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- "Ein guter Bergsteiger macht keine Schritte, die aber kontinuierlich
und mit wenigen Pausen"
Gespräch mit dem künftigen Präsidenten Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch über Perspektiven der Universität Oldenburg
"Ein guter Bergsteiger macht keine Schritte, die aber kontinuierlich und mit wenigen Pausen"
Gespräch mit dem künftigen Präsidenten Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch über Perspektiven der Universität Oldenburg
UNI-INFO: Herr Grubitzsch , nach 18 Jahren hat die Universität wieder einen Präsidenten aus eigenen Reihen. Ist das ein Vorteil?GRUBITZSCH: Ja, gegenwärtig ist das eher ein Vorteil. Ich kenne die Universität von innen mit ihren Stärken und Schwächen. Und das ist in einer Situation wichtig, die von vielen Hoffnungen, aber auch Zukunftsängsten geprägt ist. Ich brauche auch keine so große Einarbeitungszeit in das Amt, das ich aus meiner Zeit als Vizepräsident kenne.
UNI-INFO: Sie übernehmen das Amt in einer Zeit des Umbruchs. Der Berg ist hoch, den Sie erklimmen wollen.
GRUBITZSCH: Ja, der ist wirklich hoch. Es wird nicht leicht sein, ihn zu ersteigen. Deshalb ist es besonders wichtig, daß man dabei nicht in aufgeregten Aktionismus verfällt. Ein guter Bergsteiger macht kleine Schritte, die aber kontinuierlich und mit wenigen Pausen. Bei all dem, was zu erledigen ist, darf man den Kontakt zum Boden nicht verlieren, muß genau hinsehen, wo man hintritt, um Schritt für Schritt das Ziel zu erreichen und das ist in einer hochschulpolitischen Umbruchsituation wie der gegenwärtigen wichtig für die Universität und ihre Mitglieder.
UNI-INFO: Laufen Sie bei leeren öffentlichen Kassen nicht Gefahr, den Boden unter den Füßen zu verlieren?
GRUBITZSCH: Daß mich leere Kassen erwarten, wußte ich vor der Wahl. Ich empfinde die Situation geradezu als eine Herausforderung. Es ist wirklich eine große Aufgabe, mit den Mitteln, die die Universität zur Verfügung hat und haben wird, ein gutes Leistungsprofil zu erreichen. Ich werde alles dafür tun, daß das gelingt. Dabei hoffe ich sehr, daß uns die Region unterstützt.
UNI-INFO: Tut sie das nicht?
GRUBITZSCH: Region und Universität sind in den vergangenen Jahren zusammengerückt. Nicht zuletzt dank Michael Daxners und der Universitätsgesellschaft unter dem Vorsitz von Peter Waskönig. Aber es besteht nach wie vor noch viel Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung, damit die Universität zu etwas Vertrautem wird, aber auch in Richtung Wirtschaft, die wir überzeugen müssen, welchen Stellenwert die Universität für die Infrastruktur der Region hat. Ohne die Universität hätten die Stadt Oldenburg und das Umfeld keine Zukunft. Erst wenn überall klar ist, daß die Universität wirklich sehr viel gibt, wird sich auch die Unterstützung intensivieren.
UNI-INFO: In der Universitätsleitung, der Sie als Vizepräsident von 1995 bis 1997 angehörten, sind einige Pflöcke zur Umstrukturierung der Universität eingeschlagen worden. Der Globalhaushalt ist einer davon. Hat er sich aus Ihrer Sicht bereits bewährt?
GRUBITZSCH: Ja. Wir haben inzwischen die Gewißheit, daß er große Vorteile bietet. Wir können mit unseren Mitteln wirklich autonomer umgehen. Natürlich gibt es noch Kinderkrankheiten, und sicher müssen wir diejenigen ernst nehmen, die nach wie vor Probleme mit dem neuen Abrechnungsmodus haben. Deshalb wird es auch zu Beginn meiner Amtszeit eine Bestandsaufnahme der Probleme mit dem Globalhaushalt geben, und dann werden wir nach noch besseren Abwicklungsmechanismen suchen. Insgesamt ist die Universität aber auf dem richtigen Weg.
UNI-INFO: Im nächsten Jahr sollen Leistungsindikatoren eingeführt werden, das heißt: ein Teil des Sachmittelhaushaltes wird zurückgehalten, um sie dann an Fachbereiche, Arbeitsgruppen bis hin zu dem einzelnen Professor leistungsgerecht zu verteilen - z.B. nach Anzahl der StudentInnen, der AbsolventInnen, Zahl der Promotionen und Höhe der Drittmittel. Sie steigen mit einem heißen Thema ein.
GRUBITZSCH: Dieses Thema ist tatsächlich mit vielen Unsicherheiten und Ängsten verbunden. Ich selber bin der Auffassung, daß die Leistungskriterien eine Möglichkeit der zusätzlichen Geldvergabe darstellen sollten. Wir müssen die Grundausstattung für die Fächer absichern, das gilt vor allem für die kleinen Fächer. Ein wichtiger Punkt wäre deshalb, daß wir uns klar werden, in welcher Weise und vor allem in welcher Höhe diese Grundausstattungen abgesichert werden können.
