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Forschung und Lehre
- Betrieblicher Umweltschutz mit Belegschaft
- Gelenkstelle zwischen Markt und Wissenschaft
Tagung im Stadtmuseum zum "Experiment Bilderbuch": - LVA-Projekt fortgesetzt
- Bromelien - Modelle tropischer Ökosysteme
Tropenforschung in Jamaika / Von der Grundlagenforschung zur Anwendung von Wolfgang J. Janetzky*
Betrieblicher Umweltschutz mit Belegschaft
Projekt der Kooperationsstelle wird von Bundesstiftung Umwelt gefördert Mit
dem Projekt "Handlungsformen und Handlungsmöglichkeiten von Mitarbeitern beim
ökologischen Strukturwandel in den Klein- und Mittelbetrieben der chemischen und
kunststoffverarbeitenden Industrie am Beispiel der Region Weser-Ems" kommt die
Kooperationsstelle Hochschule-Gewerkschaften erstmals in den Genuß einer Drittmittelförderung.
Ziel des auf 14 Monate angelegten Projekts ist, die Beteiligung der Betriebsräte
und Belegschaften bei der Einführung von ökologisch orientierten Maßnahmen zu
fördern, um so einen Beitrag zur Entwicklung eines integrierten Umweltschutzes
zu leisten. Gefördert wird das Vorhaben von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt
(Osnabrück). Die Federführung hat die Leiterin der Kooperationsstelle Dr. Thea
Dückert.
"Der zumeist praktizierte additive Umweltschutz stößt mittlerweile an seine Grenzen. Nachhaltige ökologische Verbesserungen in der chemischen Industrie können nur durch präventive, integrierte Umweltschutzmaßnahmen erreicht werden", begründet Dückert das Projekt. Die notwendigen Änderungen seien nicht allein technischer Natur, sondern beträfen vor allem auch die Organisation der Betriebe. "Integrierter Umweltschutz kann nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, alle Hierarchieebenen in Kooperation am Wandel zu beteiligen", so die Leiterin der Kooperationsstelle.
Nach dem Erfassen der Handlungsformen von Mitarbeitern und Betriebsräten beim ökologischen Strukturwandel in den Betrieben, sollen im Laufe des Projekts konkrete Vorschläge zur Verbesserung der ökologischen Handlungskompetenz erarbeitet werden. Dafür sind betriebliche und überbetriebliche Workshops geplant.
Gelenkstelle zwischen Markt und Wissenschaft
Tagung im Stadtmuseum zum "Experiment Bilderbuch"
Ästhetisch neue Wege jenseits des MainstreamsAls sehr erfolgreich hat sich das Konzept der Verbindung praktischer visueller Annäherung an die Ausstellung Experiment Bilderbuch' im Stadtmuseum Oldenburg (9. November bis 7. Dezember) und gleichzeitiger theoretischer und wissenschaftlicher Bearbeitung des Themas im Rahmen einer Tagung (10. bis 12. November) in der Universitätsbibliothek erwiesen. Verlegern und LektorInnen, DozentInnen, KritikerInnen sowie IllustratorInnen wurde ein Forum geboten, das Möglichkeiten der Positionsbestimmung, der Annäherung und kritischen Auseinandersetzung bot. Der Einladung nach Oldenburg waren 170 Teilnehmer-Innen gefolgt.In einer Bestandsaufnahme der bildnerischen Entwicklungen in den Illustrationen der 90er Jahre zeichnete die Kritikerin Elisabeth Hohmeister das Bild eines Marktes, der Möglichkeiten der Reibung zuläßt. Die Auswertung ihrer Daten ergab, das auffallend viele Erstlingswerke seit 1990 veröffentlicht wurden: "43 Künstler haben erste Versuche auf dem Markt gewagt, im Vergleich zu 41 Künstlern in den 30 Jahren davor". Erstmals haben 1997 mehr Frauen als Männer Bilderbücher veröffentlicht. "Im Marktangebot der Verlage im Jahr 1997 zeigt sich eine große Vielfalt und ein Reichtum (...), ein buntes Kaleidoskop der Möglichkeiten, das der Individualisierung der Gesellschaft Rechnung trägt." Das darf aber nicht über die immensen Schwierigkeiten hinwegtäuschen, denen sich junge IllustratorInnen ausgesetzt sehen, erst recht, wenn sie versuchen, ästhetisch neue Wege jenseits des Mainstreams zu beschreiten. Juliane Plöger und Karoline Kehr, zwei Illustratorinnen, die bereits erfolgreich auf dem Markt präsent sind, gaben anschauliche Erfahrungsberichte. Der Graue Markt' der nicht sichtbar gemachten, nicht käuflichen Bilderbücher ist Zulieferer der Ausstellung Experiment Bilderbuch. Ohne den Druck des kommerziellen Marktes, so Jens Thiele, werden Entgrenzungen möglich, kann die Prozessualität thematisiert werden, ist Raum für Perspektivwechsel.
