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Wissenschaft und Forschung

Oldenburger Initiative bringt Biodiversitätsforschung voran

Schminke: Wichtige Innovationsimpulse auch für die Universität zu erwarten

Auf Initiative des Zoologen Prof. Dr. Horst-Kurt Schminke (AG Zoosystematik und Morphologie, Fachbereich 7 Biologie, Geo- und Umweltwissenschaften) ist jetzt das "Deutsche Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung" (DZMB) gegründet worden. Das Zentrum wird als Abteilung des Senckenberg-Museums eingerichtet und an den beiden Standorten Wilhelmshaven und Hamburg realisiert. An den Verhandlungen waren das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die Länder Hessen, Niedersachsen und Hamburg beteiligt. Schminke, der die konzeptionellen Vorarbeiten leistete, ist Präsident der "Gesellschaft für Biologische Systematik".

Biodiversität kann auf verschiedenen Ebenen untersucht werden: der genetischen, der organismischen und der ökosystemaren. Welche dieser Ebenen man auch wählt, es geht nie ohne Kenntnis von Arten. Die bekannten Tierarten auf der Erde verteilen sich im Verhältnis 85:15 auf terrestrische und marine Tierarten. Orientiert man sich an den niedrigsten Schätzwerten, dann müßten im Meer zwei Millionen Arten leben, bekannt davon sind aber nur zehn Prozent! Hinzu kommt, daß die Erfassung der Arten regional sehr unterschiedlich ist. Relativ am besten erhoben sind die Arten in den Meeren der Nordhemisphäre, am geringsten ist die Erfassung in den Tropen und in der Tiefsee. Viel taxonomische Grundlagenarbeit ist also zu leisten, bevor sinnvolle Untersuchungen der Biodiversität in den meisten Regionen der Weltmeere in Angriff genommen werden können.

Marin-taxonomische bzw. -systematische Forschung in Deutschland konnte dazu bisher nur einen geringen Beitrag leisten, weil hier das wissenschaftliche Potential im Gegensatz zu anderen Sparten der Meeresforschung völlig unzureichend ist. Zudem sind Erfassung und Verbleib des beträchtlichen Probenmaterials, das von deutschen Forschungsschiffen aus weltweit genommen wird, nicht geregelt, was zur Folge hat, daß es nur bruchstückhaft aufgearbeitet wird. Schließlich existiert so gut wie kein wissenschaftlicher Nachwuchs in mariner Taxonomie.

Diese Unzulänglichkeiten soll nun das DZMB beseitigen. Da ökologische Biodiversitätsforschung ins Leere läuft, wenn nicht bekannt ist, welches die Funktionselemente (Arten) sind, die an ökologischen Prozessen beteiligt sind, ist die wissenschaftliche Ausrichtung des Zentrums eine taxonomische. Hauptaufgabe ist eine Beteiligung an der wissenschaftlichen Erfassung der marinen Artenvielfalt in den Weltmeeren. Darüber hinaus wird es zusammen mit ÖkologInnen Untersuchungen durchführen, die die Aufklärung ökosystemarer Funktionsabläufe und die Aufdeckung von Auswirkungen menschlicher Eingriffe auf Veränderungen der Biodiversitat zum Ziel haben. Außerdem werden Projekte unterstützt, bei denen es um die Nutzung der Biodiversität (Naturstoffe) geht.

Das Besondere an dem Zentrum wird sein, daß wissenschaftliche Auswertung über eine Serviceaufgabe so mit wissenschaftlicher Ausbildung verknüpft sein wird, daß die Defizite in der marin-taxonomischen Forschumg in Deutschland gezielt behoben werden können.

Da künftig alle marin-taxonomisch forschenden Arbeitsgruppen in Deutschland mit dem DZMB assoziiert werden, rücke Oldenburg ins Zentrum marin-taxonomischer Forschung, so Schminke. Die Beteiligung der ForscherInnen des DZMB an der Lehre der Universität Oldenburg mache diese nicht nur zu einer von zwei zentralen Ausbildungsstätten in diesem Bereich in Deutschland, sondern eröffne mittelfristig auch die Möglichkeit zur Einrichtung eines Aufbaustudiums für InteressentInnen aus Ländern der Dritten Welt, für die die Nutzung und der Schutz ihrer marinen Biodiversität von Bedeutung sei.

Nach Einschätzung von Schminke bedeutet die Ausbildung in mariner Systematik außerdem eine geeignete Ergänzung für den Studiengang Marine Umweltwissenschaften an der Universität Oldenburg. Außerdem könnte die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meersforschung in Bremerhaven, mit dem die Universität Oldenburg durch einen Kooperationsvertrag verbunden ist, wesentlich verfieft werden. Die Vernetzung des Zentrums mit allen übrigen auf marine Biodiversitätsforschung ausgerichteten Aktivitäten in Deutschland und in Europa mache dieses zu einer internationalen Drehscheibe, von der für die Universität Oldenburg wichtige Innovationsimpulse ausgehen dürften.