UNI-INFO: Der jetzige Stand kann dabei nicht gehalten werden. Wenn 1999 zehn Prozent und im Jahr 2000 zwanzig Prozent leistungsbezogen vergeben werden, ist dieses Geld für die vor vielen Jahren gebaute Gießkanne erst einmal verloren.
GRUBITZSCH: Das ist richtig. Kürzungen werden unvermeidbar sein, damit die besonders leistungsfähigen Einheiten gefördert werden können. Nur so ist es möglich, daß wir ein deutlicheres Profil gewinnen und uns gegenüber anderen Universitäten konkurrenzfähig halten. Wir können uns einem Wettbewerb mit anderen Universitäten gar nicht entziehen. Wir wollen das auch gar nicht, wir sind schon mittendrin.
UNI-INFO: Werden die Gremien darum herumkommen, ganze Fächer zu schließen?
GRUBITZSCH: Die allererste Frage sollte nicht sein, ob wir Fächer oder Studiengänge schließen müssen, sondern wo es Bereiche in der Universität gibt, die uns andere Einsparmöglichkeiten eröffnen. Diese Bereiche müssen noch ausfindig gemacht werden. Ich bin aber zuversichtlich, daß wir da und dort fündig werden. Kein Bereich darf bei dieser Suche per se unantastbar sein. Alle Einrichtungen oder Teile von ihr müssen bereit sein, sich zu stellen und gegebenenfalls Kosten-/Nutzenanalysen über sich ergehen zu lassen.
UNI-INFO: Also keine Fächerschließungen?
GRUBITZSCH: Ausschließen kann man das nicht. Bei den Planungen zum Niedersächsischen Strukturplan werden immer wieder Überlegungen angestellt, welche Fächer man wo streichen sollte. Das ist Oldenburg natürlich nicht ausgenommen. Wenn ein Fach wirklich nicht mehr haltbar ist, sollten wir aber versuchen, durch Kooperationen mit unseren Nachbarhochschulen zumindest in der Region das Studienangebot zu halten und StudentenInnen zu ermöglichen, an zwei Standorten zu studieren. Nach Bremen zu fahren oder umgekehrt, wäre in Zeiten großer Mobilität kein unüberwindbares Hindernis. Denkbar wäre auch, daß ein Wissenschaftler an zwei Standorten lehrt. Wir brauchen viel Phantasie, um mit diesen Problemen umgehen zu können.
UNI-INFO: Die Kooperation mit den Nachbaruniversitäten ist Ihnen ein wichtiges Anliegen?
GRUBITZSCH: Keine Frage. Sie ist nicht nur ein Anliegen. Sie ist von existenzieller Bedeutung, weil viele Projekte nur auf diesem Weg überhaupt zustande kommen können. Der Studiengang Produkttechnologie z.B., den die Chemiker aus Oldenburg und Groningen gemeinsam entworfen haben und der gemeinsam betrieben wird, hätten wir hier in Oldenburg allein niemals auflegen können. Im Wintersemester werden wir die ersten StudentInnen in diesem englischsprachigen Studiengang haben. Unsere wichtigste Partnerin wird die aber Universität Bremen bleiben. Die Zusammenarbeit mit ihr hat uns das Hanse-Wissenschaftskolleg beschert. Aber das ist nur ein Teil einer bald sehr intensiven Zusammenarbeit auf vielen Ebenen. Nur so können wir profilbildend gestalten, konsolidieren und punktuell wachsen.
UNI-INFO: Ein weiteres Instrument zur Reformierung der Universität ist der Evaluationsverbund der Norduniversitäten mit Bremen, Hamburg, Kiel, Rostock und Oldenburg. Er ist der erste, der in der Bundesrepublik eingerichtet wurde. Muß diese Form der Überprüfung der einzelnen Fächer im Vergleich mit denen der anderen Universitäten intensiviert werden?
GRUBITZSCH: Ich denke der Nordverbund hat Wege und Methoden gefunden, die auch bundesweit beachtet werden. Die ersten Verfahren haben gezeigt, daß sie notwendig sind und fortgesetzt werden müssen. Hierbei ist die Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen Evaluationsagentur von Bedeutung, die ja inzwischen auch sehr erfolgreich arbeitet. Wir erhalten wie keine andere Universität Vergleichsdaten an zwei Fronten, die wir nutzen müssen.
UNI-INFO: Also zweigleisig fahren?
GRUBITZSCH: Ja, so kann man das sagen. Der Nordverbund hat eine wichtige Funktion. Worauf wir besonderes Augenmerk legen müssen, ist die Rückkoppelung in die Fachbereiche und Studiengänge. Wir haben bislang wenig Möglichkeiten, bei deutlichen Mängeln zu intervenieren und dafür zu sorgen, daß etwas geschieht. Da müssen größere Verbindlichkeiten und punktuell Anreize geschaffen werden.