Das Scheitern der Bilder am Markt ist in vielen Fällen eng verknüpft mit der Angst vor ästhetischer Überforderung von Kindern. Der zentrale Begriff des Kindgerechten in der bildnerischen Auseinandersetzung wurde von Jens Thiele kritisch überprüft. Woher wissen wir, was Kindern gefällt und ihren Bedürfnissen entspricht? "Wenn wir beispielsweise fragen, ob ein Kind ein Bild begreifen kann, dann legen wir einen Begriff von Bildverstehen an, der sich auf ein rationales Erfassen von Bildinhalten bezieht oder auf einem formalästhetischen Erfassen der Bildstruktur beruht. Beide Kriterien können aber möglicherweise völlig irrelevant sein für die Bedeutung des Bildes beim Kind."
In Zeiten schwindender Kaufkraft sind Spielräume für Verlage enger geworden, trotzdem waren sich die anwesenden Lektoren einig, "daß Verlage Verpflichtungen haben, Experimente zu machen, sonst sind sie nur Druckmaschinen." IllustratorInnen werteten Ausstellung und Tagung als wichtiges Forum, sich als KünstlerIn in einer offenen Form wahrzunehmen und einzuschätzen. Viele nutzten die Gelegenheit des direkten Gesprächs.
Das Experiment Bilderbuch bewährte sich als Gelenkstelle zwischen Markt und Wissenschaft, Praxis und Medien. Ermöglicht wurde dies auf der Grundlage der Preisstiftung durch den Oldenburger Lappan-Verlag. Könnte dieses Beispiel in der deutschsprachigen Verlagsszene Schule machen, wäre eine wichtige Förderungsmöglichkeit junger IllustratorInnen geschaffen.
Mareile Oetken
Evaluation der Behandlung von Alkoholabhängigen
Zwei weitere Jahre will die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen (LVA) in Kooperation mit der Arbeitsstelle Sucht und Drogenforschung (SAUS) das Projekt "Evaluation der Behandlung von Alkoholabhängigkeit" fördern. Unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Meyenberg (Fachbereich 3) sollen in dem Projekt Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung des Behandlungssystems für Alkoholabhängige aufgezeigt und erprobt werden.Im ersten Jahr richtete sich der Schwerpunkt der Untersuchung auf den stationären Bereich. Seit Juli 1997 werden PatientInnen und MitarbeiterInnen jener Einrichtungen befragt, die von der LVA Oldenburg-Bremen beschickt werden. Darüber hinaus wurden in den ersten Monaten des Projekts bereits eine Vielzahl von Gesprächen mit MitarbeiterInnen der LVA geführt sowie vielfältige Kontakte zu Vertretern stationärer und ambulanter Einrichtungen aufgebaut. Bereits im Oktober 1997 konnte das Projektteam im Rahmen der Fachtagung "Neue Wege in der Drogenhilfe/Drogenpolitik - Probleme - Lösungen" erste Ergebnisse und Perspektiven für das Behandlungssystem vorstellen.
Bromelien - Modelle tropischer Ökosysteme
Tropenforschung in Jamaika / Von der Grundlagenforschung zur Anwendung von Wolfgang J. Janetzky*
Während der letzten Jahre haben sich BiologInnen aus verschiedensten Fachdisziplinen mit der Frage nach den "Mechanismen der Aufrechterhaltung tropischer Diversität", so der Titel des Schwerpunktprogrammes der Deutschen Forschungsgemeinschaft, beschäftigt. Die damit verbundenen Fragestellungen nach den Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Lebensgemeinschaft wurden von der AG Aquatische Ökologie des ICBM am Beispiel von Phytotelmata, Regenwasseransammlungen in den Blattachseln von Bromelien, modellhaft untersucht. Die dabei notwendige Feldforschung wurde in Jamaika in Kooperation mit dem Department of Life Sciences der University of the West Indies durchgeführt. Über die biologischen Untersuchungen und Experimente in der ersten Feldphase wurde bereits im UNI-INFO 9/94 berichtet. Mittlerweile ist das Projekt abgeschlossen und im folgenden möchte ich auf den Ertrag des Projektes hinsichtlich der wissenschaftlichen Ergebnisse, aber auch in bezug auf die Kooperation mit der Partneruniversität und den Wissenstransfer unter den Bedingungen eines sog. "Entwicklungslandes", eingehen.
