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"Auch informelle Kooperationen nur noch schriftlich"

Die Probleme eines interdisziplinären Projekts und der bittere Nachgeschmack, der sich in der Presse niederschlug

Mitte April erhielt der Präsident der Hosei-Universität Tokio, mit der die Universität Oldenburg durch einen Kooperationsvertrag verbunden ist, eine CD-ROM zugeschickt mit den Ergebnissen aus dem Projekt "Hypermediaunterstützte Fremdsprachenaneignung". Auf der CD ist der erste Prototyp einer Lernsoftware "Deutsch für Japaner" gespeichert, das sichtbare Ergebnis einer erfolgreichen Kooperation mit hohen Synergie-Effekten.

Im Mai 1998 hatte die Gastwissenschaftlerin Dr. Keiko Yamane, Germanistik-Professorin der Hosei-Universität, vorgeschlagen, gemeinsam mit Oldenburger Kollegen ein "Multimedia-Lehrwerk Deutsch für Japaner" zu entwickeln. Aus dieser Anregung entstand eine informelle Projektgruppe mit Frau Yamane und den Oldenburger Kollegen Dr. Michael Fritsche (Fachbereich 11 Literatur- und Sprachwissenschaften und IBKM), Prof. Dr. Peter Gorny (Fachbereich 10 Informatik und OFFIS) und Volker Steinkopff (Fachbereich 2 Kommunikation/Ästhetik).

In den folgenden Monaten haben wir in vielen gemeinsamen Diskussionen mit Frau Yamane aus der Ausgangsidee das Konzept für eine Lernsoftware entwickelt, die nicht bloß Sprachunterricht unterstützen sollte, sondern vorrangig zum selbstorganisierten Lernen geeignet ist. Als fremdsprachendidaktisches Konzept wurde die "teilnehmende Beobachtung im kulturellen Kontext" eingeführt; die locker nebeneinandergestellten multimedialen Materialien sollten zu einem Hypermedia-System verbunden werden; die filmischen Komponenten und die interaktiven Programme sollten in ihrer Gestaltung neuesten mediendidaktischen Anforderungen genügen.

Die durch OFFIS finanziell unterstützte Produktion eines Prototypen, der die oben geschilderten Konzepte sichtbar machen sollte, begann im Herbst 1998 und im Februar 1999 war dieses Ziel praktisch erreicht. In der restlichen Zeit bis Anfang April wurden kleinere Restarbeiten in der Programmierung erledigt und das gesamte Material auf eine CD-ROM gespeichert - der Erfolg der Synergie zwischen Germanisten, Sprachendidaktikern, Mediengestaltern und Informatikern. Leider sah Frau Yamane dies anders: Überraschend kündigte sie in einem Brief vom 5. Februar 1999 die Kooperation auf - formal also der Austritt eines der vier Projektbeteiligten kurz vor dem Projektende - und forderte die Herausgabe aller bis dahin entstandenen Materialien. Mit dieser Forderung stellte sie die allgemein anerkannte Grundlage von wissenschaftlichen Kooperationsvorhaben diesen Typs in Frage und bezog eine Position, die sie nur als zahlende Auftraggeberin der Entwicklungsarbeiten gehabt hätte. Wir sicherten ihr schriftlich und mündlich zu, daß sie das - in derartigen Vorhaben selbstverständliche - Recht an der Mitnutzung der Projektergebnisse habe, einschließlich der Möglichkeit, die aus den Projektergebnissen heraus weiter entwickelte Lernsoftware später einmal allein zu vermarkten, und waren auch bereit, schriftlich zu erklären, daß wir nicht die Absicht hätten, ein Konkurrenzprodukt "Deutsch für Japaner" zu entwickeln. Trotzdem blieb Frau Yamane bei ihrer Forderung auf Anerkennung ihrer alleinigen Urheberschaft, obwohl ihre Anregung für das Projekt erst in den gemeinsamen Diskussionen zu dem jetzigen Produkt weiterentwickelt wurde.

Mit dem gegen uns und gegen OFFIS gerichteten Vorwurf des "Diebstahls geistigen Eigentums" wandte sie sich mehrfach, noch während mit ihr über eine einvernehmliche Lösung verhandelt wurde, an die Oldenburger Presse. Hier war es insbesondere eine Lokalredakteurin der Nordwestzeitung, die den Streit aufgriff und darüber berichtete, allerdings - aus welchen Gründen auch immer - so, daß sie in ihren Zitaten die entscheidenden Gründe für unsere Haltung jeweils wegließ.

Die Lehren, die wir für uns aus diesem inhaltlich erfolgreichen Projekt ziehen müssen, sind leider zusammenzufassen in dem Vorsatz, zukünftig zu Beginn auch informeller Kooperationen die Verwertung der Ergebnisse schriftlich zu vereinbaren.

Michael Fritsche, Peter Gorny, Volker Steinkopff


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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