UNI-INFO: Im Streik Ende vergangenen Jahres hat die Frage des Hochschulrates eine Rolle gespielt. Wie stehen Sie zu einem Hochschulrat, der weitestgehend von Externen besetzt ist und hohe Entscheidungskompetenz haben soll?
GRUBITZSCH: Wir müssen verschiedene Modelle diskutieren, die Rückkopplungen zwischen Universität und Gesellschaft garantieren. Die haben nicht nur in den vergangenen Jahrzehnten, sondern seit Jahrhunderten in der deutschen Hochschulgeschichte gefehlt. Mich spricht das hessische Modell besonders an. Die Mitglieder des Hochschulrates werden von der Universität selber vorgeschlagen und sie haben auch nicht ein solches Maß an Kompetenz in Haushalts- und Personalfragen, wie es dem CHE vorschwebt. Es ist ein Irrtum zu glauben, mit der Einrichtung von Hochschulräten würde die Universität rascher zum Dienstleistungsunternehmen umfunktioniert. Ausgewogenheit zwischen den beteiligten Personen und den strukturellen Gestaltungsprinzipien ist angesagt, wenn wir nicht vor die Wand fahren wollen.
UNI-INFO: Wollen Sie überhaupt einen Hochschulrat?
GRUBITZSCH: Ja, ich meine, in diese Richtung zu denken ist nützlich. Wir brauchen den Blick von Männern und Frauen, die in Führungpositionen von Unternehmen, Verbänden und großen staatlichen Organisationen sitzen. Wir brauchen ein wirksames und von Vertrauen getragenes Scharnier zwischen Hochschule und Öffentlichkeit, um die gegenseitige Verantwortung bewußt zu machen und zu gestalten.
UNI-INFO: Das Konzil hat eine Grundordnung verabschiedet, die eine kollegiale Leitung vorsieht. Wie stellen Sie sich eine solche Leitung vor, für die es noch kein Vorbild gibt?
GRUBITZSCH: Der formale Rahmen für die kollegiale Hochschulleitung, sprich Präsidium, ist ja über das NHG und unsere Grundordnung vorgegeben. Aber es gibt tatsächlich noch keine Erfahrungen. Die Rolle der Vizepräsidenten oder -präsidentinnen wird gewichtiger. Alle wichtigen Fragen werden wir zusammen mit einem neuen Kanzler oder einer Kanzlerin gemeinsam entscheiden, wobei der Präsident Richtlinienkompetenz hat und die Universität nach Außen vertritt. Wir müssen uns klar darüber werden, wie die Ressorts für die Mitglieder des Präsidiums zugeschnitten werden sollen. Wenn das steht, ist die nächste Aufgabe, eine ganz enge Verbindung zwischen dem Ressort und dem Verwaltungsbereich herzustellen. Ist das geschafft, haben wir das Fundament, auf dem wir aufbauen können und Feinstrukturen entwickeln.
UNI-INFO: Was erwarten Sie von einem neuen Kanzler?
GRUBITZSCH: Es könnte genauso gut eine Kanzlerin sein. Wie auch immer, ein solches Amt erfordert wichtige Koordinationsaufgaben gegenüber bzw. in der Verwaltung. Besonders wichtig ist dabei auch, daß er oder sie gewährleistet, daß Beschlüsse des Präsidiums und des Senats auch wirklich umgesetzt werden - ein Entscheidungscontrolling organisiert und das intensiviert wird, was von der Verwaltung bereits eingeleitet worden ist: die Kundenorientierung. Da gibt es aber noch viel zu tun - auch wenn bestimmte Bereiche schon große Fortschritte gemacht haben. Gut ist, daß wir nach dem neuen NHG keinen Juristen nehmen müssen, ihn aber, wenn wir ihn für geeignet halten, nehmen können.
UNI-INFO: Helga Schuchardt hat als bisherige Wissenschaftsministerin Innovationspläne der Universität Oldenburg unterstützt und sich dabei viel Kritik im Süden des Landes anhören müssen. Erwarten Sie das auch von Thomas Oppermann, dem neuen Minister aus Göttingen?
GRUBITZSCH: Ich kenne Herrn Oppermann noch nicht, aber ich werde ihn bald in Oldenburg bei der Hörsaaleröffnung kennenlernen und freue mich darauf. Das, was ich über ihn und seine zurückliegende Arbeit gehört habe, ist für mich Anzeichen oder Signal genug, ihn für einen durchsetzungsfähigen Politiker mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu halten. Bereits geäußerte Befürchtungen, er werde die niedersächsische Hochschullandschaft aus Göttinger Sicht betrachten, sind nicht nur völlig verfrüht, sondern argumentativ ein wenig flach geraten. Minister Oppermann wird wissen, welche Bedeutungen die Hochschulen für die Regionen des Landes haben.