation und wissenschaftliche bzw. berufspraktische Leistungsfähigkeit und Objektivität nicht zutraut.
Die Dezentralisierung der Frauenbeauftragten würde die "Selbstverwaltung. . . erwürg[en]" - daß "Entscheidungsträger" selbständig entscheiden können und ein Einspruchsrecht bei diskriminierenden Entscheidungen müssen kein Widerspruch sein. Vielmehr sollte durch die Option einer Intervention ein neues oder auch ein Neu-Denken schon während des Entscheidungsprozesses einsetzen. Die Befreiung von althergebrachten Zuweisungsmustern, die sich in der hierarchischen Stellenbesetzung ebenso spiegeln wie in den Forschungsbereichen von Frauen und Männern, wäre ein ungemeiner Fortschritt und eröffnete neue Perspektiven für Wissenschaftstheorie und -praxis.
Der Klage des Autors über die Schwächung akademischer Standards könnten wir ein Klagelied über die Einschränkung von Frauenrechten und bewußt komplex gehaltene gesellschaftliche Vorgänge und Strukturen entgegenhalten, das ungleich länger dauerte als seines. Die Verse würden gängelnde und undemokratische Verhaltensweisen besingen, die seine Befürchtungen verblassen ließen und sollten zu einem Dauerohrwurm in männlichen Ohren werden.
Die Quotierung von Stellenbesetzungen ist sicherlich nicht der Beitrag zur Auflösung der künstlich aufrecht erhaltenen Widersprüche. Doch solange Frauen das Mitspracherecht in Entscheidungsprozessen verwehrt bleibt, weil sie nicht gefragt, resp. berufen werden, wird sich an den hierarchischen und gesellschaftlichen Strukturen nichts ändern (können).
Anika Walke