Ökosystem Bromelie
Bromelien (Ananasgewächse) sind im jamaikanischen Cockpit Country ein typischer Bestandteil der Vegetation, und das zahlreiche Vorkommen von bodenständigen Arten, die relativ leicht zugänglich sind und damit Parallelversuche erlauben, war für unsere Entscheidung, in Jamaika zu arbeiten, von besonderer Bedeutung. Die für uns interessanten "Tank-Bromelien" haben vergrößerte, sich überlappende Blattachseln, in denen sie Regenwasser und Fallaub auffangen. Die bei der Zersetzung des Fallaubes freiwerdenden bzw. im Regenwasser gelösten Nährstoffe werden bei dieser Bromelien-Gruppe über die Blätter aufgenommen, während die Wurzeln nur noch zur Verankerung der Pflanzen dienen. Sekundäreffekt dieser Ernährungsstrategie ist, daß Phytotelmata für Süßwasserorganismen ein aquatisches Mikrohabitat darstellen. Zu den kleinsten Bewohnern gehören die Rädertiere (Rotatoria), zu den größten die Bromelien-Krabbe Metopaulias depressus und verschiedene Froscharten, u.a. Hyla wilderi. Bemerkenswert ist vor allem die Krabbe Metopaulias depressus, da sie sich vollständig von ihrem marinen Ursprung gelöst hat und ihren Lebenszyklus in Phytotelmata durchläuft, während andere Krabben zur Eiablage zum Meer zurückwandern müssen.Unsere Untersuchungen ergaben, daß - mit Ausnahme der Rotatorien - 30 verschiedene Arten in Phytotelmata leben, unter anderem Kleinkrebse und aquatische Insektenlarven. Aber wie erklärt sich die überraschend hohe Anzahl von verschiedenen Arten in Phytotelmata? Würde Konkurrenz um verfügbare Nahrungsressourcen und Prädation die Artenzusammensetzung in diesen Mikroökosystemen prägen, würde sich die Zahl der Arten in Phytotelmata relativ schnell auf eine Handvoll reduzieren. Daß dem nicht so ist, liegt an der Dynamik in Phytotelmata. Wenn z.B. vorhandene Moskitos nach vollendeter Entwicklung die Phytotelme verlassen, entsteht eine "Lücke". Diese Lücke kann dann von anderen Organismen genutzt werden, die die gleichen Nahrungsansprüche wie Moskitolarven haben, sich gegen diese aber nicht durchsetzen könnten. Das Überleben konkurrenzschwacher - und meist seltener - Arten hängt von diesen Lücken ab, und davon, daß sie diese Lücke zum richtigen Zeitpunkt erreichen. Vergleichbare Muster von zufälligen Ereignissen, die für das Überleben von Arten entscheidend sind, haben sich auch bei anderen Untersuchungen im Rahmen des Schwerpunktprogrammes gezeigt, z.B. der Vegetation temporärer Felstümpel oder der Epiphytengemeinschaft, und liefern Hinweise auf die Funktion tropischer Lebensgemeinschaften.
Während unserer Untersuchungen hatten wir oft die Gelegenheit, Kolibris zu beobachten, die die Bromelien zur Nahrungsaufnahme aufsuchen und die Pflanzen dabei gleichzeitig bestäuben. Während diese "Tier-Pflanze Interaktionen" für beide Seiten Vorteile bringt, schädigen Eidechsen die Bromelien und stehen in Nahrungskonkurrenz zu den Kolibris. Eidechsen, so unsere Beobachtungen, fressen die Bromelienblüten, um an den Nektar zu gelangen, aber tragen nicht zur Reproduktion von Bromelien bei. Zu den weiteren Bestäubern von Bromelien gehören Fledermäuse, die u.a. epiphytische, d.h. auf Bäumen wachsende Bromelien aufsuchen.