Clio vor und hinter den Werkstoren in Europa

Mehr und mehr Konzerne lassen NS-Verstrickungen von Historikern untersuchen / Von Hans-Martin Barth*

Historiker, die in deutscher und europäischer Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte zu Hause sind, werden derzeit öfter als je zuvor von besten Adressen der Wirtschaft umworben. So hatte die Deutsche Bank schon 1995 ihre Firmengeschichte vertrauensvoll und auf1agenfrei in die Hand einer internationalen Historikergruppe gelegt. Deutsche und Dresdner Bank ließen dann 1998/99 in gleicher Weise heftig diskutierte Verstrickungen im NS-Raubgoldhandel abklären. Teuer und erschöpfend hatte sich bereits zuvor Daimler Benz der historiographischen Durchleuchtung des Konzerns in NS-Rüstung und NS-Zwangsarbeitersystem gestellt. Rat bei Historikern wird derzeit auch im Kanzleramt gesucht, wo Lutz Niethammer - u.a. Pionier der "Oral History" in Deutschland - der Geburt einer "Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen" assistiert, die ab kommendem Herbst ehemaligen Zwangsarbeitern, vor allem aus Ost-Europa, vereinfacht "Genugtuung und materielle Hilfe" schaffen soll.

Führend und früher als anderenorts hat sich auf diesem Gebiet der Volkswagen-Konzern profiliert, wo Historiker unter Hans Mommsen seit den 80er Jahren die Geschichte von Werk und Belegschaft erforschten, in der der Anteil von Zwangs-, Häftlings- und Gefangenenarbeit im Zweiten Weltkrieg zeitweilig einen deutschen "Spitzensatz" von 70 % erreicht hatte. Angehörige dieser Belegschaftsgruppen nach 1945 individuell zu entschädigen, wurden von VW wie von allen ähnlich betroffenen deutschen Großunternehmen bis 1998 abgelehnt. Der Konzern verließ diese Front aber im Vorjahr und machte mit diesem Kurswechsel selbst bereits Geschichte, weil Politik und Wirtschaft in Deutschland inzwischen weitgehend dem Wolfsburger Entschädigungsmodell folgen wollen, das ohne juristische Argumentation ein moralisch begründetes Obligo hier anerkennt und materiell rasch einzeln entschädigen wird.

Daß dieser Entwicklung eine von Auflagen befreite Firmenhistoriographie vorgearbeitet hat, ist kaum zu bestreiten. Und strittig ist auch nicht die Rolle von medialem und kommerziellem Druck, den Debatten um "Raubgold" und Zwangsarbeit in Europa und Übersee in diesem Kontext entstehen ließen. Clio, die Muse der Historiographie, kam, so gesehen, spät und erst im Noteinsatz zu den Konzernen. Aber man hat sich diesem Einzug dort auch nicht mehr verweigert. Eine jüngere Unternehmer- und Managergeneration hat ihr hier in kluger Wahrung von Eigeninteresse an Transparenz und optimierter Öffentlichkeitsarbeit neben den Werks- auch die Archivtore geöffnet. Ein Vorgang, der nicht nur für deutsche Verhältnisse kennzeichnend wurde. Im Europa des ausgehenden Jahrhunderts arbeiten auch die Nachbarländer mit einem so geöffneten Blick an umfassenderen Sozialgeschichten von Unternehmen und Unternehmern. Clio, in der griechischen Wortbedeutung "die Rühmende" soll, neben dem Ruhm dort wie hier einer umfassend befreienden Wahrheitsfindung dienen.

*) Dr. Hans-Martin Barth lehrt und forscht am Histrorischen Seminar im Bereich "Vergleichende europäische Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Internet-Zugang für Blinde

OFFIS erhält 1,5-Millionen-Projekt vom Bund

Mit 1,5 Millionen DM fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das am Informatik-Institut OFFIS angesiedelte Projekt "Zugang zum Internet für Blinde" (ZIB). Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Gorny (Fachbereich 10 Informatik) sollen dabei Virtual-Reality-Techniken so weiterentwickelt werden, daß die grafischen Oberflächen des WorldWideWebs für Blinde in einen stereofonischen Interaktionsraum übersetzt werden, um ihnen so den Zugang zum Internet zu ermöglichen.

Das Projekt ist in das BMBF-Programm INVITE (Intuitive Mensch-Technik-Interaktion für die vernetzte Informationswelt der Zukunft) eingebunden. Daran beteiligt sind 21 Unternehmen und Hochschulinstitute, die Technologien entwickeln sollen, die Kreativität, Wissensaustausch und kontinuierliches Lernen fördern und die informationsbasierte Geschäftswelt der Zukunft unterstützen. Ziel von INVITE ist es, die Nutzung der wachsenden Informationsmengen und der komplexen Funktionalität zukünftiger Informations- und Kommunikationssysteme beherrschbar und effektiv zu gestalten. INVITE gehört zu den vom BMBF geförderten Leitprojekten zum Themenfeld "Mensch-Technik-Interaktion in der Wissensgesellschaft" und wird bis zum Jahr 2003 mit insgesamt mehr als 60 Millionen DM gefördert.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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