Kooperation
Forschung in Kooperation mit Jamaika bedeutet zunächst einmal, die Bedingungen, unter denen in sogenannten "Entwicklungsländern" Forschung und Lehre stattfinden, zu verstehen. Im Vordergrund stehen dabei die finanziellen Schwierigkeiten und die unzureichende Infrastruktur. Die University of the West Indies in Kingston ist eine moderne Campus-Universität mit ca. 10.000 StudentInnen, die aus der gesamten Karibik zum Studium nach Kingston kommen. Während die Ausstattung mit Räumlichkeiten ausreichend ist, sind die finanziellen Mittel für laufende Kosten knapp bemessen. Hilfreich war daher die Unterstützung unseres Kooperationspartners durch die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), die durch Bereitstellung von Personal- und Sachmitteln einer jamaikanischen Studentin ihre Promotion ermöglichte. Diese Unterstützung ist dabei keine Selbstverständlichkeit, da auch in Entwicklungsprojekten eher deutsche WissenschaftlerInnen gefördert werden oder Gelder für Erstinvestitionen bereitgestellt werden. Genau hier deutet sich ein Dilemma an: Entweder steht das erworbene Wissen nicht "vor Ort" zur Verfügung, oder die Folgekosten von Investitionen sind nicht gedeckt.Für Forschung, und gerade Feldforschung, besteht die Notwendigkeit, die erforderliche Infrastruktur selber aufzubauen. Ein kleines Beispiel: Unser Wagen wurde privat finanziert, und auch die Reparaturkosten wurden aus eigener Tasche bezahlt. Diese Kosten werden von der Forschungsförderung nicht berücksichtigt und nur zum kleinen Teil durch Kilometergeld aufgefangen. Auch konnten wir nicht auf ein modernes Labor zurückgreifen, sondern bauten zu Projektbeginn eine Feldstation aus. Da wir am Rande der Zivilisation wohnten, dienten Wassertanks zur Wasserversorgung, elektrisches Licht und Strom für unsere Ausrüstung lieferte eine Solaranlage. Hier wird ein weiteres Dilemma deutlich: Solaranlagen sind eine relativ einfach zu bedienende Technik, die einen besseren Lebensstandard bei relativ geringer Umweltbelastung ermöglicht, aber ihr verbreiteter Einsatz ist aus Kostengründen nicht möglich. Anfangskosten von rund 1.500 DM sind enorm, wenn man bedenkt, daß der Lohn für Tagelöhner gerade in unserer bäuerlich geprägten Arbeitsregion bei fünf bis zehn Mark pro Tag liegt. Gleichzeitig entsprechen die Lebenshaltungskosten, mit Ausnahme der Mieten und einiger Nahrungsmittel, durchaus deutschem Niveau.
Einer der wesentlichen Punkte in unserem Projekt war die gleichberechtigte Kooperation mit jamaikanischen WissenschaftlerInnen. Dies ist durchaus nicht selbstverständlich, und zu den Schwierigkeiten im Umgang miteinander sagte ein Jamaikaner, daß ein Teil der ausländischen Wissenschaftler als Touristen in das Land komme, Proben nähme und Ergebnisse veröffentliche, ohne daß je ein Einheimischer die Resultate zu Gesicht bekäme. Andererseits sei der Wille zur Kooperation bei ausländischen Wissenschaftlern vorhanden, aber deren Anstrengungen laufen ins Leere, da einheimische Ansprechpartner fehlten, Behördenwege unüberwindbar schienen oder die notwendige Infrastruktur nicht vorhanden sei.
Wissenstransfer
Neben dem rein wissenschaftlichen Aspekt unserer Arbeit stellte sich auch die Frage, wie unsere Ergebnisse in der Praxis genutzt werden können. Hier möchte ich abschließend zwei Beispiele anführen, die direkt Jamaika betreffen: Zum einen stehen unsere Ergebnisse und Erfahrungen der jamaikanischen Umweltbehörde NRCA zur Verfügung und können bei zukünftigen Planungen von Naturschutzgebieten einfließen. Zum anderen läßt sich an Bromelien die Komplexität tropischer Ökosysteme exemplarisch darstellen. Bromelien und die mit ihnen assoziierten Organismen eignen sich daher für die Umweltbildung und -erziehung, u.a. an Schulen.Um unsere Ergebnisse einem breiten Publikum präsentieren zu können, kooperieren wir mit der Natural History Society of Jamaica, und die nächste Ausgabe der Zeitschrift "Jamaica Naturalist" ist dem Thema Bromelien gewidmet. Da die Society als private Organisation nur über begrenzte Eigenmittel verfügt, ist die Herausgabe der Zeitschrift mit der Suche nach Sponsoren verknüpft. Ein langer Weg, da Sponsoring auch mit Werbung zu tun hat, Stiftungen regional begrenzt arbeiten, oder Vereinssatzungen diese Unterstützung nicht zulassen. Vor diesem Hintergrund möchten sich die National History Society of Jamaica und die beteiligten Wissenschaftler bei der Deutschen Bromelien-Gesellschaft, dem Jamaica Tourist Board, Frankfurt/M., der Firma Jürgens, Bremen, der H. F. & Ph. F. Reemtsma GmbH, Hamburg, und dem Springer-Verlag, Heidelberg, herzlich für ihre Unterstützung des Jamaica Naturalist bedanken.
* Wolfgang Janetzky war wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Aquatische Ökologie am ICBM und ist zur Zeit Lehrbeauftragter am Fachbereich Biologie.